Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Japans Abschottungspolitik: Prinzip der Selbstisolierung
> Olympia sollte eine neue Offenheit nach Japan bringen. Doch die Pandemie
> verstärkte das Gefühl vieler Japaner, dass man unter sich bleiben will.
Bild: Japaner bleiben lieber unter sich: Pandemiealltag in Tokio
Die „Blase“ um die Sommerspiele habe verhindert, dass die eingereisten
Athleten und Offiziellen das Coronavirus in Japan verbreitet haben, zog der
oberste nationale Epidemieberater Shigeru Omi soeben eine positive Bilanz
der rigiden Schutzmaßnahmen.
Aber mit der [1][Austragung der Spiele mitten in der Pandemie] habe die
Regierung die Wachsamkeit der Japaner untergraben, kritisierte Omi und
verwies auf die rasant gestiegenen Infektionszahlen der vergangenen Tage.
Seine Analyse halte ich für zutreffend. Aber meine Sorge gilt den Lehren,
die Japan daraus ziehen wird.
Vor der Pandemie zeichnete sich ab, dass die Spiele einen
Modernisierungsschub für die japanische Gesellschaft bringen würden. Japan
wollte sich von seiner besten Gastgeberseite zeigen. Daher rückten die
Diskriminierung von Ausländern, die Benachteiligung von Frauen, die Rechte
von LGBT-Minderheiten und die Integration von Menschen mit Behinderungen
auf der politischen Tagesordnung weit nach oben.
Olympia wäre der [2][Höhepunkt einer beispiellosen Öffnung für ausländische
Einflüsse] gewesen: Binnen zehn Jahren wuchs die Zahl der ausländischen
Arbeitskräfte um die Hälfte und die Zahl der ausländischen Touristen um das
Vierfache. Japan hieß auch viele Auslandsinvestoren willkommen.
## Trend der Japanisierung
Das Coronavirus hat diesen Trend zur Internationalisierung abrupt beendet.
Bewohner und Politiker von Japan sind in die Mentalität von Sakoku
zurückgefallen. Sakoku bezeichnet die Abschließung Japans zwischen 1639 und
1853. Es gab keine Ausländer, ihre Einreise war verboten. Diesmal begann
die Selbstisolierung im März 2020, als Japan seine Grenzen schloss und nur
noch Japaner einreisen ließ.
Alle Ausländer mit japanischem Wohnsitz, die gerade außer Landes weilten,
durften ein halbes Jahr lang nicht zurückkehren. Der Doppelstandard gilt
bis heute: Seit Ende Juni erlaubt die EU allen Japanern die Einreise, aber
Japans Grenzen bleiben für EU-Ausländer dicht.
Die Austragung der Sommerspiele trotz Pandemie verstärkte das Gefühl vieler
Japaner, dass man lieber unter sich bleiben will. In dieser Haltung
wurzelte die Entscheidung, eine Blase um Olympia zu legen. Eigentlich
trifft der Ausdruck „Kapsel“ die Absicht der Japaner besser, die Ausländer
von sich fernzuhalten. Die Folgen für die olympische Idee waren tragisch:
Die Begegnung mit dem bunten Ausländertross wurde als Bedrohung statt
Bereicherung gesehen. Die Gesellschaft verschloss ihre Türen, statt sie
aufzumachen.
Nach meinem Eindruck könnte sich diese „Japanisierung“ nach Olympia
fortsetzen. Aus Angst vor der Delta- und bald der Lambdavariante hält die
Inselnation die Schotten womöglich weiter dicht. Die Wendung nach innen
würde es jedoch Frauen, LGBT und anderen Minderheiten erschweren, mehr
Einfluss und Rechte durchzusetzen – und das wäre ein wirklich trauriges
Erbe dieses schönen Sportfestes.
7 Aug 2021
## LINKS
[1] /Olympiastimmung-in-Japan/!5787536
[2] /Multikulti-beim-Olympia-Gastgeber/!5787529
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Drinnen und Draußen
Tokio
Schwerpunkt Coronavirus
Japan
Japan
Goldmedaille
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zukunft des Kaiserhauses in Tokio: Traumatisiert zum Standesamt
Nach vier Jahren Warten heiratet Prinzessin Mako endlich ihren
Studienschwarm. Laut Umfragen sind 90 Prozent der Japaner darüber wenig
entzückt.
Japans designierter Ministerpräsident: Kishida soll LDP und Japan führen
Die alte Parteigarde hievt Ex-Außenminister Fumio Kishida in den Sattel.
Dennoch steht der designierte Premierminister für Veränderungen.
Speerwerfer Neeraj Chopra: Knapp 1,5 Millionen Euro Preisgeld
13 Jahre nach dem letzten olympischen Gold sichert Neeraj Chopra Indien die
Medaille. Dafür wird der Sportler reich belohnt.
Olympiastimmung in Japan: Umkehr der Bedrohungslage
Japan erlebt einen frühen Goldrausch. Lange war der Olympiatross unpopulär
und galt als Virenschleuder. Doch die Blase bleibt weitgehend coronafrei.
Multikulti beim Olympia-Gastgeber: Halbe und ganze Japaner
Noch tun sich viele Menschen in Japan schwer damit, die Vielfalt ihrer
Gesellschaft zu akzeptieren. Olympia kann viel zur Öffnung beitragen.
Rugby und Diversität: So oval wie die Welt
Ins 7er-Rugbyturnier startet Japan als Geheimfavorit. Auch weil die
japanische Auswahl nichts mit dem Spuk von „ethnischer Reinheit“ zu tun
hat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.