# taz.de -- Nachrichten aus Afghanistan: Taliban erwarten Kapitulation | |
> Nach Angriff auf Kabul kündigt die afghanische Regierung eine „friedliche | |
> Machtübergabe“ an. Die Taliban hingegen erwarten eine bedingungslose | |
> Kapitulation. | |
Bild: Afghanischer Soldat in Kabul: Offenbar gab es keine Kämpfe seit dem Angr… | |
Kabul dpa/rtr/ap | Taliban-Kämpfer haben am Sonntag die afghanische | |
Hauptstadt Kabul betreten, nachdem sie in nur einer Woche den größten Teil | |
des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Afghanistans Innenminister | |
Abdul Sattar Mirsakwal hatte einen „friedlichen Übergang“ angekündigt und | |
erklärte, Kabul werde nicht angegriffen. Ein Sprecher der Taliban sagte dem | |
katarischen Nachrichtensender Al Dschasira, es ginge um eine bedingungslose | |
Kapitulation. | |
Drei afghanischen Beamten zufolge haben die Taliban drei Randbezirke Kabuls | |
betreten: Kalakan, Karabagh und Paghman. Es habe zunächst keine Kämpfe | |
gegeben. Taliban-Unterhändler seien auf dem Weg zum Präsidentenpalast, um | |
eine Machtübergabe vorzubereiten. | |
Auf Regierungsseite nahmen der frühere Präsident Hamid Karsai und der | |
Vorsitzende des Versöhnungsrats, Abdullah Abdullah, an den Gesprächen mit | |
den Taliban teil, sagte der Gewährsmann, der die Atmosphäre dabei als | |
„gespannt“ beschrieb. Die Regierung strebte die Bildung einer | |
Übergangsregierung an, hieß es, war aber nach dem Verlust der wichtigsten | |
Provinzhauptstädte und Gebiete in einer Position der Schwäche. | |
## Auflösungserscheinungen in Kabul | |
In der Hauptstadt machten sich Auflösungserscheinungen breit. Behörden und | |
Regierungsgebäude wurden von Beschäftigten fluchtartig verlassen. Der | |
Flughafen von Kabul war für viele die Letzte Chance, das Land zu verlassen, | |
da die Taliban bis Sonntag alle Übergänge an den Landgrenzen unter ihre | |
Kontrolle gebracht hatten. Kabul war voller vor den Taliban geflüchteter | |
Menschen, die in Parks und auf öffentlichen Plätzen kampierten und eine | |
Rückkehr der harschen Auslegung des islamischen Rechts mit der fast | |
vollständigen Eliminierung von Frauenrechten befürchteten. | |
Ausländer können den Taliban zufolge die afghanische Hauptstadt Kabul | |
verlassen, wenn sie dies wünschten. Andernfalls müssten sie sich in den | |
kommenden Tagen bei von den Taliban eingerichteten Stellen registrieren | |
lassen, sagt ein Taliban-Vertreter. Kabul sei eingeschlossen, der Flughafen | |
bleibe aber in Funktion. Die Versorgung von Krankenhäusern werde nicht | |
unterbunden. Mitglieder der afghanischen Armee könnten nach Hause gehen. | |
Die Taliban hätten zum jetzigen Zeitpunkt Freuden-Schüsse als Siegeszeichen | |
untersagt. | |
## Dschalalabad wurde eingenommen | |
Zuvor hatte die militant-islamistischen Taliban auch die Großstadt | |
Dschalalabad im Osten Afghanistans übernommen. Die Provinzhauptstadt von | |
Nangarhar sei kampflos von den Islamisten erobert worden, bestätigten zwei | |
Provinzräte und ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Damit | |
verlor die Regierung die vorletzte noch unter ihrer Kontrolle stehende | |
Großstadt des Landes. Erst am Samstagabend hatten die Taliban die wichtige | |
Stadt Mazar-i-Scharif im Norden mehr oder wenig kampflos eingenommen. Dort | |
waren bis Ende Juni deutsche Soldaten stationiert. | |
Die Islamisten seien um 6 Uhr morgens (Ortszeit) nach Dschalalabad, eine | |
