# taz.de -- Umfrage zu Lernrückständen: Ausgebremste Bildung | |
> Schüler:innen und Eltern fürchten, dass in der Pandemie Bildungslücken | |
> entstanden sind. Gut durch die Krise kamen wohl jene, die ohnehin kaum | |
> Lernprobleme haben. | |
Bild: Einige Schüler:innen wurden durch Homeschooling stärker abgehängt als … | |
Berlin dpa/epd | Die monatelangen [1][Schulschließungen wegen der | |
Coronapandemie] haben Kinder und Jugendliche nach deren eigener Ansicht und | |
auch laut der meisten Eltern bei der Bildung ausgebremst. Eine große | |
Mehrheit geht davon aus, dass durch die Schließungen Lernrückstände | |
aufgebaut wurden, wie eine repräsentative Befragung von Fünft- bis | |
Zehntklässlern und Eltern im März und April durch das Institut Allensbach | |
ergab. | |
Die meisten Befragten gaben in der von der Telekom Stiftung beauftragten | |
Studie zwar an, mit dem sogenannten Homeschooling gut zurechtgekommen zu | |
sein. Wie gut, das hängt aber stark von der Schule und vom persönlichen | |
Umfeld ab. | |
„Es gibt einen nicht unerheblichen Teil, die sind stärker abgehängt als | |
zuvor“, sagte der ehemalige Bundesinnenminister und heutige Vorsitzende der | |
Telekom-Stiftung, Thomas de Maizière, am Donnerstag zu den | |
Studienergebnissen. Er sprach sich für die Pflicht zur Teilnahme an | |
Nachhilfeangeboten aus. Freiwillige Sommercamps oder ähnliche Angebote | |
würden „exakt die nutzen, die es nicht am nötigsten haben“. | |
Diejenigen, die stärkere Rückstände haben, müssten überproportional | |
Angebote bekommen. „Und da wird es möglicherweise nicht anders gehen, als | |
mit Verpflichtungen“, so de Maizière. | |
## Gemischte Bilanz des Fernunterrichts | |
Bildungspolitiker:innen gehen davon aus, dass jede:r vierte oder | |
fünfte Schüler:in wegen der Schließungen und Einschränkungen an Schulen | |
große Lernrückstände aufgebaut hat. In der vorliegenden Befragung waren 27 | |
Prozent der Schüler:innen der Meinung, dass sie und ihre | |
Mitschüler:innen beim Lernstoff „deutlich“ im Rückstand seien, 52 | |
Prozent gehen von „etwas“ Rückstand aus. | |
Von den Eltern dieser Altersklasse machen sich 61 Prozent Sorgen wegen der | |
Lernrückstände ihrer Kinder. 49 Prozent sind der Ansicht, ihr Kind sei | |
durch die Schulschließungen beim Lernstoff „etwas“ im Rückstand, 32 Proze… | |
sprechen von einem „deutlichen“ Rückstand. | |
Beim sogenannten Homeschooling ziehen Schüler und Eltern eine gemischte | |
Bilanz: Zwar gaben 58 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, damit gut | |
oder sehr gut zurechtgekommen zu sein, aber ein großer Teil von 38 Prozent | |
kam auch weniger oder gar nicht gut damit zurecht. | |
Das Urteil der Eltern, von denen viele monatelang den Spagat zwischen | |
Arbeit und Ersatzlehrer:in schaffen mussten, fällt ebenfalls gemischt | |
aus: 53 Prozent sind der Ansicht, die Familie sei mit dem Lernen von zu | |
Hause aus gut oder sogar sehr gut zurechtgekommen, 42 Prozent sehen das | |
nicht so. | |
## GEW-Vorsitzende: In den Ferien nicht für die Schule pauken | |
Auffällig ist, dass Befragte, die sich selbst als gute Schüler:innen | |
einschätzen, deutlich häufiger angaben, gut durch die Schulschließungen | |
gekommen zu sein. Gymnasiast:innen ziehen eine positivere Bilanz als | |
Haupt-, Real- oder Gesamtschüler:innen. | |
Auch die technische Ausstattung im eigenen Haushalt spielt bei der | |
Bewertung eine Rolle. Die Krise habe die sozialen Unterschiede und den | |
Einfluss der Bedingungen im Elternhaus auf die Entwicklung der | |
Schüler:innen vergrößert, sagte die Geschäftsführerin des | |
Allensbach-Instituts, Renate Köcher am Donnerstag. | |
Der Ausnahmezustand an den Schulen hatte aber auch positive Begleiteffekte: | |
Eine Mehrheit der Schüler:innen hat sich nach eigener Auffassung im | |
Umgang mit Computern und digitalen Medien verbessert, hat Fortschritte beim | |
Recherchieren von Informationen gemacht und dabei, sich selbst zu | |
organisieren und sich Dinge zu erarbeiten. Das sehen auch die Eltern so. | |
Trotzdem wünschen sich die meisten, dass die Vermittlung von Schulstoff | |
auch nach der Coronakrise weitgehend von den Lehrer:innen in der Schule | |
übernommen wird. Und fast allen Schüler:innen (93 Prozent) wäre es am | |
liebsten, wenn der Unterricht „ausschließlich“ oder „überwiegend“ in … | |
Schule stattfindet. Bei den Eltern ist dieser Wunsch noch ausgeprägter (96 | |
Prozent). | |
## Aufholprogramm von Bundesregierung beschlossen | |
Die [2][Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), | |
Maike Finnern,] hält trotz der selbstdiagnostizierten Lernlücken wenig | |
davon, dass Schüler:innen in den Sommerferien den in der Coronazeit | |
versäumten Stoff aufholen. „Es ist völlig falsch, jetzt in den Ferien | |
Inhalte zu pauken“, sagte Finnern dem Evangelischen Pressedienst (epd). | |
Nach anderthalb weitgehend vor Computern und Handys verbrachten Jahren | |
sollten Schüler:innen nicht auch noch die Ferien online verbringen. | |
Um Versäumtes nachzuholen, hat die Bundesregierung ein Aufholprogramm für | |
Kinder und Jugendliche beschlossen. Bis Ende 2022 stehen zwei Milliarden | |
Euro unter anderem für Ferienfreizeiten, Aufenthalte in | |
Familienferienstätten oder Nachhilfe zur Verfügung. Das sei „relativ viel | |
Geld für relativ wenig Zeit“, betonte Finnern. „Die einfachste Lösung ist | |
natürlich, den Kindern Gutscheine für Nachhilfe in die Hand zu drücken.“ | |
Finnern forderte hingegen Kommunen und Schulträger auf, „gute | |
Ferienangebote“ zu entwickeln: Die Jugendlichen müssten rausgehen in die | |
Natur, Gemeinschaft erleben, „voneinander und miteinander lernen“. Die | |
GEW-Vorsitzende kritisierte, dass die Homeschooling-Zeit „viel zu defizitär | |
und negativ gesehen wird“. Finnern sagte: „Ja, es war eine schwierige | |
Phase, aus der man aber viel lernen kann für das künftige Leben.“ | |
8 Jul 2021 | |
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