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# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Afghanistan: Das Desaster aufarbeiten
> Grüne, FDP und Linke wollen den Bundeswehreinsatz aufklären. Ein
> U-Ausschuss nach der Wahl ist fast sicher, der genaue Auftrag ist
> strittig.
Bild: Die Evakuierungsmission ist vorbei; die Verteidigungsministerin in Taschk…
Berlin taz | Einen letzten Versuch starten die Grünen – noch vor der Wahl
am 26. September wollen sie den Bundestag über ein Löschmoratorium
abstimmen lassen. Das Plenum soll die Regierung auffordern, alle Akten und
Daten zum Thema Afghanistan zu sichern. Gemeint sind vor allem Unterlagen
aus den letzten Monaten, in denen es [1][um den Abzug der Bundeswehr und
die Rettung afghanischer Ortskräfte] geht. Die Ministerien sollen alle
Mitarbeiter*innen in ihren Zuständigkeitsbereichen anweisen, bloß
nichts zu löschen. Das Moratorium soll dabei helfen, das
Afghanistan-Desaster in der Zukunft aufzuarbeiten.
Ob etwas daraus wird? Am Mittwoch hatten die Grünen einen entsprechenden
Antrag schon im Auswärtigen Ausschuss zur Abstimmung gestellt, dort waren
sie gescheitert. Mit den Stimmen von SPD, Union und AfD wurde das
Moratorium abgelehnt. Von einem „Schaufensterantrag“ sprach der
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt: Die „gesetzliche Grundlage in Deutschland,
wie offizielle Stellen mit Akten umzugehen haben“, reiche völlig aus. Ein
Sprecher des Auswärtigen Amts sagte am Freitag, in seinem Ministerium
würden „keine Akten geschreddert und keine Mails vernichtet“.
Den Grünen reichen solche Beteuerungen nicht aus. Der außenpolitische
Sprecher Omid Nouripour sagte der taz, beim Thema Löschen könne man einer
Regierung nicht vertrauen, die „die ganze Zeit nur damit beschäftigt war,
die Zahl der Ortskräfte herunterzufrisieren, der bei der Warburg-Bank
Unterlagen fehlen und der bei der Berateraffäre plötzlich Daten nicht mehr
zur Verfügung standen“. Die Gesetzesgrundlage reiche nicht aus, zusätzlich
müsse der „politische Wille bekundet“ werden.
Vollkommen grundlos ist sein Misstrauen nicht. Zuletzt konnte das
Verteidigungsministerium dem U-Ausschuss zur Berateraffäre [2][keine SMS
der Ex-Ministerin Ursula von der Leyen vorlegen], weil deren Mobiltelefone
auf den Werkzustand zurückgesetzt wurden.
## Auftrag umstritten
Dass es auch zu Afghanistan einen Untersuchungsausschuss geben wird, ist
nach dieser Woche sehr wahrscheinlich. In dieser Legislaturperiode wird
daraus zwar nichts mehr, da die Arbeit solcher Ausschüsse Monate dauert.
Grüne, FDP und Linke haben allerdings bereits angekündigt, im nächsten
Bundestag einen U-Ausschuss einsetzen zu wollen. Für die Einsetzung reicht
es aus, wenn ein Viertel aller Abgeordneten zustimmt – kein Problem also,
sollte nicht noch eine Fraktion aus Rücksicht auf künftige
Koalitionspartner einen Rückzieher machen.
Einigen müssen sich die Fraktionen allerdings noch auf den genauen
Untersuchungsauftrag. Am umfassendsten will ihn die Linksfraktion
definieren. „Die Linke ist dafür, sowohl das Totalversagen der
Bundesregierung in den vergangenen Monaten, insbesondere von Außenminister
Maas und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, zu untersuchen, als
auch den ganzen Einsatz“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan
Korte der taz. Ihm zufolge soll die Untersuchung schon bei der Frage
ansetzen, warum Rot-Grün die Kriegsbeteiligung 2001 beschlossen hat und
warum die Mandate seitdem Jahr für Jahr verlängert wurden.
Die FDP will den Auftrag dagegen enger fassen. Fraktionsvize Alexander
Lambsdorff sagte, der Ausschuss solle nur klären, „wie es dazu kommen
konnte, dass der Abzug aus Afghanistan so unvorbereitet und chaotisch
ablief“. Weitere Fragen soll dann ein anderes Gremium beantworten: „Darüber
hinaus fordern wir in der nächsten Legislaturperiode eine
Enquetekommission, die den Afghanistan-Einsatz insgesamt bewertet. Dass die
Bundesregierung einer solchen Bewertung, wie es sie in USA längst gibt,
bisher nicht zugestimmt hat, ist ein Fehler. Deutschland muss aus den
Erfolgen und Misserfolgen der Afghanistan-Mission lernen – auch um unsere
Soldatinnen und Soldaten in laufenden und zukünftigen Einsätzen bestmöglich
zu schützen.“
Eine solche Enquetekommission bestünde aus Abgeordneten und externen
Sachverständigen. Auch den Grünen schwebt vor, dass sich der U-Ausschuss
auf die letzten Monate konzentriert und die allgemeine Evaluation in einem
Extra-Gremium stattfindet. Sie denken dabei aber eher an eine reine
Expert*innen- als an eine gemischte Enquetekommission.
## Listen für die Taliban
Was so oder so zumindest als Randaspekt Thema im Untersuchungsausschuss
werden könnte: Die Frage, ob die Taliban Listen erhalten haben, auf denen
die Namen von Mitarbeiter*innen deutscher Stellen in Afghanistan
stehen. Das US-Magazin Politico berichtete am Freitag, das US-Militär habe
den Taliban Listen mit Namen seiner eigenen Ortskräfte übergeben.
Ziel sei es gewesen, dass die Personen durch Taliban-Checkpoints hindurch
zum Kabuler Flughafen kommen. US-Abgeordnete befürchten nun, dass die
Personen durch die Aktionen in Gefahr geraten seien, da die Taliban die
Ortskräfte als Feinde ansehen. Deutsche Stellen hätten keine solchen Listen
an die Taliban übergeben, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in
Berlin am Freitag. Ob die Namen deutscher Ortskräfte über die US-Armee an
die Taliban gelangt sein könnten? Dafür gebe es „keinen Anhaltspunkt“.
Noch fahrlässiger als die US-Amerikaner sind offenbar die britischen
Behörden mit sensiblen Daten umgegangen. Die Times berichtet, dass in der
britischen Botschaft in Kabul Listen mit Namen und Kontaktdaten lokaler
Mitarbeiter*innen liegengeblieben seien. Auch diese Listen könnten nun
in den Händen der Taliban sein.
27 Aug 2021
## LINKS
[1] /Ende-der-Afghanistan-Luftbruecke/!5796421
[2] /Berater-Affaere-um-von-der-Leyen/!5655418
## AUTOREN
Tobias Schulze
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Schwerpunkt Afghanistan
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