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# taz.de -- Dienste beobachten Journalist*innen: Kein Einzelfall
> Tim Mönch ist professioneller Fotojournalist. Sächsische Staatsschützer
> sammeln trotzdem Daten über ihn – weil sie ihn als Linksextremisten
> sehen.
Bild: Fotoreporter auf einer Demo – Auch Tim Mönch war klar als Fotojournali…
Am 14. Dezember 2019 tut Tim Mönch das, was Fotojournalisten tun. Mönch,
[1][dessen Fotos bereits in der taz], im Spiegel und beim ARD-Magazin
„Monitor“ gezeigt wurden, fotografiert einen rechten „Zeitzeugenvortrag�…
sächsischen Leubsdorf. Das Foto des anwesenden Chemnitzer Stadtrats Robert
Andres (ProChemnitz) veröffentlicht er auf seinem Twitter-Profil. Andres
ist als Stadtrat eine Person des öffentlichen Lebens. Eine Veröffentlichung
also rechtlich zulässig.
Geregelt wird dies in Paragraf 23 des Kunsturhebergesetzes. Demnach dürfen
Personen der Zeitgeschichte, so auch Politiker, fotografiert und diese
Bilder veröffentlicht werden. „Ich bin mit der Veröffentlichung also völlig
im Rechtsrahmen dessen geblieben, was ich als Journalist darf. Auch habe
ich keine Fotos anderer Teilnehmer veröffentlicht“, sagt Mönch der taz.
Auch vor Ort sei alles regulär abgelaufen, sagt Mönch. „Ich war als
Journalist zu allen Zeiten erkennbar. Die Beamten haben meinen
Presseausweis kontrolliert.“ Trotzdem speichert der sächsische
Verfassungsschutz diese journalistische Tätigkeit in seinen Akten, welche
der taz vorliegen. Dort steht auch, dass Mönch einige Jahre zuvor linke
Demos besucht habe.
Das Speichern der Daten von Berufsgeheimnisträgern ist rechtlich nicht
zulässig, zudem genießen Journalist*innen auch durch die
verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit besonderen Schutz.
## Als Extremist unterwegs
Dass Mönch jedoch in Leubsdorf als Journalist tätig war, will die Behörde
nicht anerkennen. Grund für die Speicherung soll vielmehr sein, dass Mönch
in den Jahren 2015 und 2016 an einer Demonstration teilgenommen habe, die
„jeweils einen linksextremistischen Charakter aufwiesen“, wie es in der
Antwort des sächsischen Verfassungsschutzes an Mönchs Anwältin heißt.
Mithin verstoße die Datenspeicherung auch nicht gegen geltendes Recht, da
Mönch auch beim Fotografieren der Teilnehmer*innen des
„Zeitzeugenvortrages“ als Linksextremist gehandelt habe.
Mönch erfährt davon erst, als er beim sächsischen Datenschutzbeauftragten
ein Auskunftsgesuch darüber stellt, was die Behörde über ihn gespeichert
hat.
Mönch beantragt schließlich mit Hilfe seiner Anwältin, dass diese Daten
gelöscht werden. Der Verfassungsschutz gibt dem statt. Dass Mönchs Daten
rechtswidrig gespeichert wurden, will der Verfassungsschutz dagegen nicht
anerkennen: „Die Art von Recherchetätigkeit über den politische Gegner
stellt eine typische Handlungsweise von Linksextremisten“, heißt es in
einem Schreiben des sächsischen Verfassungsschutzes an Mönchs Anwältin.
Eine Datenspeicherung sei damit rechtmäßig.
Der Verfassungsschutz teilt Mönchs Anwältin Kristin Pietrzyk lediglich mit,
dass die Daten nicht mehr benötigt würden. Mönch widerspricht diesem
Vorgehen, auch wegen fragwürdiger Quellen. Denn dass Mönch überhaupt beim
Fotografieren als Linksextremist gehandelt habe, begründet der
Verfassungsschutz mit der Nennung Mönchs in einem Artikel auf der
rechtsextremen Webseite „Einprozent“.
## Von Rechten diktiert
„Zugespitzt bedeutet dies, dass das Landesamt bei der Prüfung, ob
Datenspeicherungen erfolgen dürfen, keine eigene Prüfung vorgenommen,
sondern sie sich von Rechtsextremisten hat diktieren lassen“, heißt es im
Widerspruchsschreiben von Anwältin Pietrzyk.
