# taz.de -- Menschen ohne Papiere in Brüssel: Hungerstreik ausgesetzt | |
> Belgiens Regierung hat den 475 Streikenden eine individuelle Prüfung | |
> versprochen. Doch ob sie ein Bleiberecht bekommen, ist offen. | |
Bild: Protest vor dem Ort des Hungerstreiks in Brüssel | |
BRÜSSEL taz | Die Wende kam am belgischen Nationalfeiertag: In Brüssel | |
haben 475 Migranten [1][ihren Ende Mai begonnenen Hungerstreik ausgesetzt], | |
mit dem sie ein Bleiberecht durchsetzen wollen. Zuvor war die belgische | |
Föderalregierung auf die Papierlosen, die „Sans-Papiers“, zugegangen. Der | |
für die Migrationspolitik zuständige Staatssekretär Sammy Mahdi habe eine | |
individuelle Prüfung versprochen, sagten Unterstützer. | |
„Die Beendigung des Hungerstreiks ist die einzig richtige Entscheidung“, | |
erklärte Ministerpräsident Alexander De Croo. Er betonte jedoch zugleich, | |
dass sich die Regierung nicht erpressen lasse. Eine pauschale | |
„Regularisierung“ werde es nicht geben, betonte der liberale | |
Regierungschef. Allerdings war De Croo zuletzt selbst unter Handlungsdruck | |
geraten – der Zustand war unhaltbar geworden. | |
Die Lage hatte sich dramatisch zugespitzt, nachdem die Mehrzahl der | |
Migranten auch noch in einen „Durststreik“ getreten war. Einige | |
„Sans-Papiers“ waren nach dem zweimonatigen Hungerstreik in akuter | |
Lebensgefahr. Falls es zu Todesopfern kommen sollte, würden die | |
sozialistischen Minister sofort die Regierung verlassen, warnte der | |
stellvertretende Ministerpräsident, Pierre-Yves Dermagne. Auch die Grünen | |
drohten mit Rückzug. | |
Für die ohnehin fragile Sieben-Parteien-Koalition hätte dies das „Aus“ | |
bedeutet. Die Föderalregierung ist nach der [2][Hochwasser-Katastrophe, | |
die auch Belgien hart getroffen hat], ohnehin in Bedrängnis. Nun bemüht sie | |
sich darum, die Krise um die „Sans-Papiers“ möglichst schnell und | |
geräuschlos zu lösen – mit einer Mischung aus Härte und einer Politik der | |
ausgestreckten Hand. | |
## Skepsis bei den Unterstützern | |
Bei den Unterstützern der Migranten, die zum Großteil aus Marokko und | |
Algerien stammen, stößt dies jedoch auf Skepsis. „Wir nehmen die | |
ausgestreckte Hand zur Kenntnis“, erklärte ein Sprecher des | |
Unterstützerkomitees USPR. Mit seinem Gesprächsangebot habe Staatssekretär | |
Mahdi die Basis für eine Aussetzung des Hungerstreiks gelegt. Nach der | |
Beguinen-Kirche in Brüssel meldeten auch die Universitäten ULB und VUB | |
einen Stopp der Aktionen. | |
Allerdings war zunächst unklar, wie weit das Dialogangebot der Regierung | |
trägt. Nach Angaben der Unterstützer sieht es vor, dass die Migranten, die | |
teilweise schon mehr als zehn Jahre illegal in Belgien leben, die | |
Möglichkeit erhalten, ihren Aufenthalt und ihre Bedürftigkeit belegen und | |
entsprechende Aufenthaltstitel zu erhalten. Auch die Option eines | |
humanitären Schutzes liege auf dem Tisch. | |
Einen fertigen „Deal“ gebe es jedoch nicht, warnen die Unterstützer. Zudem | |
sind einige Migranten in einem so schlechten Zustand, dass sie ins | |
Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Der Konflikt schwelt deshalb | |
weiter – auch wenn der belgische Nationalfeiertag einen Wendepunkt | |
markiert. | |
22 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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