| # taz.de -- Medienforscher über digitalen Faschismus: „Das Spiel um Aufmerks… | |
| > Rechte versuchen im Netz gezielt Gefühle zu manipulieren. | |
| > Medienwissenschaftler Simon Strick über die Gefahren des digitalen | |
| > Faschismus und den richtigen Umgang damit. | |
| Bild: „Die Allgemeinheit sucht den bösen Faschisten“: Medienwissenschaftle… | |
| taz: Herr Strick, was verstehen Sie unter [1][digitalem Faschismus?] | |
| Simon Strick: Damit meine ich bekannte Figuren und Strategien der rechten | |
| Informationssphäre, aber vor allem ihre Flächeneffekte. Im Netz sind rechte | |
| bis rechtsextreme Positionierungen – zu Migration, Minderheitenschutz oder | |
| Regierungshandeln – alltäglich und weit verbreitet. Der Faschismus zeigt | |
| sich heute nicht nur in SS-Runen und Hate Speech, sondern in alltäglichen | |
| Formeln, mit denen Nutzer zum Beispiel auf Facebook mitteilen können, wie | |
| sie persönlich gerade von der „Umvolkung“ oder „Meinungsdiktatur“ bedr… | |
| und gegängelt werden. Was ich die Alternative Rechte nenne, verbreitet | |
| solche Formeln netztypisch: als Influencer-Video, als Infografik, als Meme, | |
| als Hashtag. | |
| Sie beschreiben ihn als medienaffin und hochaktuell – macht ihn das so | |
| gefährlich? | |
| Rechtsextreme haben sich dem digitalen Zeitalter früh angepasst. Sie | |
| verstehen das Spiel um mediale Aufmerksamkeit und strategische | |
| Provokationen, die Klicks bringen und Debatten entstehen lassen. Sie sind | |
| Profiteure der derzeitigen Informationskrise oder waren sogar deren | |
| Architekten, wie etwa Andrew Breitbart. | |
| Es geht dabei auch viel um Inszenierung, also sich als Opfer zu | |
| präsentieren, wieso? | |
| Es geht darum, Minderheitengefühle für Mehrheitspositionen zu schaffen. Der | |
| sogenannte normale Deutsche soll sich bedroht fühlen. Das ist die | |
| Kernaussage des AfD-Slogans „Deutschland, aber normal“. Das Normale wird | |
| als etwas beschworen, das durch Migration, Feminismus, Globalisierung und | |
| vieles andere zur Minderheitenposition wird. Die Rechten veranstalten | |
| solche Erregungsstrudel gezielt, um ihre rassistischen und sexistischen | |
| Kernthemen zu etablieren. Normal heißt nämlich immer weiß zu sein, | |
| männlich, cis, hetero. Mehrheitspositionen sollen sich als bedrohte | |
| Minderheiten fühlen und wehren, es ist eine Radikalität für die Mitte. | |
| Das ist, was sie im Buch als Manipulation von Emotionen beschreiben? | |
| Es ist nicht nur Manipulation. Viele nehmen die Gefühlsformeln an, um sich | |
| irgendwie zu allen möglichen Themen zu positionieren. Habe ich keine | |
| Meinung zur Frauenquote, sagen mir die Rechten, wie die Quote mich als Mann | |
| diskriminiert. Sie politisieren den Alltag. Sie entwerfen ein alltägliches | |
| Erleben, wie man sich als weiße Person oder als Mann unterdrückt fühlen | |
| kann. Das mögen viele, weil es Orientierung bietet. Mittlerweile will sich | |
| jeder Maskenmuffel wie ein Widerstandskämpfer fühlen. Die Rechten stellen | |
| die Narrative dafür bereit, von „Merkels DDR 2.0“ bis zur jüdischen | |
| Weltverschwörung. Für die meisten kommt ein wütender Tweet dabei heraus, | |
| andere töten Menschen, wie in Halle. | |
| Sie sagen, dass wir diese Aspekte der Rechten bisher zu wenig analysiert | |
| haben. Warum ist es wichtig, die konkreten Inhalte zu beleuchten? | |
| Die Allgemeinheit sucht den bösen Faschisten, um ihn wegzusperren oder zu | |
| therapieren, weil der „den Rassismus macht“. Wenige reden über die | |
| konkreten rassistisch-völkischen Inhalte der Rechten und warum sie so gut | |
| im Mainstream hängen bleiben. Dazu müsste man über Rassismus und | |
| Ressentiment innerhalb großer Teile der deutschen Normalität sprechen. | |
| Selbstreflexion also, was ja schwer ist. | |
| Und wie lassen sich diese rechten Gefühlsräume aufbrechen? | |
| Keine Ahnung. Die westdeutsche Normalität, die mich geprägt hat, war immer | |
| weiß und männlich gedacht. Die Rechten wandeln diese implizite | |
| Identitätspolitik in eine explizite: Weiße und Männer müssen sich wehren. | |
| Ich glaube, es braucht andere Gefühlsformeln. Die gibt es, sie sind aber in | |
| der doch sehr biodeutsch dominierten Öffentlichkeit isoliert. Andere | |
| Erfahrungen können aber nur von anderen Öffentlichkeiten artikuliert | |
| werden. | |
| 1 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Autoren-ueber-rechte-Hetze-im-Netz/!5718449 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabina Zollner | |
| ## TAGS | |
| Faschismus | |
| GNS | |
| Hate Speech | |
| Social Media | |
| Minderheiten | |
| Hetze | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Christine Lambrecht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rassistische Aussagen von Minderheiten: Nützliche Nestbeschmutzer | |
| Rechte rekrutieren gern Verbündete, die selbst Migrationshintergrund haben. | |
| Damit versuchen sie, Stereotype zu untermauern. | |
| Buch „Die Shitstorm-Republik“: Im Auge des Sturms | |
| Das Buch „Die Shitstorm-Republik“ der ZDF-Journalistin Nicole Diekmann | |
| beschäftigt sich mit Hass im Netz. Ein allbekanntes, aber ungelöstes | |
| Problem. | |
| Populisten-Hochburg Facebook: Teile und herrsche | |
| Facebook behauptet, die Welt näher zusammenzubringen. Doch immer mehr zeigt | |
| sich, wie der Konzern Menschen auseinandertreibt – und Populisten stärkt. | |
| Gesetz gegen Hasskriminalität: Meldepflicht bleibt lückenhaft | |
| Die Pläne der Justizministerin beinhalten Überraschungen: Facebook und Co. | |
| müssen angedrohte Vergewaltigungen nicht ans BKA melden. |