# taz.de -- Starkregen in Westdeutschland: Zahl der Toten steigt auf 42 | |
> 18 Menschen sterben allein im Landkreis Ahrweiler, 15 in Euskirchen. | |
> Dutzende werden vermisst. Kanzlerin Merkel sichert den Menschen in den | |
> Hochwassergebieten Unterstützung zu. | |
Bild: Ein Polizist verschafft sich in Schuld im Kreis Ahrweiler nach dem Unwett… | |
KOBLENZ/WUPPERTAL/ALTENA/SOLINGEN/KÖLN/INDEN/HAGEN afp/dpa/rtr | | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Menschen in den | |
Hochwassergebieten in Deutschland Unterstützung zugesagt. Wo die | |
Bundesregierung helfen könne, werde sie das tun, sagte Merkel am Donnerstag | |
am Rande ihres Besuches in Washington. „Dies sind für die Menschen in den | |
Überschwemmungsgebieten entsetzliche Tage. Meine Gedanken sind bei ihnen. | |
Und sie können darauf vertrauen, dass alle Kräfte unseres Staates – von | |
Bund, Ländern und Gemeinden – gemeinsam alles daran setzen werden, auch | |
unter schwierigsten Bedingungen Leben zu retten, Gefahren abzuwenden und | |
Not zu lindern.“ | |
Die Zahl der Toten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat sich im | |
Verlauf des Donnerstags auf mindestens 42 erhöht. Besonders stark betroffen | |
waren der Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler mit 18 Toten und das südlich von Köln | |
gelegene Euskirchen mit 15 Toten, wie die zuständigen Polizeistellen | |
jeweils mitteilten. Teilweise konnten die Toten noch nicht geborgen werden, | |
weiterhin wurden auch Menschen vermisst. | |
Die Polizei Köln berichtet von 20 Toten in der Region. Neben zwei in Köln | |
gefundenen Toten seien bislang aus Euskirchen 15 und aus Rheinbach 3 Tote | |
gemeldet worden, teilte die Polizei am Donnerstagnachmittag mit. Noch seien | |
nicht alle gesichteten Leichen geborgen. | |
Die Koblenzer Polizei meldete einen sprunghaften Anstieg von fünf auf 18 | |
Tote für den Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ein Polizeisprecher wollte | |
gegenüber der Nachrichtenagentur AFP keine Angaben machen, wo die | |
zusätzlich gemeldeten Toten gefunden wurden. Er sei gehalten, zunächst nur | |
die erhöhte Zahl der Toten zu melden. | |
## Menschen harrten auf Hausdächern aus | |
Tief „Bernd“ bestimmt mit feuchtwarmen Luftmassen das Wetter in | |
Deutschland. Heftige Sturzregen führten zu Erdrutschen, die Bevertalsperre | |
in Hückeswagen im Oberbergischen Kreis lief über, mehr als 1.000 Menschen | |
mussten deswegen ihre Häuser verlassen. Auch andere Talsperren sind | |
übervoll und werden von den Behörden beobachtet. Straßen wurden überspült, | |
Keller überschwemmt und der Bahn- und Straßenverkehr war gestört. Viele | |
Kreise haben den Katastrophenfall ausgerufen. Tausende Helfer:innen sind | |
im Einsatz. | |
Darunter auch die Bundeswehr: In Nordrhein-Westfalen seien am | |
Donnerstagmorgen 200 Männer und Frauen mit Bergepanzern, Radladern, | |
schweren Lastwagen und dem Transportpanzer Fuchs in den Einsatz geschickt | |
worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. | |
Im Kreis Ahrweiler flüchteten „sehr viele Menschen“ nach Angaben der | |
Polizei auf ihre Hausdächer und harrten dort aus. Mehrere Orte waren wegen | |
des Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten. Die Rettungskräfte | |
erreichten laut Polizei nicht alle betroffenen Orte, auch Hubschrauber | |
waren im Einsatz. | |
In Altena im Sauerland kam bei der Rettung eines Mannes nach dem Starkregen | |
ein 46 Jahre alter Feuerwehrmann ums Leben. Er wurde von den Wassermassen | |
fortgerissen und ertrank. Das bestätigte ein Sprecher der Polizei im | |
Märkischen Kreis am Mittwoch. Nur zwei Stunden später sei ein 52 Jahre | |
alter Feuerwehrmann bei einem Einsatz im Bereich des Kraftwerks | |
Werdohl-Elverlingsen kollabiert. | |
