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# taz.de -- Ein Festival in Hellersdorf: Auch hier Platz für urbane Kunst
> Ein Festival für Hellersdorf, ein guter Grund, mal in Hellersdorf
> vorbeizuschauen: Bei HellD erkundet man Randbedingungen.
Bild: Bei HellD: die Schweizer Songwriterin und Wahlberlinerin Anna Erhard
Berlin taz | Am Alice-Salomon-Platz ist alles noch in etwa so, wie man es
kennt, wenn man einmal durch Hellersdorf durchgefahren ist: Viel Asphalt,
ein weiter Platz, ein Fitnessstudio, ein Einkaufszentrum. Und die Straße
runter: Plattenbauten und nochmals Plattenbauten. Es entspricht
einigermaßen dem Bild, das man sich als Zentrumsbewohner vom äußersten
östlichen Rand Berlins gemacht hat – doch wenn man ehrlich ist, kennt man
den Ortsteil nicht annähernd.
Die Tage der urbanen Kunst Hellersdorf und das HellD-Festival sind da, um
das zu ändern. Einerseits sollen die beiden zusammenhängenden
Veranstaltungen (sub-)kulturaffines Publikum aus den anderen Bezirken
anziehen, ihnen andere Seiten von Hellersdorf zeigen, andererseits sollen
sie das nicht allzu üppige Kulturangebot im Kiez erweitern.
Die Kuratorin und Kulturmanagerin Dariya Kryshen sitzt auf einer Bank im
Bürgergarten Helle Oase, einem kleinen Idyll nur fünf Minuten vom
Alice-Salomon-Platz entfernt. Auf einer ehemaligen Brache gibt es hier
Gemeinschaftsbeete wie im Prinzessinnengarten, Liegen im Grünen wie in
Open-Air-Clubs, ein Tiny House, und direkt nebenan Streetsoccer und einen
Jugendklub. Kryshen ist Mitveranstalterin des HellD-Festivals. Als
übergreifendes Motto für ihre Veranstaltungen hat sie den Begriff
„Rand-bedingungen“ gewählt, den sie wörtlich verstanden wissen will: „Es
geht darum, dass man sich die Bedingungen vor Ort anschaut, sich nach ihnen
richtet und die kulturelle Praxis dementsprechend gestaltet. Man muss sich
auf die Gegebenheiten und die Menschen einlassen und ihnen gerecht werden.“
So ist sie auf die Helle Oase gestoßen, einen Ort, an dem es sonst Angebote
für Kinder oder ein Repair-Café gibt, an dem Permakultur-Workshops
stattfinden.
Hier wird heute am Samstag – zum nun zweiten Mal – auch das Festival HellD
stattfinden. Die musikalischen Acts, die dort auftreten, würde man sonst
wohl eher in Kreuzberger oder Neuköllner Clubs erwarten: die Berliner
Dream-Pop-Durchstarterin Thala, Laura Lee & The Jettes (von Gurr), die
Schweizer Songwriterin (und Wahlberlinerin) Anna Erhard und das
partyerprobte Adriano Celentano Gebäckorchester. Zudem zeigen die bildenden
Künstlerinnen Gunhild Kreuzer, Aline Hausen, Sonja Kotlyar und Sophia
Hirsch, was in den Workshops entstanden ist, die sie im Juli gegeben haben.
Thema: Das Leben in Hellersdorf.
Bei einem Festival wie HellD, das Dariya Kryshen gemeinsam mit dem
Friedrichshainer Produktionsbüro Kollegen 2,3 veranstaltet, steht schnell
ein Vorwurf im Raum: die Kreativen aus den hippen Bezirken – meist mit
akademischem Background – kämen nur her, um einmalig eine Veranstaltung zu
machen, verschwänden dann aber auch sehr schnell wieder. Ein Anwohner hat
gegenüber Kryshen mal von „westdeutschen Kümmerer-Projekten“ gesprochen.
Sie versuche, sich immer kritisch zu hinterfragen und die auftretenden
Konflikte eher als Chance zu sehen, dazuzulernen.
## Unter Randbedingungen
Für sie sei es elementar, dass man den Ortsteil sehr gut kennt, in dem man
arbeitet. So kann Kryshen einem auch viel über andere Kulturakteure wie das
Kino und Café Kiste und die Station Urbaner Kulturen (von der nGbK) oder
die Ausstellung „Hellersdorfer Gesichter“ erzählen. Oft geht es in diesen
Projekten darum, dass Hellersdorf in der Stadtgesellschaft überhaupt
angemessen repräsentiert ist, unter Randbedingungen.
Um nachhaltig etwas aufzubauen, brauche es Zeit, meint Kryshen: „Wir haben
erst 2018 begonnen, Projekte an Orten wie diesen zu machen. Die Beziehungen
zu den Menschen und den Institutionen wachsen aber erst nach und nach.“
Dieser Tage etwa habe sie wieder einige Mails von klassischen
Musiker:innen aus Hellersdorf bekommen, die erst jetzt vom Festival
erfahren haben – die könne sie ja erst frühestens kommendes Jahr
berücksichtigen.
Andere Akteure vor Ort aber werden natürlich auch jetzt schon einbezogen:
Am Festival beteiligt sind neben den Betreiber:innen der Hellen Oase
auch die nahe gelegene Peter-Weiss-Bibliothek, ein Mehrgenerationenhaus und
das linke Projekt Kupedo.
Bands oder Musiker:innen aus Hellersdorf sind diesmal allerdings nicht
vertreten, man könne das auch nicht erzwingen, erklärt Kryshen: „Es muss
zusammenpassen, als Gesamtprogramm stimmig sein. Wir haben jetzt ein
Musikprogramm kuratiert, von dem wir total überzeugt sind.“ Allerdings
erinnert sie sich gerne an den Hellersdorfer Akkordeonisten Harald Kästner,
der 2020 das Festival eröffnet hat und damals Klassiker wie „Mein kleiner
grüner Kaktus“ darbot.
## Weitere Kulturexpeditionen
Für den Herbst plant Kryshen bereits die nächsten Termine der
„Hellersdorfer Kulturexpeditionen“, die sie ebenfalls seit 2019
organisiert. Dabei können Anwohner:innen (und natürlich auch alle
anderen) den eigenen Bezirk (neu-)entdecken. Alltagsorte wie Geschäfte oder
Parks, Orte, an denen man sonst vorbeiläuft.
Projekte wie diese, die in vielen Bezirken gerade Konjunktur haben,
firmieren meist unter dem etwas leeren (oder viel zu offenen) Begriff
Urbane Praxis, unter dem man wohl sämtliches kulturelles Handeln im
städtischen Raum subsumieren kann.
Kryshen versteht unter Urbaner Praxis, dass „städtische Interventionen eben
nicht nur politisch, sondern auch künstlerisch“ erfolgen könnten. Ganz
sicher tragen diese Interventionen dazu bei, ein anderes Bild von
Hellersdorf zu erzeugen.
6 Aug 2021
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Berlin-Hellersdorf
Festival
Kultur in Berlin
Queer
Queer
Die Linke Berlin
Kunst Berlin
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