# taz.de -- Musikgeschmack im Wahlkampf: CDU ist wie Mark Forster | |
> Der „Rolling Stone“ hat die Spitzenkandidat_innen nach ihrem | |
> Musikgeschmack befragt. Die Antworten machen derweil kaum Hoffnung. | |
Bild: Eines der letzten Konzerte, das Armin Laschet besucht hat, war Mark Forst… | |
Ist Christian Lindner wirklich ein Liberaler wie aus dem Bilderbuch? | |
Schafft es [1][Armin Laschet], immer und überall den unfreiwilligen Clown | |
zu geben – selbst bei unverfänglichen Fragen aus dem Bereich Pop? Und kann | |
man bei Annalena Baerbock orakeln, ob sie jetzt eher ein Faible für | |
Schwarz-Grün als für R2G hat? Ich behaupte: Ja! Das Musikmagazin Rolling | |
Stone [2][hat die Spitzenkandidat_innen zu ihren ersten Platten, den | |
letzten Konzerten und den besten Songtexten für den Wahlkampf befragt]. | |
Daran lässt sich einiges ablesen. | |
FDP-Chef Christian Lindner hält „Freiheit ist das Einzige, was zählt“ aus | |
Marius Müller-Westernhagens bekanntem Gassenhauer für einen perfekten | |
Slogan für den FDP-Wahlkampf. Damit wäre die allseits bekannte | |
FDP-Ausrichtung auch schon perfekt zusammengefasst: Schlechte Phrase aus | |
einem nervigen Song – aber Hauptsache, man hat „Freiheit“ gesagt! | |
Und dass Lindner als letzte Platte „1995“ von Kruder & Dorfmeister auf – | |
wie er betont – Vinyl gekauft hat, ist ein richtiger FDP-Move: Es muss | |
auch dem Letzten klar werden, dass man am Zahn der Zeit mit total hippen | |
Inhalten operiert und seiner Zeit weit voraus ist. Auch wenn es niemanden | |
juckt. | |
Eines der letzten Konzerte, das CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (vor der | |
Pandemie) besucht hat: Mark Forster. Das steht für den langjährigen | |
CDU-Erfolg: Von Mark Forster behaupten alle, dass sie seine Musik | |
eigentlich scheiße finden, rennen aber trotzdem in Massen auf die Konzerte. | |
CDU-Politik und die runtergesülzten Nerv-Songs von Mark Forster verbindet | |
eines: Man könnte es besser haben, ist sich aber zu bequem, mal die | |
Komfortzone der Schlechtheit zu verlassen. Deswegen wählen die Deutschen | |
immer wieder die Union, so wie sie immer wieder auf mittelmäßige Konzerte | |
rennen. Es ist eine chronische Selbstbestrafung. | |
## Pink Floyd riecht nach Schwarz-Grün | |
Laschet, dem irgendwann einfällt, dass man beim Rolling Stone vielleicht | |
auch ein bisschen edgy als Interviewpartner rüberkommen muss, sinniert in | |
einem verzweifelten Anflug von Rebellentum, dass es Zeiten gab, „da war man | |
als Christdemokrat in Nordrhein-Westfalen durchaus Teil einer Subkultur“. | |
Lol. Das ist ungefähr genauso stichhaltig, wie in der ersten Reihe eines | |
Mark-Forsters-Konzert zu behaupten, man sei auf einem | |
Underground-Geheimtipp-Gig eines unterbewerteten Songschreibers gelandet, | |
den die Welt erst noch entdecken muss. | |
[3][Annalena Baerbock] hingegen legt eigentlich stabil vor (erste CD: | |
wahrscheinlich von Roxette), geht aber mit den Aussagen zu ihrer | |
Lieblingsplatte („Wish you were here“ von Pink Floyd) dann wieder wie | |
gewohnt langweilig auf Nummer sicher: Ein Pink-Floyd-Album als | |
Leib-und-Magen-Musik, das riecht nach Schwarz-Grün und nach dem Wunsch, so | |
viele Menschen wie möglich zu erreichen – vom jungen Musik-Nerd bis hin zur | |
Fraktion älterer Wähler_innen, die schon Ende der 1980er Jahre zu alt | |
waren, um zu schnallen, wie geil Roxette eigentlich waren. Es riecht nach | |
„leave no Wähler_innen behind“ und dem unbedingtem Willen zum Erfolg. | |
Annalena Baerbock wird langfristig einfach wissen, was sie sagen muss, um | |
die Leute für sich zu gewinnen. Würde mich nicht wundern, wenn sie in den | |
nächsten Jahren „Ænima“ von Tool für sich entdeckt, um den Massen passge… | |
zu verklickern, wie progressiv, avantgardistisch, cool und gleichzeitig | |
massentauglich sie ist! | |
[4][Janine Wissler] (Die Linke) gibt sich stabil. Letztes Konzert: Feine | |
Sahne Fischfilet in Paris. Dezidiert linke Mucke bei den Streik-Champions | |
im Nachbarland: Das ist linker Bürgi-Lifestyle vom Feinsten. Und natürlich | |
ist auch ihr aus einem Songtext generierter Lieblingswahlkampfslogan der | |
Schlagkräftigste: „Eat the rich“. Da hat jemand aufgepasst! | |
## Die Beatles-Koalition | |
Auf die Frage, ob sie mal Teil einer Subkultur war, erinnert sie sich an | |
eine Hippie-Phase und Engagement in der globalisierungskritischen und ihrer | |
Meinung nach „eher antikapitalistischen“ Bewegung um die Jahrtausendwende | |
mit den Protesten gegen den G8-Gipfel. | |
Das ist ehrlich links – und das ist auch das, was viele Menschen da draußen | |
scheiße finden. Leider wird der Hinweis auf ihr Faible für The Doors nix | |
mehr ausrichten können. Dabei sind die Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien | |
größer, als man vielleicht annimmt: Genau wie bei Scholz war Wisslers erste | |
selbst gekaufte Platte von den Beatles – [5][sie sollten sich zusammentun]. | |
Doch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wirkt neben Wissler gewohnt farblos, | |
was vielleicht auch den Verzweiflungsmove erklärt, den ehemaligen Bill | |
Clinton-Wahlkampfsong „Don’t stop“ von Fleetwood Mac als gut geeignet für | |
den SPD-Wahlkampf zu identifizieren: „Don’t stop thinking about tomorrow“ | |
ist ja praktisch seit 16 Jahren das Lebensmotto der SPD. | |
Scholz gibt den klassischen SPD-Mann, der sich auch politisch oft nicht so | |
recht festnageln will. Nach dem Motto „alles kann, nix muss“ gibt er an, | |
dass er „Rock, Jazz, Klassik“ mag – wie ein unentschlossener Dödel, der … | |
Musik eigentlich gar nicht so richtig Bock hat, aber überall mitmischen | |
will. Scholz sieht aus wie einer, der seit 1993 ungefähr eine Milliarde Mal | |
„’74–’75“ von The Connells im Lokalradio gehört hat, aber weder die … | |
noch den Song so richtig kennt. | |
Das deckt sich mit der scheinbaren Ahnungslosigkeit über die unerkannte und | |
versteckte potenzielle SPD-Wähler_innenmasse, die man auch eher nebenher | |
laufen lässt – weil man sich lieber Larifari widmet und lieber in allen | |
möglichen Töpfen (auch in denen, die eher CDU- und AfD-Geschmäckle haben) | |
herumrührt, anstatt an der eigenen sozialdemokratischen Ausrichtung zu | |
feilen. | |
27 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Nadia Shehadeh | |
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