# taz.de -- Technologischer Stillstand bei Olympia: Robo und Popo | |
> Es fahren zwar ein paar Roboter bei Olympia in Tokio herum. Doch mit den | |
> angeblich „innovativsten Spielen aller Zeiten“ hat das nur wenig zu tun. | |
Bild: Eine Maschine unterm Korb: Der Basketball-Roboter CUE trifft immer in die… | |
Mit der Austragung der Olympischen Spiele will Japans Regierung ihr Land | |
auch als starke Wirtschaftsmacht präsentieren. Der Einsatz von modernsten | |
Technologien soll das Zerrbild einer alternden Nation im Niedergang | |
korrigieren, das sich seit der Krise der 1990er Jahre im Westen festgesetzt | |
hat. | |
Daher riefen die Veranstalter die „innovativsten Spiele aller Zeiten“ aus. | |
Das Vorbild für diese Strategie lieferte Olympia 1964 in Tokio. Damals | |
staunte die Welt über die ersten Sportwettbewerbe, die per Fernsehsatellit | |
live übertragen wurden, und den 210 Stundenkilometer rasenden | |
Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen. | |
Doch 57 Jahre später hat Japan keine verblüffende Weltneuheit zu bieten. | |
Die 30 Zentimeter hohen [1][Roboter-Versionen des Olympia-Maskottchens | |
Miraitowa und seines Zwillings Someity], die einen Menschen anschauen und | |
begrüßen können, sind zwar ganz niedlich, aber solche maschinellen | |
Grußonkel tun schon länger in Banken, Geschäften und Hotels ihren Dienst. | |
Der gruselige Basketball-Roboter, der in einer Spielpause seine Künste | |
vorführte, trifft 2.000 Mal hintereinander in den Korb. Aber diese Maschine | |
hat schon einige Jahre auf dem Buckel, genau wie die autonom fahrenden | |
Kleinbusse im Athletendorf. | |
## Roboter holt Speere | |
Der „Feldunterstützungsroboter“, der die geworfenen Speere und Hämmer vom | |
Rasen der Leichtathletik einsammelt und selbstständig den kürzesten Weg | |
zurück findet, lässt meinen Atem auch nicht gerade stocken. Ebenso wenig | |
der mannshohe Flachbildschirm für Videokonferenz-Schaltungen zu Sportlern, | |
der auf dem Bauch eines humanoiden Roboterriesen befestigt wurde. Noch | |
peinlicher finde ich, dass alle diese Maschinen von Toyota stammen. Gibt es | |
wirklich keine anderen Unternehmen in Japan mehr, die innovative Techniken | |
vorzuweisen haben? | |
Wirklich toll fand ich das Drohnenspektakel bei der Eröffnungszeremonie. | |
1.800 kleine Flieger mit je vier farbigen LED-Lämpchen ließen das | |
Spiele-Logo und eine Weltkugel am Nachthimmel leuchten. Doch die Steuer- | |
und Kontrolltechnik stammt von Intel und Alibaba, nicht aus Japan. Das gilt | |
übrigens auch für die Verarbeitung von biometrischen Daten der Athleten in | |
einigen Sportarten, die den Fernsehzuschauern in Echtzeit serviert wurden. | |
An welche japanische Technikleistung werden sich die Angehörigen des | |
Olympia-Trosses nach ihrer Abreise also wohl am ehesten erinnern? Wenn ich | |
mir die Berichte der ausländischen Presse so anschaue, sind es wohl die | |
[2][„Washlet“-Toiletten] in den Athletenwohnungen und Hotelzimmern. | |
Die vollelektrischen Aborte, ein Standard in japanischen Wohnungen, spülen | |
nach dem Geschäft automatisch und säubern auf Knopfdruck den Popo mit einem | |
Wasserstrahl. Stärke und Temperatur der Podusche lassen sich einstellen. | |
Vielleicht reichen diese Washlet-Erlebnisse ja aus, damit Japan als | |
High-Nation international neu erstrahlt. | |
2 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ispo.com/events/maschinen-statt-zuschauer-bei-tokio-2021 | |
[2] https://eu.toto.com/de/my-washlet?gclid=EAIaIQobChMI46mQ7JyS8gIVhuN3Ch0FhQU… | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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