# taz.de -- Testosteron-Trouble bei Olympia: Eine Runde ist zu viel | |
> Die 400-Meter-Läuferin Christine Mboma aus Namibia ist „unter Verdacht“ | |
> geraten. Außerdem wird ihre Geschlechtsidentität attackiert. | |
Bild: Im Fokus: Christine Mboma, Silbermedaillengewinnerin über 200 Meter | |
Elf Sportler hat das Nationale Olympische Komitee Namibias nach Tokio | |
geschickt. Während Maike Diekmann im Einer-Ruderboot 18. geworden ist oder | |
Alex Miller auf seinem Mountainbike Platz 31 belegte, hat Christine Mboma | |
eine Silbermedaille über 200 Meter gewonnen, als erste namibische Frau. | |
Vier weitere olympische Silbermedaillen hatte Frankie Fredericks | |
ersprintet. | |
[1][Christine Mboma ist erst 18 Jahre alt], und vor Kurzem war sie nur ein | |
paar Leichtathletikexperten bekannt. Dann rannte sie Ende Juni im | |
polnischen Bydgoszcz eine Stadionrunde dermaßen schnell, dass sie mit einem | |
Schlag zur olympischen Topfavoritin über 400 Meter heranreifte, zumal die | |
Weltmeisterin Salwa Eid Naser aus Bahrain eine Dopingsperre absitzt. Mit | |
der Zeit von 48,54 Sekunden stellte Mboma einen neuen Weltrekord für | |
Athletinnen unter 20 auf. Die Fachpresse fragte sich: Wer ist diese Frau? | |
Mboma trainiert wie ihre Landsfrau Beatrice Masilingi bei Henk Botha im | |
Quinton Steele Botes Club. Und weil vor einem Jahr auffiel, dass beiden | |
intersexuell sein könnten, ließ der namibische Verband eine Untersuchung | |
anstellen. [2][Namibias NOK erklärte], dabei sei herausgekommen, dass beide | |
Athletinnen zwei X-Chromosomen tragen, wie das bei Frauen üblich ist. | |
Doch der internationale Verband World Athletic schaute noch einmal genauer | |
nach, weil der Variantenreichtum in der Welt der Intersexualität groß ist | |
und neben dem Gedanken der Inklusion auch jener der Chancengleichheit | |
gehört werden muss. | |
## Abstecher zur 200-Meter-Strecke | |
Man stellte erhöhte Testosteronwerte bei Mboma und Masilingi fest. Das NOK | |
Namibias echauffierte sich über die Veröffentlichung dieser persönlichen | |
Daten und sah die körperliche Integrität der Läuferinnen verletzt. Doch es | |
kam noch dicker: Nach den Regularien von World Athletics dürfen | |
Sportlerinnen mit erhöhtem Testosteronwert nicht auf den Distanzen 400 | |
Meter bis eine Meile an den Start gehen. | |
Also wichen Mboma und Masilingi in Tokio auf die 200-Meter-Strecke aus. Ob | |
sie in der Kürze der Zeit tatsächlich mit einer medikamentösen | |
Hormonbehandlung ihre Werte auf [3][unter 5 Nanonmol pro Liter Blut] hätten | |
senken können, bleibt eh unklar. Masilingi jedenfalls äußerte im Vorfeld | |
der Spiele, sie lehne so eine Intervention aus ethischen Gründen ab. | |
Derweil kursieren in der Szene regelrechte Verschwörungstheorien. Man | |
unterstellt Coach Botha, gezielt nach „Mannweibern“ Ausschau zu halten, um | |
den Sport zu kompromittieren, dabei ist es recht einfach: Da sind zwei | |
Athletinnen, die schnell rennen. Sie hätten so oder so zum Leistungssport | |
gefunden. | |
Und sie sind es jetzt wohl, die ähnlich wie die intersexuelle | |
Südafrikanerin Caster Semenya, wie Margaret Wambui aus Kenia, Francine | |
Niyonsaba aus Burundi, Santhi Soundarajan oder Dutee Chand aus Indien den | |
organisierten Sport zu Anpassungen zwingen, denen nicht selten jahrelange | |
juristische Scharmützel unter Mitwirkung des internationalen Sportgerichts | |
CAS vorausgehen. | |
4 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=CY8c-F9gUs8 | |
[2] https://www.insidethegames.biz/articles/1109936/namibian-noc-criticises-wor… | |
[3] https://www.worldathletics.org/news/press-release/eligibility-regulations-f… | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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erbringen. |