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# taz.de -- Japans dezente Freundlichkeit: Mentalität des Hegens und Pflegens
> Omotenashi ist ein Prinzip des Umgangs, das alle Bereiche des japanischen
> Lebens durchdringt – und nicht immer offensichtlich ist.
Bild: Freundliches Desinfizieren: Omotenashi hilft auch bei der Hygiene
Als die Stadt Tokio während der letzten Vergaberunde in Buenos Aires 2013
um den Zuschlag für die aktuellen Spiele kämpfte, strich die damalige
Botschafterin des Bewerbungskomitees, die französisch-japanische
TV-Moderatorin Christel Takigawa, die landeseigene Tradition der
Gastfreundschaft heraus.
An ihre fröhliche Rede auf Französisch, in der sie den japanischen Ausdruck
„O-mo-te-na-shi“ zum besseren Verständnis der Nichtjapaner extra langsam
aussprach und jede einzelne Silbe mit einer Handbewegung begleitete,
erinnert sich das halbe Land bis heute. Die meisten Reiseführer übersetzen
[1][Omotenashi] als „Gastfreundschaft“.
Doch das kulturelle Konzept reicht tiefer, bis zu den Ursprüngen der
Teezeremonie im Mittelalter, und es bestimmt die prinzipielle Beziehung
zwischen Gast und Gastgeber sowie zwischen Kunde und Dienstleister in
Japan. Omotenashi meint einen qualitativ hochwertigen Service, der die
Erwartungen der Kunden nicht nur vorausahnt, sondern gar übertrifft.
## Unauffälliger Premiumservice
Neben der üblichen Freundlichkeit und Rücksichtnahme zeigt sich Omotenashi
in durchdachten Details, die den Beteiligten erst bei genauerem Hinschauen
auffallen: Zum Beispiel kommt das Stofftuch zum Händereinigen, das ein
Restaurant dem Gast nach dem Hinsetzen als Erstes reicht, im kalten Winter
angewärmt und im heißen Sommer gekühlt. Oder die Banken stellen neben jeden
Geldautomaten einen Ständer, falls der Kunde gerade einen nassen Schirm mit
sich trägt. Dieser unauffällige Premiumservice macht den Aufenthalt in
Japan sehr angenehm. Dort sagt man nicht „Der Kunde ist König“, sondern
[2][„Der Kunde ist Gott“] und lebt diesen Gedanken. Die Zuwendung wirkt
selten gespielt.
Daher haben der Verzicht auf ausländische Zuschauer und die Beschränkung
des Olympia-trosses auf Unterkünfte und Wettkampfstätten ohne Kontakt zu
Land und Leuten die japanischen Veranstalter hart getroffen. Denn ihr
damaliges Versprechen, die Gäste während ihres Aufenthaltes perfekt zu
umsorgen, können sie nur eingeschränkt umsetzen.
Doch an einigen Stellen schimmern ihre Serviceanstrengungen durch: Die aus
festem Karton gebauten Betten im Olympia-Dorf lassen sich zum Beispiel
durch ein Extramodul für besonders hochgewachsene Sportlerinnen und
Sportler ruckzuck verlängern. Und die sogenannten Washlet-Toiletten in den
Athletenunterkünften, die in japanischen Wohnungen schon lange Standard
sind, besitzen eine Bidet- und Waschfunktion einschließlich Trockenföhn.
Auch die zahlreichen superfreundlichen Einweiser, die für den Geschmack von
Ausländern manchmal unnötig zahlreich in der Gegend herumstehen, spiegeln
diese Mentalität des Hegens und Pflegens wider. Übrigens: Die Gäste sollen
Omotenashi als reine Selbstverständlichkeit erleben und genießen. Daher
sind hierzulande weder ein Dankeschön noch ein Trinkgeld üblich.
29 Jul 2021
## LINKS
[1] https://adm-institut.de/omotenashi-gastfreundschaft-auf-japanisch/
[2] https://www.wuv.de/specials/customer_experience/der_japanische_kunde_ist_go…
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Drinnen und Draußen
Tokio
Restaurant
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