Der Verfassungsschutz weist dies in einem weiteren Schreiben zurück, Mönch
sei bereits vor jenen Ereignissen erfasst worden. Auf Nachfrage der taz zu
diesem Fall entgegnet eine Sprecherin der Behörde, dass sie aus
datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben zu Einzelpersonen machen
werde.
Dabei ist der Fall Mönch kein Einzelfall. „Immer wieder geraten
Journalist*innen auf fragwürdiger rechtlicher Grundlagen ins Visier des
Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden“, so Monique Hofmann,
Vertreterin der Deutschen Journalisten Union (DJU), gegenüber taz.
[2][Zuletzt geriet die Fotojournalistin Marily Stroux ins Visier des
Verfassungsschutzes.] Auch ihre Daten musste der Hamburger
Verfassungsschutz schließlich löschen. 2013 klagte ein Göttinger Journalist
erfolgreich gegen die rechtswidrige Speicherung von Informationen. Der
sächsische Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann von den Grünen sieht im
Fall Mönch einen deutlichen Rechtsbruch: „Ein solches Vorgehen ist ein
erheblicher Eingriff in die Pressefreiheit.“
## Banale Zitate
Der sächsische Verfassungsschutz geriet schon im Juni dieses Jahres in die
Kritik, weil er rechtswidrig Daten sächsischer Landtagsabgeordneter
gespeichert hat. Betroffen waren etwa der sächsische SPD-Vorsitzende Martin
Dulig oder der linke Landtagsabgeordnete Marco Böhme. Gespeichert wurden
banale Zitate über das Benennen rechtsextremistischer Zustände in Sachsen.
Lippmann, der ebenfalls betroffen ist, sagt: „Das Landesamt für
Verfassungsschutz arbeitet seit Jahren mit einem Datenbanksystem, welches
weder eine Relevanzprüfung der gespeicherten Daten, noch automatisierte
Löschfristen vorsah. Aus rechtsstaatlicher Sicht hätte eine solche
Datenbank nie ans Netz gehen dürfen.“ Die Speicherpraxis des sächsischen
Verfassungsschutzes müsse auf rechtsstaatliche Füße gestellt werden. Es sei
nicht hinnehmbar, dass ein Inlandsgeheimdienst fernab von Recht und Gesetz
offenbar alles Mögliche speichere und dabei weder vor Abgeordneten noch vor
Journalistinnen und Journalisten Halt mache, so Lippmann.
Der Verfassungsschutzämter soll allerdings künftig noch viel
weitreichendere Kompetenzen erhalten. Nach der im Juni vom Bundestag
beschlossenen Verfassungsschutzrechts-Novelle sollen demnach auch
Journalist*innen überwacht werden dürfen.
So erlaubt das neue Verfassungsschutz-Recht [3][sogenannte Quellen-TKÜ
plus.] Diese Telekommunikationsüberwachung ermöglicht den Zugriff auf
laufende Kommunikation mittels Schadsoftware. Journalistenverbände sehen
hier vor allem den Quellenschutz gefährdet. „Was wir eigentlich gebraucht
hätten, um den Fehlentwicklungen beim Verfassungsschutz entgegenzuwirken,
wäre die Schaffung wirksamer Kontroll- und Transparenzmechanismen für die
Arbeit des Verfassungsschutzes gewesen“, so Monique Hofmann von der DJU.
## Wie bei G20
Ein Kontrollorgan für den Verfassungsschutz existiere nicht, für
Speicherung und Überwachungsvorgange sei kein richterlicher Beschluss
notwendig. Die betroffenen Journalist*innen würden so stigmatisiert und
kriminalisiert, sagt Hofmann. Im schlimmsten Fall würden sie daran
gehindert, ihrer Arbeit nachzugehen.
Die Folgen wurden beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 sichtbar. 32
Medienschaffenden war vor dem Gipfel die Akkreditierung entzogen worden.
Dass diese Maßnahme rechtswidrig war, hat das Berliner Verwaltungsgericht
erst zwei Jahre später festgestellt. Wehren können sich betroffene
Journalist*innen oft nur auf dem langwierigen Klageweg.
Auch der Fotojournalist Tim Mönch sagt zu seinem Fall: „Wahrscheinlich wird
das noch Jahre dauern“.
30 Jul 2021
## LINKS
[1] /MDR-Diskussion-in-Chemnitz/!5615524
[2] /Verfassungsschutz-muss-Daten-loeschen/!5705423
[3] /Groko-beschliesst-Ueberwachungsgesetze/!5773411
## AUTOREN
Jessica Ramczik
## TAGS
Geheimdienst
Schwerpunkt Pressefreiheit
Sachsen
Verfassungsschutz
rechte Verlage
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
AfD Sachsen
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