# taz.de -- Überraschend radikaler EuGH: Aus für Nulltarif-Angebote | |
> Der Europäische Gerichtshof verbietet Sonderkonditionen für bestimmte | |
> Datenarten wie Video- oder Music-Streaming. Damit ist der Vodafone Pass | |
> passé. | |
Bild: Was fehlt denn hier? Ein Smartphone mit einem Vertrag mit Nulltarif-Angeb… | |
Freiburg taz | Nulltarif-Angebote wie der „Vodafone Pass“ und „Telekom | |
Stream-On“ verstoßen generell gegen [1][die vom EU-Recht geschützte | |
Netzneutralität], weil sie bestimmte Datenarten bevorzugen. Das entschied | |
jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) und urteilte damit deutlich | |
radikaler als erwartet. | |
Nulltarif-Angebote erlauben, dass bestimmte Datenarten kostenlos (also zum | |
„Nulltarif“) ohne Begrenzung genutzt werden können. Diese Datenarten werden | |
nicht auf das begrenzte Datenvolumen eines Smartphone-Vertrags angerechnet. | |
Beim Vodafone Pass gibt es zum Beispiel den Music-Pass oder den Video-Pass. | |
Damit werden die jeweiligen Streaming-Angebote etwa von Spotify und Deezer | |
(Musik) oder von amazon prime und netflix (Video) nicht auf das | |
Highspeed-Volumen angerechnet. Ähnliches gilt für die zubuchbaren Tarife | |
Stream On-Music und Stream On-Music&Video der Deutschen Telekom. | |
Vor deutschen Gerichten ging es bisher nur um Spezialprobleme dieser | |
Dienste. So untersagte die Bundesnetzagentur der Telekom, das | |
Videostreaming im Stream On-Tarif auf 1,7 MBit pro Sekunde zu deckeln (für | |
HD-Qualität wäre mindestens die doppelte Kapazität erforderlich). Und bei | |
Vodafone monierte die Netzagentur, dass das Streaming nur im Inland nicht | |
auf das gebuchte Datenvolumen angerechnet wird, im Ausland aber doch. | |
Ein dritter Rechtstreit betraf das so genannte Tethering, die Nutzung eines | |
Smartphones als Modem für andere Geräte wie etwa Laptops oder Tablets. Dies | |
war im Vodafone Pass ebenfalls ausgeschlossen, was die Bundesnetzagentur | |
akzeptierte, nicht aber der Verbraucherzentrale Bundesverband, der gegen | |
Vodafone klagte. | |
## Nicht mit EU-Recht vereinbar | |
In zwei Fällen legte das Verwaltungsgericht Köln und in einem Fall das | |
Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH deshalb die Frage vor, ob die | |
jeweiligen Einschränkungen der Tarife mit EU-Recht vereinbar sind. | |
Der EuGH befasste sich jetzt aber in allen drei Urteilen nicht mit den | |
Details. Der Gerichtshof in Luxemburg erklärte vielmehr in allen drei | |
Fällen, dass schon der Tarif an sich gegen EU-Recht verstoße, weil Video- | |
oder Musikdaten anders behandelt werden als andere Daten. Auf die konkreten | |
Einschränkungen innerhalb der Tarife komme es deshalb gar nicht mehr an. | |
[2][Der EuGH begründete dies mit der EU-Telekom-Binnenmarkt-Verordnung] von | |
2015 (auch als Netzneutralitäts-Verordnung bekannt). Diese verbiete jede | |
Diskriminierung bestimmter Datenarten aus kommerziellen Gründen. | |
Aus Sicht des EuGH waren die Urteile unspektakulär. Sie waren kurz und | |
ergingen ohne vorherige Schlussanträge des unabhängigen Generalanwalts. Der | |
EuGH war der Meinung, dass alles Relevante bereits im September 2020 in | |
seinem Urteil zum ungarischen Dienst Telenor Magyarország stand, dem ersten | |
EuGH-Urteil zur Netzneutralität. Die Telekom und Vodafone sahen sich von | |
dem damaligen Urteil aber nicht betroffen, weil sie alle Musik- und | |
Video-Anbieter gleichbehandeln. Das war offenbar ein großer Irrtum. Für den | |
EuGH kommt es nicht nur auf die Gleichbehandlung von Deezer und Spotify an, | |
sondern auf die Gleichbehandlung aller Datenarten. | |
Die endgültigen Urteile werden das VG Köln und das OLG Düsseldorf sprechen. | |
Aber die Vorgaben des EuGH sind eindeutig. | |
(Az.: C-34/20, C-5/20, C-854/19) | |
2 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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