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# taz.de -- CDU fordert Vorschulen für Bremen: Wer lernt wann und wo?
> Die CDU-Forderung nach Vorschulen für Bremen finden auch in der
> Regierungskoalition einige interessant. Doch viele halten das Modell für
> veraltet.
Bild: Kindergarten oder Vorschule? Man sieht's dem Regal nicht von außen an
Bremen taz | Feinmotorische Fähigkeiten, soziales Miteinander und
Sprachförderung – das lernt etwa jedes zweite Kind in Hamburgs
Vorschulklassen. Auch in Bremen gab es bis in die 2000er Vorschulen. Ob sie
wieder eingeführt werden sollten, wird derzeit diskutiert: CDU und Grüne
haben das Thema in die Bürgerschaft eingebracht.
Bremens Bildungsmisere ist kein Geheimnis. „Seit Jahren werden die
Ergebnisse bei den Sprachförderungsuntersuchungen und Schuleingangstests in
Bremen immer schlechter“, sagt Yvonne Averwerser, Sprecherin für Bildung
der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Der Lösungsansatz der CDU: verpflichtende
Vorschulklassen ab dem Schuljahr 22/23 für Kinder mit hohem
Sprachförderungsbedarf – das waren im vergangenen Jahr fast 47 Prozent.
„Das A und O ist es, dass die Kinder verstehen, worum es geht“, meint
Averweser. Durch Vorschulklassen sei eine gezielte individuelle Förderung
möglich, damit alle Kinder mit gleichen Grundvoraussetzungen in die
Grundschule kommen.
Mindestens fünf Stunden täglich sollen die Kinder in Sprache, Mathematik,
Sozialverhalten und dem Erlernen schulischer Kulturtechniken gefördert
werden, heißt es im Antrag der CDU. Es gehe vor allem um sozioökonomisch
benachteiligte Stadtteile.
Die Regierungskoalition lehnte den Antrag ab. „Zu schnell und völlig
unzureichend“, kritisiert Solveig Eschen, Sprecherin für Kinderpolitik bei
der Grünen-Fraktion Bremen. Der Antrag vermittele ein Bild von
Vorschulklassen als „reine Stätte, die die Defizite von Kindern aufarbeiten
sollen“, ärgert sich Eschen.
Prinzipiell ist sie der Idee aber nicht abgeneigt. Eschen stellt sich
Vorschulklassen als eine gleichberechtigte Alternative zum letzten Kitajahr
vor, in der auf die Fünf- bis Sechsjährigen altersspezifisch eingegangen
werden könne. Dies ermögliche einen sanften Übergang zwischen Kita und
Schule. Besonders geeignet sei es für Karenzkinder, die zwischen August und
Dezember geboren und damit zu jung für die Schule und zu alt für die Kita
sind.
Ob Vorschulen für Bremen passend sind, lässt ihre Fraktion nun mit einer
Großen Anfrage an den Senat klären. „Vielleicht sind sie ein neuer Impuls,
um mehr Kindern bessere Bildung zu ermöglichen“, meint Eschen.
Der Bremer Grundschulverband lehnt das Konzept ab: „Kinder werden aufgrund
ihrer Bedürfnisse selektiert. Das widerspricht dem Recht auf inklusive
Beschulung“, kritisiert Vorstandsmitglied Maresi Lassek. Wenn nur Kinder
mit Lernschwierigkeiten zusammen seien, fehle der Anregungsreichtum. Aber
sie fürchtet auch das Gegenteil: Wenn überwiegend bildungsnahe Eltern ihre
Kinder in die Vorschule schicken, könne das die Bildungsschere weiter
öffnen.
Unterstützung bekommt der Verband aus der Wissenschaft. Für Robert Baar,
Professor für Grundschulpädagogik an der Universität Bremen, wären
Vorschulklassen ein Rückschritt: „Das Konzept kommt aus den 70er-Jahren.“
Heute arbeiteten Bremer Grundschulen mit der Heterogenität in den Klassen
und gingen individuell auf Bedürfnisse der Kinder ein. „Inklusion in Bremen
funktioniert gut. Da ist es kontraproduktiv, zu separieren und eine
förderbedürftige Gruppe herauszulösen“, sagt Baar.
Außerdem gebe es schon gute Konzepte, um den Kindern den Übergang zu
erleichtern, indem Kitas und Grundschulen eng zusammenarbeiten. „Man darf
nicht so tun, als würde in den Kitas nichts passieren“, meint Baar. Dort
lernen die Kinder bereits grundlegende Kompetenzen.
Auch vom Koalitionspartner gibt es Kritik.. „Es ist nicht altersangemessen,
wenn Fünfjährige lernen wie in einer Grundschule“, meint Gönül Bredehorst,
SPD-Sprecherin für Bildung. „Das Schlimmste ist, dass die Kinder nach einem
Jahr wieder auseinandergerissen werden.“
## Neues Bezugsumfeld
Eine Kritik, die viele Gegner:innen der Vorschule äußern. Dass Kinder
für ein Jahr ein ganz neues Bezugsumfeld haben, komme in der Praxis in
Hamburg allerdings kaum vor, berichtet Stefan Kauder vom Grundschulverband
Hamburg. Kinder können entweder die Vorschulklasse in ihrer Kita besuchen
oder ein Jahr früher ihre Grundschule kennenlernen. Das werde individuell
von den Eltern entschieden.
Nachteile dieser freien Entscheidung: Planungsunsicherheit und Konkurrenz
zwischen Kitas und Grundschulen. „Hamburg hat nicht ‚das Erfolgsmodell‘,
was dringende gesellschaftliche Fragen löst“, meint Kauder.
„Vorschulklassen sind ein großes Projekt, das langfristig geplant werden
muss“, schließt Eschen. „Das einzig Sinnvolle ist es, Fragen zu stellen und
zu schauen, ob es eine Option sein könnte.“ Am Ende steht auch die Frage
der Machbarkeit: In Bremen fehlen schon für den regulären Unterricht
Pädagog:innen.
19 Jul 2021
## AUTOREN
Jasmin Koepper
## TAGS
Kita
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Bildung in Bremen
Bremen
CDU Bremen
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Sinti
Fremd und befremdlich
Einschulung
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