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# taz.de -- Europäisches Energiecharta-Abkommen: Hartnäckig fossil
> Der Energiecharta-Vertrag ermöglicht Unternehmen die Klage auf hohe
> Entschädigung, wenn sie wegen Klimaschutzes erwartbare Profite einbüßen.
Bild: KlimaaktivistInnen fordern in Brüssel den Ausstieg aus dem ECT
Der Energiecharta-Vertrag ist ein multilaterales Abkommen, das einzig
darauf abzielt, ausländische Investitionen in die Energieversorgung zu
schützen, ohne dabei zwischen umweltschädigenden und umweltfreundlichen
Energiequellen zu unterscheiden. Bis Juli 2021 wurde das Abkommen von 53
Staaten ratifiziert, darunter alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von
Italien, das bereits 2015 aus dem ETC ausgetreten ist. Am Freitag
vergangene Woche endete die sechste Verhandlungsrunde über eine Reform des
Energiecharta-Vertrags (ECT) ergebnislos.
Der ECT wurde Anfang der 1990er Jahre von den Niederlanden initiiert, um
westliche Privatinvestitionen in die [1][Energieversorgung] östlicher
Staaten sicherzustellen. Unternehmen wurde durch private Schiedsverfahren
Schutz gewährt, ohne sie dazu zu verpflichten, zunächst nationale
Rechtsmittel auszuschöpfen. Deutschland unterzeichnete den ECT 1994 und
ratifizierte ihn drei Jahre später.
Der Vertrag zielte in erster Linie auf die früheren Sowjetstaaten, allen
voran Russland, Hauptlieferant fossiler Brennstoffe an die EU-Länder. 2009
stieg Russland aus dem ECT aus. Damit wurde die Raison d’Être des Vertrags
im Grunde obsolet.
[2][Prognosen] zeigen, dass der fortgesetzte Schutz fossiler Brennstoffe
potenziell zu stillgelegten Vermögenswerten in Höhe von 2,15 Billionen (!)
Euro führen könnte. Bereits 2018 wurde eine Reform des ECT in die Wege
geleitet. Eine Anpassung des Vertrags an das Pariser Klimaziel ist indes
unwahrscheinlich, da jede Vertragsänderung die einstimmige Entscheidung der
konträren Vertragsparteien erfordert, darunter auch solche, die selbst
Gewinne aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe erzielen.
## Vorschlag ignoriert Klimaexperten
Wichtig zu erwähnen ist, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel während der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Thema vermied. Stattdessen bot die
Bundesregierung den deutschen Unternehmen LEAG und RWE eine Entschädigung
von gut 4 Milliarden Euro für den Kohleausstieg, vorausgesetzt, sie würden
bei ihren Entschädigungsforderungen auf den ECT verzichten.
Gegen die Bundesrepublik klagte Vattenfall zunächst um eine Entschädigung
von gut 6 Milliarden Euro wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie sowie
eines umweltschädlichen Kohlekraftwerks.
Ein Anfang 2021 vorgelegter [3][Reformvorschlag des ECT] schließt zwar neue
Förderungen fossiler Brennstoffe vom Vertrag aus, hält unter anderem aber
am fortgesetzten Schutz der Energieproduktion mit fossilen Brennstoffen
fest, vorausgesetzt, die Emission liegt unter 380 Gramm CO2 pro
Kilowattstunde. Auch die laufenden Öl-, Kohle- und Gasförderungen sollten
nach Ansicht der EU-Kommission noch bis zum Jahr 2040 geschützt bleiben.
Dieser Vorschlag ignoriert Klimaexperten, Umweltschutzorganisationen und
-aktivisten sowie mehr als 300 Abgeordnete aus der gesamten EU, die einen
kollektiven Austritt fordern und zusätzlich das Ende der Klausel, die den
Schutz der vor dem Austritt getätigten Investitionen für weitere 20 Jahre
garantiert. Angesichts der Tatsache, dass über 65 Prozent der
Auslandsinvestitionen in EU-Ländern von Unternehmen mit Sitz in EU-Ländern
getätigt werden, wird die Beendigung der Klausel das potenzielle Risiko und
die Kosten neuer Schiedsfälle deutlich reduzieren. Ein entsprechendes
Abkommen der EU-Staaten könnte nach dem kollektiven Austritt getroffen
werden.
Befürworter einer Fortsetzung des ECT argumentieren hingegen, dass der
Vertrag notwendig ist, um das Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, das
festhält, durch Investitionen in erneuerbare Energien in
Entwicklungsländern „den Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger,
nachhaltiger und moderner Energie für alle sicherzustellen“. Tatsache ist,
dass laut Informationen der Internationalen Energieagentur (IEA) die
Investitionen in Erneuerbare nur 4 Prozent der Summen ausmachen, die 2021
in die Öl- und Gasindustrie fließen.
Wichtig ist auch, dass sich die Investitionen in erneuerbare Energien auf
eine Handvoll Märkte konzentrieren, darunter China, die USA und einige
EU-Länder, wie Deutschland, Frankreich und Spanien. Die Partner des ECT
könnten zur Kasse gebeten werden, wenn es darum geht, ausländischen
Investoren hohe Entschädigungen zu zahlen.
## Mehrere Staaten gegen Vorschlag
Sechs Verhandlungsrunden fanden bereits statt, zwei weitere sind noch in
diesem Jahr geplant. Fortschritte beim Klimaschutz sind jedoch nicht in
Sicht. Im Gegenteil, es ist jetzt klar, dass die Verhandlungen von einer
auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft blockiert werden. Japan,
das in die Kohleförderung investiert, Kasachstan, ein an fossilen
Brennstoffen reiches Land, und mehrere andere Staaten lehnten den Vorschlag
ab.
Da keine Einigung erreicht werden konnte, wurde nun das ECT-Sekretariat in
Brüssel mit der Vorbereitung verschiedener Optionen beauftragt, um den
Investitionsschutz für fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen. Die
Internationale Energieagentur fordert, Investitionen in fossile Brennstoffe
bis 2025 einzustellen, um so dem Ziel der Netto-Null-Emissionen eine Chance
zu geben. Alles andere wäre schlicht eine Bedrohung für das Leben auf dem
Planeten Erde.
Die einzige Hoffnung ist die bevorstehende französische EU-Präsidentschaft
und Präsident Emmanuel Macrons Ehrgeiz, beim Klima führend zu sein.
Tatsächlich hat Frankreich bereits im vergangenen Dezember in einem
Schreiben an die Europäische Kommission den Rücktritt auf den Tisch gelegt.
Bis heute gab es jedoch keine Reaktion der Kommission. Andere Länder, wie
Spanien, schlossen sich Frankreichs Aufruf an. Wird Präsident Macron
gelingen, woran Kanzlerin Merkel scheiterte? Das bleibt abzuwarten.
Aus dem Englischen von Susanne Knaul
13 Jul 2021
## LINKS
[1] /Juristin-ueber-Atomausstieg-Entschaedigung/!5757385
[2] https://investmentpolicy.unctad.org/investment-dispute-settlement
[3] https://investmentpolicy.unctad.org/investment-dispute-settlement
## AUTOREN
Yamina Saheb
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