Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina greift durch: Leugnung v…
> Die Zivilgesellschaft wurde erhört. In Bosnien-Herzegowina drohen künftig
> mehrjährige Haftstrafen für die Leugnung von Kriegsverbrechen.
Bild: Eine Frau betet in der Gedenkstätte für die Opfer des Völkermordes von…
Sarajevo taz | Eine Welle der Erleichterung schwappte am Freitag, 23. Juli,
über Bosnien und Herzegowina. Denn der Ende Juli scheidende Hohe
Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, der [1][Österreicher
Valentin Inzko], entschied nach langem Zögern endlich, die Leugnung von
Kriegsverbrechen, Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie die
Verherrlichung von Kriegsverbrechern unter Strafe zu stellen.
„Die Leugner des Genozids gehen ins Gefängnis“ frohlockte daraufhin die
größte Zeitung des Landes, die in Sarajevo erscheinende Dnevni Avaz. Bei
den nationalistischen Parteien der serbischen Teilrepublik sorgte die
Ankündigung Inzkos für Unmut und Entsetzen. Die serbischen Mitglieder des
Parlamentes der Teilrepublik weigerten sich offen, die Entscheidung Inzkos
anzuerkennen.
Dabei war es vor allem das Verhalten der serbischen Nationalisten im
Parlament der Teilrepublik, das Inzko keine Wahl ließ. Jahrelang hatte
dieser während seiner mehr als 10-jährigen Amtszeit versucht, eine
Gesetzesänderung in den Parlamenten des Staates durchzusetzen. Alle seine
Bemühungen wurden von den serbischen Nationalisten und auch von
Nationalisten anderer Volksgruppen blockiert.
„Während dieser Zeit wurde die Lage noch schlimmer und [2][gerät jetzt
völlig aus dem Ruder]“ schreibt Inzko in seiner Stellungnahme. Es ginge
nicht an, dass die jahrzehntelangen Untersuchungen und Erkenntnisse durch
das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag entwertet werden. Die Propagierung
von konspirativen Theorien bis hin zur Aussage, die [3][Verbrechen in
Srebrenica] und anderen Orten habe es gar nicht gegeben, werde zunehmend
von einfachen Bürgern geglaubt, heißt es in seiner Erklärung.
Dies könne nur zu Hass und einer neuen Gewalt führen, denn die
Geschichtslügen manipulierten die Menschen. Damit würde die Perspektive
einer nachhaltigen Versöhnung und die Zukunft des Landes verbaut. Hassreden
und die Glorifizierung von Kriegsverbrechern seien Gift in der Gesellschaft
und verhinderten eine friedliche Entwicklung. Deshalb habe er sich
entschlossen, die sogenannten Bonn-Powers anzuwenden, sagte Inzko gegenüber
der taz.
## Der Neue wird mit Spannung erwartet
Seit dem Friedensvertrag von Dayton 1995 sollten die Hohen Repräsentanten
die Umsetzung dieses Vertrages überwachen und auch anleiten. Die
Bonn-Powers ermöglichen es dem Hohen Repräsentanten, Entscheidungen
durchzusetzen, wenn andere Entscheidungsprozesse versagen. Jahrzehntelang
verzichtete man auf dieses Instrument. Doch jetzt, kurz vor dem Antritt des
neuen Hohen Repräsentanten, des [4][Deutschen Christian Schmidt], hat Inzko
dieses Mittel wieder angewandt. Schon seit Monaten ist klar, dass der neue
Hohe Repräsentant entschiedener und mit großem Nachdruck gegenüber den
Nationalisten agieren soll.
Welchen Druck der Neue auf die korrupten Führungen der Nationalparteien
ausüben kann, ist allerdings noch unklar. Es zeichnet sich ab, dass Berlin
und Washington in Bosnien und auf dem Balkan insgesamt an einem Strang
ziehen wollen. Dem stehen die Russen und auch die Chinesen entgegen, die
vor wenigen Tagen versuchten, die Bestellung eines neuen Hohen
Repräsentanten im Weltsicherheitsrat zu verhindern. „Doch das scheiterte am
einhelligen Votum der anderen Mitglieder, 13 zu 2“, sagte Inzko gegenüber
der taz.
Russland versucht seit Jahren, seine Position auf dem Balkan mit der
Unterstützung nationalistischer Parteien und Politiker auszubauen, um der
Ausdehnung von Nato und EU einen Riegel vorzuschieben. Mit Ungarn,
Slowenien und Bulgarien hat Wladimir Putin sogar Helfer innerhalb der
westlichen Allianz gefunden. Folgerichtig unterstützen Viktor Orbán und
Janez Janša die serbischen Nationalisten in Bosnien.
Was wird passieren, wenn die Serben sich weigern, dem Diktum des Hohen
Repräsentanten entgegenzukommen und die Bilder von Kriegsverbrechern aus
dem Parlament der serbischen Teilrepublik zu entfernen? Er müsste unter
anderem die Staatsanwaltschaft in Banja Luka aktivieren, erklärte Inzko
gegenüber der taz. Doch die Justiz ist nicht unabhängig. Kurzfristig werde
der Konflikt nicht zu lösen sein, doch ein rechtlicher Rahmen, den niemand
ignorieren könne, sei erst einmal gesetzt, sagt Inzko.
24 Jul 2021
## LINKS
[1] /26-Jahre-nach-dem-Genozid-von-Srebrenica/!5784863
[2] /Kroatischer-Kriegsverbrecher/!5786177
[3] /Jahrestag-des-Massakers-von-Srebenica/!5179133
[4] /Bosnien-und-Herzegowina/!5775625
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Bosnien
Genozid
Serbien
Kriegsverbrechen
Srebrenica
Schwerpunkt Angela Merkel
Kolumne Nachsitzen
Srebrenica
Serbien
Srebrenica
## ARTIKEL ZUM THEMA
Letzter Balkan-Besuch der Kanzlerin: Wehmütiger Abschied ins Ungewisse
Die Perspektive des Westbalkans und die Ambitionen auf die EU drohen nach
der Ära Merkel aus dem Blick zu geraten.
Heimatstadt, die keine ist: Nur eine Touristin in Sarajevo
Unsere Autorin sucht nach Ausreden, nicht in die alte Heimat fahren zu
müssen. Es kostet sie schon genug Energie, ihren Platz in Österreich zu
finden.
Regisseurin zu Film über Srebrenica: „Täter werden ins Gefängnis gehen“
Die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić drehte mit „Quo Vadis, Aida?“
einen Film über das Massaker von Srebrenica. Den Anstoß gaben
Zeitzeuginnen.
Debatte Kriegsgedenken in Serbien: Kein gemeinsames Weinen
Serbien gedenkt seiner Opfer des Krieges – von denen auf kosovarischer
Seite will man nichts wissen. Echter Frieden sieht anders aus.
20 Jahre Völkermord in Srebrenica: Der Deal mit dem Hass
Über 8.000 Menschen wurden 1995 in Srebrenica von serbischen Militärs
ermordet. Unser Autor war nah dran. Glauben wollte man ihm erst nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.