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# taz.de -- UN-Resolution zu Afghanistan: Heißluftnummer Sicherheitszone
> Frankreichs Präsident Macron scheitert mit seinem Vorschlag für eine
> „Sicherheitszone“ in Afghanistan. Der Begriff stößt auf Skepsis.
Bild: Hier eine Sicherheitszone? Satellitenbild des Flughafens Kabul nach dem A…
Genf taz | Als in der Nacht zum Dienstag [1][die letzten US-Soldaten aus
Afghanistan abzogen], forderte der UN-Sicherheitsrat fast gleichzeitig in
New York die Taliban per Resolution zur Einhaltung ihrer Zusage vom letzten
Freitag auf: AfghanInnen und ausländische Staatsangehörige sollen weiterhin
ungehindert auf dem Luft- wie auf dem Landweg ausreisen können.
Zudem müsse der „vollständige, sichere und ungehinderte“ Zugang für
humanitäre Hilfslieferungen gewährleistet werden, heißt es in der
Resolution. Der Sicherheitsrat betont, es sei „notwendig, die Rechte von
Frauen, Kindern und Minderheiten zu bewahren“, und mahnt eine „inklusive“,
politische Lösung bei der Bildung der künftigen Regierung des Landes an.
Afghanistan dürfe nicht „benutzt werden, um ein anderes Land zu bedrohen
oder anzugreifen oder Terroristen zu schützen oder sie auszubilden“.
13 der 15 UN-Ratsmitglieder stimmten für die Resolution. Nur die beiden
Vetomächte Russland und China enthielten sich bei der Abstimmung. Der
russische UN-Botschafter begründete seine Enthaltung damit, dass der
Resolutionstext weder auf den von flüchtenden afghanischen Fachkräften
ausgelösten „Braindrain“ eingehe noch auf die „schädlichen Auswirkungen…
des Einfrierens afghanischer Vermögenswerte durch westliche Staaten. Die
chinesische Regierung bezeichnete die chaotische Lage in Afghanistan als
direkte Folge des „ungeordneten Abzugs“ der westlichen Staaten aus dem Land
Die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorab geforderte
„Sicherheitszone für Kabul unter UN-Kontrolle“, die eine Fortsetzung
humanitärer Operationen ermöglichen soll, wird in dem Beschluss des
Sicherheitsrates nicht erwähnt. Denn der dazu von Frankreich gemeinsam mit
Großbritannien eingebrachte Resolutionsenwurf stieß nicht nur bei den
beiden Vetomächten Russland und China auf erhebliche Bedenken, sondern auch
bei anderen Ratsmitgliedern.
## Schlechte Erfahrungen mit „Sicherheitszonen“
Zum einen ist unklar, gegen wen und durch wen die Sicherheitszone
gegebenenfalls durchgesetzt werden müsste. Selbst wenn die Taliban sich
vollständig an ihre Zusage halten sollten, besteht die Gefahr [2][von
Anschlägen des afghanischen Ablegers des „Islamischen Staates“] ISK oder
anderer mit den Taliban verfeindeter Akteure gegen humanitäre
Hilfslieferungen. Und das nicht nur in Kabul, sondern im ganzen Land.
Allen Beteiligten an der Debatte im Sicherheitsrat war zudem klar, dass
nach dem Desaster der letzten militärischen Intervention in Afghanistan
vorläufig kein UN-Mitgliedsstaat bereit sein dürfte, sich mit SoldatInnen
oder anderen Ressourcen an einer Mission zur Überwachung und Durchsetzung
einer „Sicherheitszone“ zu beteiligen. Angesichts dieser Realitäten war
Macrons Vorschlag für eine solche Zone eine populistische Heißluftnummer
und die Vorstellung ihrer „Kontrolle durch die UN“ reine Fiktion. Macron
habe die Idee einer „sicheren Zone übertrieben dargestellt oder zumindest
nicht sehr klar kommuniziert“, kritisierte Richard Gowan, UN-Experte bei
der International Crisis Group.
In der Peacekeeping-Abteilung im New Yorker UN-Hauptquartier, die diese
Kontrolle nach einem entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrates hätte
koordinieren müssen, gibt es zudem Bedenken gegen den Begriff
„Sicherheitszone“.
Zum einen, weil der türkische Präsident Erdoğan mit der erklärten
Zielsetzung, eine „Sicherheitszone“ zu schaffen, die KurdInnen aus
Nordsyrien gewaltsam durch seine Streitkräfte vertreiben lässt – um dort
künftig arabischstämmige syrische Flüchtlinge anzusiedeln. Die Erklärung
einer „Sicherheitszone“ kann also zum Vorwand für militärisches
Durchgreifen werden.
Zum andern ist in der Peacekeeping-Abteilung der UN die bittere Erfahrung
aus dem Bosnienkrieg der 90er Jahre nicht vergessen. Damals deklarierte der
Sicherheitsrat die bosnische Hauptstadt Sarajevo sowie Srebrenica und drei
weitere von Milizen der serbischen NationalistInnen belagerte Städte zwar
nicht als „Sicherheitszonen“, sondern als sogenannte Schutzzonen. Doch auch
das geschah mit dem erklärten Ziel, humanitäre Lieferungen durchzusetzen
und diese Zonen gegen Angriffe von außen zu schützen. Doch im Juli 1995
ließen die Hauptmächte des Sicherheitsrates dennoch zu, dass die Schutzzone
Srebrenica von serbischen Angreifern erobert und rund 8.000 ihrer
muslimischen Bewohner ermordet wurden.
## Gespräche mit den Taliban
Laut Nachrichtenagentur reuters ist die Bundesregierung derweil im Gespräch
mit europäischen Partnern, um nach einem Weg für reguläre Kontakte mit den
Taliban in Kabul zu suchen. Man müsse schauen, „wie können wir mit den
Taliban sprechen“, sagte Bundeskanzlerin Merkel in Berlin.
Auch die USA wollen mit den Taliban verhandeln. US-Außenminister Antony
Blinken kündigte eine mögliche Zusammenarbeit mit der neuen afghanischen
Regierung an. „Wenn wir auf eine Weise zusammenarbeiten können, die unsere
nationalen Interessen sichert, dann werden wir es tun“, sagte Blinken. Man
habe derweil die diplomatischen Aktivitäten angesichts der unsicheren
Sicherheitslage nach Doha in Katar verlegt.
31 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Zumach
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