wirtschaftlich wichtige Stadt mit 280 000 Einwohnern, eingedrungen, sagte | |
ein Bewohner. Sie würden niemanden belästigen und hätten den Menschen | |
gesagt, sie sollten nicht stehlen. Soldaten, die sie sähen, entwaffneten | |
sie und schickten sie nach Hause, sagte der Bewohner weiter. | |
Zwei Provinzräte erklärten, es habe keine Kämpfe gegeben. „Kämpfen wäre | |
sinnlos gewesen.“ In sozialen Medien geteilte Bilder zeigten rund ein | |
Dutzend Taliban-Kämpfer im Büro des Provinzgouverneurs. Noch unbestätigten | |
Berichten zufolge übernahmen die Islamisten auch weitere Bezirke in der | |
Provinz Nangarhar. Es wäre damit nur eine Frage der Zeit, bis auch eine | |
durch die Provinz verlaufende Hauptverbindung nach Pakistan über Land unter | |
ihrer Kontrolle stünde. | |
## Kampflose Übergabe auch in Kabul? | |
Der Ring um die Hauptstadt Kabul war somit mehr oder weniger zugezogen. | |
Präsident Aschraf Ghani hatte am Samstag Sami Sadat, den jungen, ehemaligen | |
Kommandeur des 215. Armeekorps zuständig für den Süden Afghanistans – der | |
mittlerweile praktisch vollständig Taliban-Gebiet ist – zum neuen | |
Sicherheitsbeauftragten für die Stadt Kabul ernannt. | |
Es ist nicht bekannt, wie viele der auf dem Papier rund 300.000 Mann | |
starken Sicherheitskräfte – Armee und Polizei – in der Hauptstadt | |
mittlerweile den Dienst quittiert haben. Am Samstag hatte Ghani in einer | |
Fernsehansprache gesagt, die Sicherheitskräfte „remobilisieren“ zu wollen. | |
Nach den jüngsten kampflosen Übergaben mehrerer Provinzhauptstädte ist | |
zudem unklar, ob die Sicherheitskräfte in Kabul sich den Taliban | |
widersetzen würden. Weiter ist offen, wie lange sich Ghani angesichts der | |
brisanten Lage noch halten kann. Er hatte am Samstag gesagt, er wolle | |
„bald“ einen Plan vorlegen, um weiteres Blutvergießen und Zerstörung zu | |
verhindern. Auf Spekulationen über seinen Rücktritt war er nicht | |
eingegangen. | |
Angesichts des blitzartigen Eroberungszugs bereitet die Bundesregierung | |
unter Hochdruck eine von der Bundeswehr abgesicherte Evakuierungsaktion in | |
der Hauptstadt Kabul vor. Deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte | |
sollen zu Wochenbeginn schnell außer Landes gebracht werden. | |
## Biden warnt die Extremisten | |
Außenminister Heiko Maas sagte der „Bild am Sonntag“, dass nun die zügige | |
Evakuierung deutscher Diplomaten und anderer Mitarbeiter das Wichtigste | |
sei. „Wir werden nicht riskieren, dass unsere Leute den Taliban in die | |
Hände fallen. Wir sind für alle Szenarien vorbereitet.“ Nach Informationen | |
der Zeitung fliegt die Luftwaffe an diesem Montag mit Militärtransportern | |
vom Typ A400M nach Kabul. | |
US-Präsident Joe Biden warnte die Extremisten vor Übergriffen auf | |
Amerikaner. Seine Regierung habe Taliban-Vertretern in Katar mitgeteilt, | |
dass jede Aktion, die US-Bürger und -Soldaten in Gefahr bringe, „mit einer | |
schnellen und starken militärischen Reaktion der USA beantwortet werden | |
wird“. Das Verteidigungsministerium stockte die Truppen zur Evakuierung von | |
3000 auf 5000 Soldaten auf. Sie sollen dabei helfen, Botschaftspersonal und | |
einheimische Ortskräfte auszufliegen. Die US-Botschaft begann am Sonntag | |
mit der Evakuierung. Erste Mitarbeiter hätten die Botschaft verlassen, der | |
Großteil des Personals sei zum Abzug bereit, teilten US-Vertreter mit. | |
Text wird aktualisiert. Zuletzt 14.21 Uhr | |
15 Aug 2021 | |
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