# taz.de -- Geringe Impfquote bei Bremer Kindern: Jugend fehlt Spritzigkeit | |
> Wer in Bremen seinen 12- bis 15-Jährigen Kindern ein Covid-19-Vakzin | |
> verabreichen will, ist auf Ärzt*innen angewiesen, die da mitspielen. | |
Bild: In Indonesien geht’s, in Deutschland noch nicht: systematische Impfung … | |
Bremen taz | Weniger 16- und 17-Jährige als erwartet lassen sich in Bremen | |
im Impfzentrum [1][gegen das Coronavirus impfen]. Das sagte am Donnerstag | |
Lukas Fuhrmann, Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die | |
Linke). Vor drei Wochen hatte diese mitgeteilt, dass sich diese | |
Altersgruppen in der Stadt Bremen auf einer Warteliste fürs Impfzentrum | |
registrieren lassen können. „Wir hatten mit einer Quote von 50 Prozent | |
gerechnet“, sagte Fuhrmann, tatsächlich wären es aber nur zehn bis 20 | |
Prozent. | |
Für Kinder und Jugendliche ist ein Impfstoff zugelassen. Die Ständige | |
Impfkommission (Stiko) empfiehlt das Impfen gegen Corona allerdings erst ab | |
18 Jahren. Der Grund ist, dass die Expert*innen das individuelle Risiko | |
für Kinder und Jugendliche, schwer zu erkranken, nach aktuellem | |
Forschungsstand für zu gering halten, um eine Impfung mit einem relativ | |
unerforschten Impfstoff zu rechtfertigen. | |
Dennoch bieten die meisten Impfzentren in den Bundesländern die Impfung ab | |
16 Jahren an – dies war ursprünglich die zugelassene Altersgrenze bei dem | |
Impfstoff der Firma Biontech. Eltern, die ihre jüngeren Kinder ab zwölf | |
Jahren impfen lassen wollen, müssen sich in Bremen derzeit an ihre | |
Kinderarztpraxis wenden. Das hatte vergangene Woche der | |
Zentralelternbeirat an Schulen in einem offenen Brief kritisiert. Nicht | |
alle Eltern hätten eine Kinderarztpraxis, die zur Impfung bereit ist, hieß | |
es darin, dies sei ungerecht. | |
Unterstützung bekamen die Elternvertreter*innen umgehend von der | |
Fraktion der Grünen. Ein erweitertes Impfangebot helfe, „die Pandemie | |
weiter einzudämmen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Und: „Die 12- bis | |
15-Jährigen erhalten mit einer Impfung mehr Sicherheit vor der Krankheit, | |
wenn sie sich beispielsweise mit Freunden treffen, zum Sport gehen oder in | |
der Schule sind.“ | |
## Warten auf Daten aus den USA | |
Die Bremer Gesundheitsbehörde ist hingegen noch nicht bereit, auch die | |
jüngeren Jugendlichen ins Impfzentrum einzuladen. „Wir haben noch | |
Beratungsbedarf“, sagte dazu der Sprecher Lukas Fuhrmann. Gleichwohl sehe | |
man die Notwendigkeit. „Es gibt eine Nachfrage, und sie ist offenbar nicht | |
besonders hoch“, dies zeigten die Erfahrungen mit den 16- und 17-Jährigen. | |
Zudem zeigten die aktuellen Erfahrungen aus den USA, dass offenbar nicht | |
mit schweren Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen zu rechnen sei. | |
Dort wird bereits ab zwölf Jahren in großem Stil geimpft. | |
Auf die Impfungen in den USA verweist auch Stefan Trapp, Kinderarzt in | |
Huchting und Vorsitzender des Verbandes Bremer Kinder- und | |
Jugendärzt*innen. „Wir werden in wenigen Wochen oder Monaten valide Daten | |
haben zu den Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen.“ Solange sei es | |
sinnvoll, keine Impfempfehlung auszusprechen. Nichtsdestotrotz hält auch er | |
es für angebracht, den Eltern, die eine Impfung für ihre Kinder wollen, ein | |
Angebot über das Impfzentrum zu machen. „Es steht mir als Kinderarzt nicht | |
zu, ihnen das auszureden oder ihre Beweggründe zu kritisieren.“ | |
Aus medizinischer Sicht gebe es zwar bei Gesunden keinen Anlass zur | |
Impfung, „aber wenn jemand sagt, ‚Wir können nicht wieder vier Mal | |
hintereinander in Quarantäne‘ oder ‚Wir haben Familie in Risikogebieten‘ | |
oder was auch immer, dann ist das aus ihrer Sicht ein guter Grund für eine | |
Impfung.“ Die meisten größeren Praxen würden auf Elternwunsch impfen, | |
vermutet er, aber für die anderen brauche es auch eine Lösung. Anfangs | |
hätten Kolleg*innen Sorge gehabt, bei Impfschäden haftbar gemacht zu | |
werden, aber das ist aus seiner Sicht geklärt. „In solchen Fällen muss der | |
Bund haften.“ | |
Richtig wütend macht Trapp, wenn Politiker*innen wie jetzt der | |
niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) [2][die Ständige | |
Impfkommission „zum Umdenken“ auffordern]. „Nachdem bis jetzt junge Leute | |
wirklich schon zu den Hauptleidtragenden der Pandemie gehört haben, | |
empfinde ich das, was derzeit geschieht, wirklich als gegen eine junge | |
Generation gerichtet und das finde ich persönlich unerträglich“, zitierte | |
Weil der NDR vergangene Woche. | |
„Da geht es überhaupt nicht um Kinder und Jugendliche“, sagt Trapp dazu. | |
Der Druck, Kinder zu impfen sei vielmehr „eine weitere Geringschätzung | |
ihrer Rechte“. Denn sie hätten derzeit durch die Impfung keine Vorteile – | |
die Politik aber eine Ausrede, wenn sie es nicht schafft, die Schulen so | |
auszustatten, dass der Unterricht in der kalten Jahreszeit normal | |
stattfinden kann. „Die Politik braucht ein Standing, die Schulen offen zu | |
halten.“ Das dürfe sie nicht auf die Schüler*innen abwälzen. | |
Die Folgen des über Monate eingeschränkten oder ausgesetzten | |
Präsenzunterrichts seien katastrophal, sagt der Kinderarzt. Er könne in | |
seiner Praxis, die am Stadtrand nahe der Landesgrenze liegt, deutliche | |
Unterschiede zwischen Bremen und Niedersachsen sehen. „Im Durchschnitt geht | |
es den Kinder aus Bremen einfach besser als denen aus Delmenhorst.“ Hier | |
waren die Schulen durchgängig geöffnet, nur die Präsenzpflicht war | |
ausgesetzt. Grundschulkinder hatten keine drei Wochen Wechselunterricht. In | |
Niedersachsen hatten viele Jahrgänge monatelang keine Schule von innen | |
gesehen. | |
13 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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