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# taz.de -- Raus aus der Olympia-Blase: Party in Kabukicho
> Der taz-Olympiareporter verlässt zum ersten Mal die Bubble und bummelt im
> Rotlichtviertel. Er staunt über das lockere Leben auf der Amüsiermeile.
Bild: Partyzone in Tokio-Kabukicho: Das Notstands-Gebot wird frei ausgelegt
Um mein mit aller Kunst der Regeln eingeschränktes Leben im Auge behalten
zu können, haben mich die Veranstalter ausgerechnet in einem 25-stöckigen
Hotel in dem stadtbekannten Vergnügungsviertel Kabukicho untergebracht.
Wenn es hier schon vor 19 Uhr dunkel wird, blinkt es in den Straßen in
allen Farben. Die Häuserfassaden sind mit reichlich Neonreklame versehen.
Das Rotlichtgewerbe ist hier unter anderem angesiedelt.
Wer auf der Suche nach einer Spielhölle ist, muss auch nicht lange suchen.
Wenn eine der automatischen Schiebetüren gerade einen Einblick in das
Innere erlaubt, sieht man unzählige dieser Spielautomaten in langen Gassen
nebeneinander aufgereiht. Und es gibt diese riesigen, für das europäische
Auge skurril anmutenden Läden, in denen man versuchen kann, mit Greifarmen
Plüschtiere von zumindest strittiger Schönheit zu ergattern.
Meine Blase hat sich geweitet. Nach 14 Tagen in der Stadt darf ich nun
[1][ohne Sicherheitsmann einkaufen] und meine eigenen Wege etwa mit
öffentlichen Verkehrsmitteln wählen. Das hat den Vorteil, dass Fahrten zu
olympischen Arenen eine dreiviertel Stunde statt zweieinhalb Stunden
dauern, weil ich im strengen Blasenkonzept immer erst einmal [2][den
zentralen Medienbusbahnhof als Umsteigestation ansteuern] musste.
Voraussetzung für diese Freiheiten ist, dass meine Wege immer mit meiner
olympischen Berichterstattung zu tun haben müssen, und das ist ja hier
nachweislich der Fall.
## Hier brummt das Leben
Gerade ist für Tokio der Notstand erneut verlängert worden. Bars und
Restaurants dürfen keinen Alkohol ausschenken und müssen um 20 Uhr
schließen. Irgendwie scheint sich der japanische Begriff für Notstand nicht
so eins zu eins ins Deutsche übertragen zu lassen. Oder man kennt dieses
Wort in [3][Kabukicho] überhaupt nicht. Besser gesagt: Man will es gar
nicht kennenlernen. Denn hier brummt das Leben.
Ein vor allem junges Publikum zieht hier um die Häuser, auf den Straßen
versuchen engagierte Hilfskräfte Kundschaft für einen Klubbesuch
anzuwerben. Und schaut man in die Fenster der unzähligen Bars hinein,
erblickt man nur selten mal einen freien Platz. Auf den kleinen Tischen
stehen überall Biergläser und andere alkoholische Getränke. Diejenigen,
denen das zu teuer ist, versorgen sich in den Supermärkten und quatschen
auf den Straßen. Das Leben pulsiert hier besonders intensiv.
In einem dieser Restaurants ist auch ein TV-Bildschirm installiert, auf dem
die Leichtathletikwettbewerbe des Abends auf der Langstrecke zu sehen sind.
Aber niemand schaut hin, wie sich die Läuferinnen und Läufer aus aller Welt
gerade ihre Seele aus dem Leib rennen. Nur etwa drei Kilometer, eine halbe
Stunde Fußweg, ist das Olympiastadion von hier entfernt. Es sind jedoch
zwei Sphären, die an diesem Abend kaum weiter voneinander entfernt liegen
könnten. Die olympischen Spiele sind hier nur Kulisse für das ganz normale
Leben im Notstand.
3 Aug 2021
## LINKS
[1] /Die-Coronabibel-bei-Olympia/!5787574
[2] /Beflissene-Olympiahelfer/!5787565
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kabukich%C5%8D
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
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Kolumne Drinnen und Draußen
Tokio
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