# taz.de -- Flutkatastrophe in Westdeutschland: „Wettermaschinerie aus dem Ta… | |
> Meteorologe Özden Terli erklärt, was Tief Bernd mit Klimawandel zu tun | |
> hat. Er erwartet immer wieder Sommer mit Sturzregen – und Dürrejahre. | |
Bild: Zu viel Beton: überquellender Kanaldeckel in Rheinland-Pfalz | |
Tief „Bernd“ treibt schwere Gewitter über Deutschland, bringt | |
[1][sturzflutartige Regengüsse], spült Häuser weg. Es gibt Tote. In den | |
vergangenen drei Sommern litt die Bundesrepublik noch unter Hitze und | |
Trockenheit. Wieso spielt das Wetter verrückt? Fünf Fragen. | |
Warum ist Tief „Bernd“ so beständig? | |
Einzelne Unwetter ließen sich zwar nicht auf den Klimawandel | |
zurückzuführen, so der [2][Meteorologe Özden Terli]. Aber – sagt er, der | |
auch im ZDF das Wetter erklärt – in einem seien sich Experten einig: „Weil | |
sich der Planet erhitzt, gerät die Wettermaschinerie aus dem Takt.“ Es gehe | |
dabei „um das große Ganze“. Bisher funktionierte das so: Am Äquator ist es | |
warm, an den beiden Polen sehr kühl. Dieses Gefälle führt in der Atmosphäre | |
zu Winden – nicht am Boden, sondern in etwa zehn Kilometer Höhe, Jetstream | |
genannt. | |
Dieser Jetstream verschiebt Tiefs und Hoch von einer in die andere Region. | |
„Nur“, sagt Terli, „mit der Erderhitzung hat sich die Arktis dreimal | |
schneller erwärmt als der Rest des Planeten.“ Das Temperaturgefälle | |
zwischen der Arktis und den mittleren Breiten nehme ab, der Jetstream | |
verliere an Schwung. Die Folge: Tiefs wie „Bernd“ bleiben länger an einem | |
Ort als in der Vergangenheit. Hochs auch. Ob sich ein Tief oder Hoch | |
etabliert, ist übrigens Zufall. | |
Wieso ist die Wetterlage so zerstörerisch? | |
„Tief ‚Bernd‘ wäre nicht der Rede wert, läge es nur zwölf Stunden über | |
Deutschland“, sagt der Wetterexperte. „Aber nun dreht es sich ganz langsam | |
vor sich hin“ – und bringt dabei über längere Zeit feuchte, schwülwarme | |
Luft aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland. Dies sei „Treibstoff für | |
Gewitter und Starkregen-Ereignisse“. | |
Dahinter stecke „simple Physik“: Die Luft kann umso mehr Feuchtigkeit | |
aufnehmen, je wärmer sie ist – und zwar 7 Prozent mehr pro Grad Erwärmung. | |
In der Feuchtigkeit stecke Wärmeenergie. Terli: „Wird diese bei der | |
Wolkenbildung freigesetzt, kommt es zu heftigen Gewittern.“ Und da sich | |
Wasser immer den Weg des geringsten Widerstands suche, könne aus einem | |
kleinen Rinnsal ein reißender Fluss werden, wenn es so viel regnet wie | |
derzeit. | |
Was kommt da noch an Extremen? | |
Mehr Wolkenbrüche, mehr Hochwasser mit Schäden an Gebäuden und | |
Infrastruktur, Hitze, Dürren sowie Wälder, die Feuer fangen: Der | |
Klimawandel muss aufgehalten werden. Gerade erst hat die EU-Kommission dazu | |
einen Plan vorgelegt. Aber selbst wenn dieser nicht zerredet wird, lasse | |
sich die Erderhitzung nicht mehr in Gänze vermeiden, sagt Terli. | |
In Deutschland macht der Deutsche Wetterdienst schon heute eine | |
durchschnittliche Erwärmung von mindestens 1,6 Grad Celsius im Vergleich | |
zur frühindustriellen Zeit aus. Terli meint, Sommer mit Sturzregen und | |
Dürrejahre würden sich künftig abwechseln: „Die Klimakrise haut auf jedes | |
Extremereignis nochmal eins drauf.“ | |
Wie muss sich Deutschland wappnen? | |
Das Umweltbundesamt hat erst vor Kurzem mit Experten zahlreicher Behörden | |
und Ministerien eine Klimawirkungs- und Risikoanalyse zusammengestellt. | |
Demnach sollen Flüsse mehr Platz bekommen, Bäume in Siedlungen mehr | |
Schatten spenden. Seit Anfang Juni gibt es dafür auch eine zentrale | |
Beratungsstelle, das bundesweite „Zentrum Klimaanpassung“. Aber vor allem | |
sollen Städte und Dörfer, in denen derzeit große Flächen versiegelt sind, | |
so umgebaut werden, dass sie sich in Zukunft wie ein Schwamm mit Wasser | |
vollsaugen können. | |
Die Experten sprechen von der Sponge-City, der Schwammstadt. Das Wasser | |
würde dann nicht einfach in Massen die Straßen runterrauschen, sondern | |
leichter im Boden versickern – auf extra angelegten Sickerflächen und in | |
Regenspeichern. Auch begrünte Dächer können helfen, damit das Wasser sich | |
nicht seinen eigenen Weg bahnt. Gegen die Wassermassen von Tief „Bernd“ | |
hätte das allerdings auch nicht geholfen, meint Terli – „abgemildert hätte | |
es die Folgen aber schon.“ | |
Was bringt Tief „Bernd“ in den nächsten Tagen? | |
Nach erneuten starken Gewittern und Regen verabschiede sich das Tief am | |
Freitag endlich aus Deutschland, erwartet Terli. | |
15 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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