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# taz.de -- Knapp 800 Supermärkte in Schweden zu: Cyberangriff legt Läden lahm
> Der Angriff auf einen US-Dienstleister hat Auswirkungen über die USA
> hinaus. Besonders in Schweden, wo Teile des Handels die Dienste nutzen.
Bild: Dieser Cyberangriff hatte Auswirkungen auf Schwedens Bezahlsysteme
Stockholm taz | „Wir haben ja noch Glück im Unglück“, erzählt die
Verkäuferin im Coop-Laden im westschwedischen Unnaryd am Sonntagvormittag:
„Wenigstens funktioniert unser ‚Scan and Pay‘-Bezahlssytem. Sonst hätten
wir gestern und heute gar nicht erst aufgemacht.“
Die meisten der knapp 800 Coop-Märkte, der zweitgrößten schwedischen
Lebensmittelkette, blieben am Wochenende aufgrund eines Cyberangriffs
geschlossen. Am Freitagabend gegen 18.30 Uhr waren erst Probleme bei
einzelnen Kassen aufgetreten und nach einiger Zeit war das gesamte
landesweite Kassensystem der Kette ausgefallen. Weil damit neben
Kreditkarten- auch Barzahlungen nicht mehr möglich waren, waren nahezu alle
Coop-Läden gezwungen zu schließen.
Hintergrund ist ein Angriff auf den US-amerikanischen IT-Dienstleister
Kaseya. Der verkauft Unternehmen Dienste, mit denen sie unter anderem
IT-Geräte fernwarten oder aus der Ferne steuern können. Laut der auf
Cybersicherheit spezialisierten Beratungsfirma [1][Huntress Labs sind
insgesamt über 1.000 Unternehmen] von dem Angriff mit Ransomware betroffen.
Dabei verschlüsseln Angreifer:innen die Computersysteme oder Daten der
Betroffenen und verlangen von ihnen Lösegeld (englisch: Ransom). Allerdings
werden nach einer Zahlung nicht in jedem Fall die Daten wieder zugänglich
gemacht.
„Wir sind nur betroffen, weil wir Teil der Kaseya-Attacke sind“, sagt
Coop-Pressesprecherin Therese Knapp. Betroffen waren in Schweden auch Teile
einer Apotheken-, einer Gartencenter- und einer Tankstellenkette. Auch die
schwedische Bahn SJ bekam Probleme: Deren Kassensystem in den
Restaurantwagen der Züge war außer Funktion.
## Abhängigkeit des Sektors
Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist sprach von einem „sehr
gefährlichen Angriff“: „Schließlich geht es um den Sektor
Lebensmittelversorgung. Und wir sind ja davon abhängig, dass diese Technik
funktioniert.“ Jonas Milton von der Abteilung für Krisenvorsorge der
schwedischen Zivilschutzbehörde MSB sagte: „Wir werden wieder einmal an die
Verletzbarkeit einer Gesellschaft erinnert, die auf funktionierenden
IT-Systemen beruht.“ Solange nur eine von mehreren Lebensmittelketten
betroffen sei, könne man das zwar handhaben: „Sollten aber mehrere
betroffen sein, wäre ja die gesamte Nahrungsmittelversorgung gefährdet.“
„Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft immer mehr solcher Angriffe erleben
werden“, meinte David Jacoby, IT-Sicherheitsexperte bei Kaspersky Schweden
im schwedischen Fernsehen: „Und die werden uns zunehmend direkt in unserem
Alltag treffen.“ Man müsse sich fragen, „ob die Digitalisierung nicht zu
schnell geht und die Sicherheit hinterherhinkt“.
Vor allem die mit dem Outsourcing von Diensten verbundenen Gefahren würden
im aktuellen Fall sichtbar. Immer mehr Unternehmen glaubten, sich eigene
Software-Entwicklungen und eigene IT-Abteilungen ganz einsparen zu können,
ohne die Konsequenzen zu bedenken: „Attackiert wurde hier ja ein Lieferant
von Software. Aber vor allem getroffen sind jetzt alle seine Kunden.“
Cyberkriminelle hätten sich auf diese Entwicklung eingestellt.
In einigen Regionen Schwedens waren Coop-Läden nur deshalb nicht betroffen,
weil sie noch nicht an die Kaseya-Software angeschlossen waren, sondern
stattdessen noch eigene autarke Kassensysteme haben. Oder solche Läden, wie
der in Unnaryd, die zwar an diesem System hängen, in denen aber gerade ein
neues davon unabhängiges Selbstbedienungssystem getestet wird.
## Offline-Lösungen gefragt
„Wir arbeiten intensiv an einer Lösung“, versichert man bei Coop, doch
ebenso wie die Presseabteilungen anderer betroffener Unternehmen wagte man
am Sonntag keine Prognose darüber abzugeben, wann die Systeme wieder in
Gang sein werden und die Geschäfte wieder öffnen können. In Unnaryd ist man
pessimistisch: „Was wir bislang erfahren haben, so wird sich am Montag
vermutlich noch nichts geändert haben.“ Und Jonas Milton von MSB fordert
ein grundsätzliches Umdenken: „Geschäfte brauchen wieder Offline-Lösungen.…
[2][Der Angriff auf Kaseya reiht sich ein in eine Reihe von massiven
Cyberattacken] in jüngster Vergangenheit. So legte erst im Mai ein Angriff
auf den Pipeline-Betreiber Colonial die Treibstoffversorgung in Teilen der
USA lahm. Auch hier hatten die Angreifer:innen Daten verschlüsselt und
Lösegeldforderungen gestellt. Der Betreiber zahlte schließlich Berichten
zufolge ein Lösegeld in Bitcoin von nach damaligen Kurs 4,4 Millionen
Dollar. Das US-Justizministerium teilte später mit, dass ein Teil des
Lösegelds sichergestellt worden sei.
US-Präsident Biden zog am Samstag eine Urheberschaft Russlands für den
aktuellen Angriff in Erwägung. Zunächst sei angenommen worden, „dass es
nicht die russische Regierung war, aber wir sind noch nicht sicher“, sagte
Biden. Für den Fall, dass Russland damit zu tun habe, habe er Kreml-Chef
Wladimir Putin bereits gesagt, „dass wir reagieren werden“.
4 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.huntress.com/blog/rapid-response-kaseya-vsa-mass-msp-ransomware…
[2] /Experte-ueber-Cyberangriffe/!5773148
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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