## Wuppertaler Innenstadt überflutet | |
In Wuppertal war die Innenstadt am Donnerstagmorgen überflutet, der Pegel | |
stieg noch weiter. Die Feuerwehr wies auf Twitter vorzeitig darauf hin, den | |
Trinkwasserverbrauch vorsorglich einzuschränken. Durch einen Stromausfall | |
sei auch die Wasserversorgung betroffen. In Solingen haben die | |
Einsatzkräfte in den vergangenen Stunden etwa 130 Menschen im Stadtgebiet | |
aus akuter Not vor dem Hochwasser gerettet. Das sagte ein Sprecher der | |
Feuerwehr am Donnerstag. „Wir haben die Menschen über Drehleitern, Boote, | |
Bojen herausgeholt. Es war alles improvisiert.“ In zwei Situationen hätten | |
sich Einsatzkräfte zudem auf Tanklöschfahrzeugen in Sicherheit bringen | |
müssen. | |
Im Solinger Stadtteil Unterburg wurden mehrere Häuser sowie ein Tierheim | |
evakuiert. Auch hier war der Wasserzufluss am Morgen unvermindert hoch. Die | |
Bewohner konnten in Notunterkünften und teilweise bei Bekannten | |
untergebracht werden. Die Einsatzkräfte sprechen nach den starken | |
Regenfällen in Solingen nach Angaben eines Stadtsprechers von einem | |
„Jahrhunderthochwasser“. | |
Wegen der Gefahr eines Dammbruchs an der Steinbachtalsperre in | |
Nordrhein-Westfalen werden zwei Ortsteile von Rheinbach evakuiert. Das | |
teilte die Feuerwehr Rheinbach am Donnerstag mit. „Dies ist eine | |
Vorsichtsmaßnahme, da nicht sicher ist, ob der Damm der Steinbachtalsperre | |
gehalten werden kann“, heißt es in der Mitteilung. Bei der Evakuierung von | |
Oberdrees und Niederdrees würden auch Lastwagen der Bundeswehr eingesetzt. | |
In Inden bei Aachen hat der Hochwasser führende Fluss einen Deich in der | |
Nähe des Braunkohletagebaus überspült und läuft seit dem Morgen in den | |
Tagebau. Ein Sprecher des Energieunternehmens RWE sagte am Donnerstag, ein | |
Mitarbeiter dort werde vermisst. Nach dem Mann werde mit einem Hubschrauber | |
gesucht. Der Abbaubetrieb sei eingestellt worden. Der Zufluss des Wassers | |
dauere an. | |
Der Krisenstab im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen hat nach den | |
andauernden starken Regenfällen den Katastrophenfall ausgerufen. Wegen der | |
Hochwasserlage entlang der Erft bestehe die Gefahr, dass sich die bisher | |
örtlich begrenzte Lage neben Erftstadt auch auf Kerpen, Bergheim und | |
Bedburg ausweiten könnte, heißt es in einer Pressemitteilung von | |
Donnerstag. Die kreisangehörigen Kommunen wurden aufgefordert, „die | |
notwendigen Maßnahmen des Bevölkerungsschutzes wie insbesondere | |
Evakuierungen und Unterbringungen vorzubereiten und vorzunehmen“. | |
## Technisches Hilfswerk mit über 2.500 Helfern im Einsatz | |
Das Technische Hilfswerk (THW) ist nach dem Unwetter nach eigenen Angaben | |
mit über 2.500 ehrenamtlichen Hilfskräften im Einsatz. Sie pumpten Wasser | |
ab, retteten Personen und sicherten Deiche und Häuser, erklärt die | |
Hilfsorganisation. „Unsere Helferinnen und Helfer sind seit Tagen | |
unermüdlich im Unwetter-Einsatz, um Menschenleben zu retten, aber auch | |
Infrastruktur und Sachwerte zu schützen“, sagt THW-Präsident Gerd Friedsam. | |
Obwohl der Regen in weiten Teilen nachgelassen habe, sei die Lage weiterhin | |
angespannt. | |
Die oberhalb an der Inde liegenden Städte Eschweiler und Stolberg sowie | |
Aachen-Kornelimünster sind ebenfalls heftig von Hochwasser betroffen. | |
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte, | |
sie „bange mit allen, die in Gefahr sind“, und dankte allen Helferinnen und | |
Helfern für ihren Einsatz. Die Landesregierung hat wegen der Unwetter in | |
der Eifel eine Sondersitzung angesetzt. Die Regierungschefin kündigte an, | |
sich zusammen mit Innenminister Roger Lewentz (SPD) einen eigenen Eindruck | |
von der Lage vor Ort zu verschaffen. Sie appellierte an die Bewohner der | |
Katastrophenregion, in ihren Häusern zu bleiben. „Wir mobilisieren alles, | |
