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# taz.de -- Fotografie in den 1980ern: Lächeln können die anderen
> Ostwestfalen sind nicht unfreundlich. Sie verteilen nur ihre Energien
> anders. Martin Langer hat ihren Alltag in den 80er Jahren festgehalten.
Bild: Partnerlook mit Pelz, Mütze und Blicken auf der Kavalleriestraße in Bie…
Manche Dinge sind in Ostwestfalen weniger wichtig als anderswo. Warum einen
Fremden unnötig damit behelligen, dass man das Gesicht zu einem Lächeln
verzieht? Reicht es nicht, dass er hier sein und seine Faxen machen darf?
Man darf die gewisse Kühle im Blick der beiden Damen im Pelz zum Beispiel
nicht falsch einschätzen.
Die Menschen in Ostwestfalen sind nicht unfreundlich, wirklich nicht. Sie
verteilen nur ihre Energien anders, zweckmäßiger. Sie wissen Prioritäten zu
setzen – und wenn die Aufgabe klar ist, hält sie nichts mehr auf. Gegen das
Management eines ostwestfälischen Schützenfests kann das Rheinland mit
seinem Karneval einpacken.
Der Fotograf Martin Langer kommt aus Göttingen, hat sich aber von seinem
Studienort Bielefeld in den Achtzigerjahren zu seiner Fotoserie aus und
über Ostwestfalen inspirieren lassen. [1][Er schreibt dazu]: „Diese Region,
an der die Weltgeschichte doch eher vorbeiwabert, (bis auf Dr. Oetker und
das Hermannsdenkmal), die mir ein Zuhause während des Studiums gab, ist
typisch deutsch.“
In Ostwestfalen würde man sagen: Ja, was denn sonst? Und wenn Langer den
Titel seines Bildbands – „Land des Lächelns“ – ironisch gemeint haben
sollte, so stieße diese Ironie vor Ort selbst auf Unverständnis: Was will
der denn? Will der sich hier wichtigmachen?
## Immerhin keine Ablehnung
Land des Lächelns, so nennt man doch China. Und die sind damit groß
geworden, dass sie ostwestfälische Technologien kopiert haben, so ist das
nämlich. Leiterplattenklemmen und Relaiskoppler von Weidmüller in Detmold
sind bis heute unübertroffen! So viel zur Weltgeschichte!
Wobei – in den Achtzigerjahren, als Langer seine Fotos in und um Bielefeld
herum schoss, war vom Aufstieg Chinas noch nicht wirklich die Rede, ebenso
wenig von den Hidden Champions, den vielen familiengeführten
Exportunternehmen in Ostwestfalen-Lippe. Nixdorf in Paderborn war der
deutsche Computerbauer schlechthin.
So ein kalifornischer Hippie namens Steve Jobs soll damals bei Heinz
Nixdorf aufgetaucht sein: Man könne doch zusammen kleine Computer für den
Hausgebrauch bauen, kalifornisch-ostwestfälisch quasi?
Heinz Nixdorf hielt das für Quatsch. Die Zukunft des Computers lag
selbstverständlich in Büroräumen und nirgends sonst, fand er, und schickte
den Typen zurück nach Amerika. Wollte sich wohl wichtigmachen.
Sich hervortun, sich zeigen: Das war in den Achtzigern sowieso noch nicht
so der Stil, und in Ostwestfalen schon einmal gar nicht. Das Mädchen, das
im Glanzanzug in der Brackweder Disko Bierdorf bei einem
Schönheitswettbewerb auftritt – es ist deshalb ganz schön mutig. In den
Gesichtern des Publikums aber steht immerhin keine Ablehnung, sondern
Respekt. Darum lächelt von denen auch kaum jemand. Muss man ja auch nicht
immer.
Martin Langer: „Das Land des Lächelns: Eine westdeutsche Provinz in der
80ern“. Seltmann Publishers. 100 Seiten. 39 Euro.
27 Jul 2021
## LINKS
[1] https://langerphoto.de/fotogalleries/land-des-laechelns/
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Fotografie
Ostwestfalen
Schwerpunkt Stadtland
Ausstellung
Fotobuch
Abschied
Nachruf
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