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# taz.de -- Emissionshandel in China: Erster Schritt zur Klimaneutralität
> China führt den weltweit größten Emissionshandel ein. Das System hat zwar
> Schwachstellen, doch ein Umdenken zu mehr Nachhaltigkeit ist
> unübersehbar.
Bild: Derzeit noch allgegenwärtig: Ein Kohlekraftwerk bei Peking
Peking taz | Als Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping im vergangenen
September vor der UN-Generalversammlung sein bisher
[1][ambitioniertestes Klimaversprechen überhaupt] abgab, reagierte die
Welt mit einer Melange aus Euphorie und Skepsis. „Unser Ziel ist es, dass
der Ausstoß von Kohlendioxid vor 2030 den Höchststand erreicht und dass wir
Klimaneutralität vor 2060 erreichen“, sagte Xi.
Mittlerweile sind sich jedoch die meisten Experten einig, dass das
öffentlich abgegebene Versprechen von höchster Ebene den chinesischen
Behörden gar keine andere Wahl lässt, als es unter allen möglichen
Anstrengungen umzusetzen. Doch wie genau das Jahrhundertziel erreicht
werden kann, darauf blieb Peking bislang immer eine schlüssige Antwort
schuldig.
An diesem Freitag geht sie den ersten echten Schritt dorthin: China führt
den weltweit größten Emissionshandel ein. Damit würden sich die weltweit
gehandelten Emissionen praktisch über Nacht nahezu verdoppeln. Insgesamt
nehmen über 2.200 Firmen aus dem Energiebereich an dem Programm teil, vor
allem staatliche Betreiber von Kraftwerken. Diese produzieren rund ein
Siebtel der globalen Emissionen von fossilen Brennstoffen weltweit. In den
Folgejahren sollen dann zunehmend weitere Industrien eingebunden werden,
darunter die Flugbranche, Stahlwerke und die Petrochemie.
„Es könnte bis zu fünf Jahre dauern, den Markt vollständig auszuweiten und
einen nachhaltigen Preismechanismus zu etablieren“, erläutert die
Beratungsfirma Trivium China: „Aber sobald alles in Kraft ist, wird der
Emissionshandel einer der besten Mechanismen sein, um langfristig Anreize
für eine wirtschaftlich nachhaltige CO2-Reduktion zu schaffen.“
## Simpel – und überfällig
Das Prinzip des Emissionshandels ist simpel: Jeder Akteur erhält eine
limitierte Anzahl an Zertifikaten, die über den CO2-Ausstoß bestimmen. Wer
mehr Treibhausgase in die Atmosphäre schleudert, muss zusätzliche
Zertifikate einkaufen. Unternehmen, die unter der gesetzlichen Grenze
bleiben, können ihre nicht aufgebrauchten CO2-Zertifikate auf dem Markt
verkaufen. All dies soll zur Vermeidung von Emissionen anreizen.
Die Maßnahme ist überfällig. Denn die internationale Staatengemeinschaft
registriert seit nun mehr als fast einer Dekade die Ankündigungen Chinas,
einen Emissionshandel einführen zu wollen. Und auch wenn die meisten
Umweltexperten Pekings Maßnahme grundsätzlich willkommen heißen, gibt es
Kritik. Denn die relativ laxen CO2-Obergrenzen orientieren sich nicht an
staatlich fixierten Zielen, sondern beziehen sich auf den bisherigen
Energieverbrauch der Unternehmen vom Vorjahr.
Und im Gegensatz zum Emissionsrechtehandel der Europäischen Union gibt es
im chinesischen System bislang noch keine sinkenden Obergrenzen, die den
CO2-Ausstoß auch in absoluten Zahlen kontinuierlich verknappen. In der
Volksrepublik wird der Fokus hingegen zunächst auf die Energieeffizienz
gelegt: So werden zwar Anreize gesetzt, dass Kraftwerke weniger CO2 pro
Kilowattstunde produzieren. Aber ob sie schlussendlich dennoch mehr
ausstoßen, bleibt offen.
Diese Konstruktion stellt in Frage, wie viel Klimaschutz im chinesischen
System steckt. Denn um effektiv zu sein, hat der EU-Emissionshandel, der
seit 2005 für etwa 11.000 Fabriken und Kraftwerke in der EU gilt, eine
stetig sinkende Obergrenze. Er umfasst 41 Prozent aller europäischen
Emissionen und ist das effektivste Instrument zum Klimaschutz in Europa.
Seit seiner Einführung hat er die Emissionen in seinem Bereich um 43
Prozent reduziert, insgesamt hat die EU nur 24 Prozent erreicht. Allerdings
trägt die EU inzwischen nur knapp 10 Prozent zum globalen Ausstoß von
Treibhausgasen bei, China dagegen etwa ein Drittel.
Mit dem [2][am Mittwoch präsentierten „Fit for 55“-Paket] will die
EU-Kommission auch den Emissionshandel deutlich verschärfen. Die jährliche
Reduzierung der Emissionen soll nun fast doppelt so schnell gehen wie
bisher und der Sektor über 60 Prozent der Klimaschutzanstrengungen der EU
bis 2030 beitragen.
## Viel Erneuerbare – und neue Kohlekraftwerke
Pro Kopf betrachtet liegt China beim CO2-Ausstoß noch deutlich hinter den
USA und knapp hinter Deutschland. Doch absolut gesehen ist die
Volksrepublik mit Abstand der größte Klimasünder, Tendenz steigend. Denn
obwohl das Land so viel in erneuerbare Energien investiert wie kein
anderes, baut es gleichzeitig weiter neue Kohlewerke.
Doch das Umdenken hat eingesetzt. Ein wichtiger Durchbruch blieb geradezu
unbemerkt: Im April hat das Zentralkomitee der KP ein Dokument
veröffentlicht, nach dem die Messung des Wirtschaftswachstums künftig
grundsätzlich überdacht werden soll. Nicht nur ökonomische Kriterien sollen
gelten, sondern auch ökologische Aspekte. Dies würde Anreize für den
bürokratischen Mittelbau setzen. Chinas Regierungsbeamte werden bislang
aufgrund der wirtschaftlichen Leistung ihrer Behörde bewertet.
16 Jul 2021
## LINKS
[1] /Plan-fuer-CO2-Neutralitaet/!5711785
[2] /Klimaprogramm-der-EU/!5781375
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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