um Sie zu retten!“ | |
## Deutscher Wetterdienst erwartet Entspannung der Lage | |
In Rheinland-Pfalz sollen im Kreis Vulkaneifel und in der Ortsgemeinde | |
Kordel im Landkreis Trier-Saarburg die Schulen geschlossen bleiben. | |
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat das | |
vorausschauende Handeln der Verantwortlichen in Hagen während der | |
Hochwasser-Katastrophe gelobt. In Hagen seien schon Vorbereitungen für den | |
Krisenstab getroffen worden, als noch die Sonne schien, sagte der | |
CDU-Bundesvorsitzende am Donnerstag bei einem Ortsbesuch. So habe eine | |
größere Katastrophe verhindert werden können. Der schnelle unbürokratische | |
Einsatz der Bundeswehr habe dabei maßgeblich geholfen. Einen genauen | |
Überblick über die landesweite Opferzahl gebe es noch nicht. | |
Der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands ist nach | |
Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) allerdings überschritten. | |
Der DWD-Meteorologe Marco Manitta erwartete am Donnerstag „eine Entspannung | |
der Wetterlage“. Zwar könne es weiterhin „punktuellen Starkregen“ geben, | |
dieser sei aber nicht mehr so verbreitet wie in der vergangenen Nacht, | |
sagte Manitta der Deutschen Presse-Agentur. „Das Unwetterpotenzial sinkt | |
deutlich.“ | |
## Bahnreisende aufgerufen, NRW zu umfahren | |
Die Deutsche Bahn riet allen Bahnreisenden, Nordrhein-Westfalen weiträumig | |
zu umfahren. „Bitte verschieben Sie Reisen von und nach NRW nach | |
Möglichkeit auf die kommenden Tage“, hieß es in einer Mitteilung. Am | |
Mittwoch wurde auf zahlreichen Bahnlinien der Betrieb eingestellt. Die Bahn | |
berichtete unter anderem von Verspätungen und Ausfällen von Zügen zwischen | |
Köln und Düsseldorf sowie zwischen Köln und Wuppertal. Die Strecken | |
zwischen Köln und Koblenz waren auf beiden Seiten des Rheins nicht | |
befahrbar. ICE-Züge zwischen Frankfurt und Brüssel fuhren nur zwischen | |
Frankfurt und Köln. | |
An vielen Stellen sei es zu überspülten Gleisen, Fahrbahnstörungen und | |
Beschädigungen von Betriebsanlagen gekommen. Eine Erfassung der | |
Unwetterschäden sei erst mit abfließenden Wassermassen möglich. | |
15 Jul 2021 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Unwetter | |
Naturkatastrophe | |
Rheinland-Pfalz | |
Nordrhein-Westfalen | |
GNS | |
Nordrhein-Westfalen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Wetter | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flutkatastrophe in Westdeutschland: Anblick der Zerstörung | |
Die Ministerpräsidenten Laschet und Dreyer zeigen sich tief betroffen von | |
der Hochwasserkatastrophe. Knapp 50 Menschen sind bisher mindestens | |
gestorben. | |
Flutkatastrophe in Westdeutschland: „Wettermaschinerie aus dem Takt“ | |
Meteorologe Özden Terli erklärt, was Tief Bernd mit Klimawandel zu tun | |
hat. Er erwartet immer wieder Sommer mit Sturzregen – und Dürrejahre. | |
Flutkatastrophe in Westdeutschland: Das Ende des Wohlfühlwahlkampfs | |
Die Union wollte mit netten Post-Krisen-Botschaften die Bundestagswahl | |
gewinnen. Diese Illusion ist mit dem Unwetter zerstört. | |
Klimakrise und Extremwetter: „Wir stecken schon tief drin“ | |
Meteorologe Özden Terli spricht im ZDF-Wetterbericht oft über den | |
menschlichen Fußabdruck im Wetter. Das wünscht er sich auch von | |
Kolleg:innen. | |
Extremtemperaturen in Nordamerika: Klimakrise befeuert Hitzewelle | |
Die extremen Temperaturen im Westen Nordamerikas wären ohne den Klimawandel | |
„praktisch unmöglich“ gewesen. Das zeigt eine neue Attributionsstudie. | |
Meteorologe über Wetter durch Klimakrise: „Keine Zeit mehr zu verlieren“ | |
Wegen der Erderhitzung müssen wir uns auf extremere Wetterbedingungen | |
einstellen, sagt Andreas Friedrich. Gegen Dürresommer helfe Starkregen | |
wenig. |