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# taz.de -- Olympiastimmung in Japan: Umkehr der Bedrohungslage
> Japan erlebt einen frühen Goldrausch. Lange war der Olympiatross
> unpopulär und galt als Virenschleuder. Doch die Blase bleibt weitgehend
> coronafrei.
Bild: Raus: Naomi Ōsaka ist eine der wenigen Enttäuschungen in Japans Olympia…
Tokio taz | Eine Medaillenflut für japanische Sportler mildert
möglicherweise die bislang überwiegend kritische Haltung der Bevölkerung zu
den Olympischen Spielen ab. Neun goldene, drei silberne und fünf bronzene
Medaillen sicherten den Gastgebern bis zum Dienstag den dritten Platz in
der Nationenwertung. Die Medien jubelten über goldenes Edelmetall in Judo-
und Skateboardwettbewerben.
Ein gemischtes Doppel gewann Japans erstes Tischtennis-Gold überhaupt.
Allerdings dämpfte am Dienstag das frühe Ausscheiden von [1][Superstar
Naomi Ōsaka] im Tennis-Einzel die gute Laune. Den Spielen ist durch die
glatte und umso überraschendere Niederlage der Weltranglistenzweiten gegen
die Tschechin Marketa Wondrousowa das omnipräsente Gesicht abhanden
gekommen.
Die pausenlose Berichterstattung der großen TV-Sender, deren Betreiber oft
selbst Olympiasponsoren sind, macht Stimmung für „Go Rin“ (Fünf Ringe), w…
die Spiele auf Japanisch heißen. Die Eröffnungsfeier verfolgten 70
Millionen Japaner am Bildschirm. Auch viele Zuschauer an frei zugänglichen
Lauf- und Rennstrecken sprechen dafür, dass sich die Menschen emotional
stärker an den Spielen beteiligen. Das Konzept von „Olympia in der Blase“
ohne Kontakte zwischen Sportlern und Bevölkerung erzeugte bisher große
Distanz.
Eine Woche vor der Eröffnungsfeier hatten in einer Umfrage der Zeitung
Asahi 55 Prozent der Befragten die Austragung abgelehnt. Nur 33 Prozent
befürworteten sie. 74 Prozent der Bewohner von Tokio meinten, die Spiele
seien „nicht sicher“. Seitdem liegen keine neuen Umfragedaten vor.
Aber die Veranstalter hofften von Anfang an darauf, dass nationaler
Siegesjubel die Kritik an der Austragung der Spiele mitten in einer
Pandemie übertönen wird. Die Japaner sollen Medaillen statt
Corona-Infektionen zählen. Der Judoka Naohisa Takato, der am Samstag das
erste Gold für Japan holte, bestätigte diese Linie: „Ich bin sehr dankbar,
dass die Spiele in Tokio stattfinden konnten“, erklärte der erste
japanische Gold-Held dieser Spiele.
## Hohe sportliche Erwartungen
Allerdings kommen die sportlichen Erfolge nicht überraschend. Laut einer
Prognose der Wirtschaftszeitung Nikkei wird Japan die Rekordzahl von 56
Medaillen gewinnen, 15 mehr als bei den vorigen Spielen in Rio de Janeiro.
Im Medaillenspiegel würde Japan damit an vierter Stelle stehen. Das
japanische Olympia-Komitee erwartet 30 Goldmedaillen. Traditionell
beflügelt die Austragung im eigenen Land die Sportler des Gastgeberlandes
zu Höchstleistungen. Zugleich rückten Disziplinen wie Baseball, Karate und
[2][Skateboard], in denen Japanerinnen und Japaner stark sind, ins
olympische Programm.
Doch wie sehr ein Medaillenregen die Volksstimmung zugunsten von Olympia
dreht, dürfte entscheidend von der Entwicklung der Pandemie abhängen. In
der „Blase“ rings um die Spiele scheint die strikte Virusabwehr bisher zu
funktionieren. Trotz Tausender täglicher Tests registrierte man bis
Dienstag nur 155 Infektionen. Jedoch ist die Bevölkerung dem offiziellen
Notstand und seinen Beschränkungen überdrüssig geworden. Viele Bars und
Restaurants ignorieren die Sperrstunde von 20 Uhr und das Ausschankverbot
für Alkohol.
Seit Ende Juni klettert der Siebentagedurchschnitt für Neuinfektionen
aufgrund der Ausbreitung der Deltavariante nach oben. Vor allem 40- bis
50-Jährige stecken sich an. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Vielmehr
droht laut Gesundheitsexperten in der zweiten Olympia-Woche ein Anstieg des
Durchschnittswertes für Tokio auf ein Rekordhoch. Im Vergleich zu
westlichen Ländern sind die Zahlen sehr niedrig – am Dienstag gab es einen
Sprung auf 2.848 Neuinfektionen.
Aber schon jetzt ist über die Hälfte aller Covid-Betten in den
Krankenhäusern der Hauptstadt belegt. Daher forderte der renommierte
Epidemiologe Hiroshi Nishiura von der Universität Kyoto am Wochenende, die
Olympischen Spiele „zu unterbrechen“ und ein Ausgehverbot für Tokio zu
verordnen. Die Ironie dieser Entwicklung: Anders als befürchtet, muss nicht
die Bevölkerung vor den Coronaviren im Olympia-Tross geschützt werden,
sondern die angereisten Athleten, Betreuer, Funktionäre und Medienleute
müssen sich vor den Japanern in Acht nehmen.
27 Jul 2021
## LINKS
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[2] /Skaten-bei-Olympia/!5787500
## AUTOREN
Martin Fritz
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