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# taz.de -- Studis prüfen Nachhaltigkeitsberichte: Nachhaltig oberflächlich
> „Vage und unklar“: Studierende der Eberswalder Hochschule haben in die
> Nachhaltigkeitsberichte von Berliner Unternehmen geschaut.
Bild: Die deutsche Bahn war eines der Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsbericht…
Es sollte ein besonderes Uniprojekt werden: Über drei Monate nahmen
Studierende der Eberswalder Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNEE)
die Nachhaltigkeitsberichte von Berliner Unternehmen unter die Lupe.
Unterstützt wurden sie dabei von der NGO Germanwatch. Große Unternehmen
müssen regelmäßig über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf
Nachhaltigkeit berichten. Allerdings fallen diese Berichte sehr
unterschiedlich aus. Denn: Es gibt dafür bisher kaum inhaltliche Vorgaben.
Also formulierten die Studierenden klare Kategorien, mit denen die Berichte
vergleichbar und kritisierbar wurden. Aus fünf verschiedenen Sektoren
suchten sie Unternehmen aus, die in Berlin ansässig sind oder mit einer
nennenswerten Anzahl von Mitarbeitenden produzieren. So gelangten der
deutsche Ableger des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall, der
Bremssystemhersteller Knorr-Bremse, die Strahlen- und
Medizintechnikspezialisten Eckert und Ziegler, die Deutsche Kreditbank
(DKB) und die Deutsche Bahn in den Fokus.
Die Erkenntnisse sollten den Unternehmen bei einer Onlinediskussion am 22.
Juli präsentiert werden, damit diese Stellung zu den Kritikpunkten nehmen
konnten. Wollten sie aber nicht – zumindest reagierte keines der fünf
Unternehmen auf die Anfragen. Dafür waren Saskia Lössl,
Nachhaltigkeitsmanagerin der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK),
und Laura Kromminga aus der Abteilung Soziale Ökonomie der Senatsverwaltung
für Wirtschaft, Energie und Betriebe der Einladung gefolgt. Unterm Strich
seien die Aussagen der Unternehmen in ihren Berichten „vage, unklar und
oberflächlich“, resümiert Steffen Vogel. Vogel ist Referent für
Zukunftsfähiges Wirtschaften in globalen Lieferketten bei Germanwatch.
Stephanie Hübner, Masterstudentin in „Nachhaltiger Unternehmensführung“,
hat den Bericht der DKB genauer analysiert. Der sei für sie besonders
spannend, da sie selbst Kundin der DKB sei, weil die Bank damit wirbt,
besonders nachhaltig zu sein. Und tatsächlich schneidet die DKB im
Branchenvergleich ganz gut ab – zumindest „macht sie transparent, wenn
Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. Die meisten Berichte sind eher
von Selbstlob geprägt als von kritischer Aufarbeitung“, sagt Hübner bei der
Ergebnispräsentation. Außerdem weise die DKB ein „tolles soziales
Engagement“ auf. Es fehlten allerdings Angaben über die Auswirkungen von
Kreditvergabe und Investments auf Nachhaltigkeit und Menschenrechte, auch
das Thema Biodiversität werde ausgeklammert.
„Ich sehe die Gefahr, dass Menschen sich von den Berichten blenden lassen“,
merkt Hübner an. Sie selbst sei durch das Uniprojekt nun geschulter darin,
einen kritischen Blick auf die Berichte zu werfen.
Tatsächlich werden die Unternehmensberichte sonst nicht extern überprüft.
Auch die Studierenden der HNEE konnten nicht überprüfen, ob die Angaben der
Wahrheit entsprechen. Aber sie können auf Lücken hinweisen: „Die
vorgelagerte Wertschöpfungskette wird bei Vattenfall kaum thematisiert. Und
das in einem so rohstoffintensiven Sektor wie Energie“, bemängelt etwa
Projektteilnehmerin Stella Carlsen. „Stattdessen finden sich im Berliner
Stadtbild jede Menge Plakate von Vattenfall, wie nachhaltig sie angeblich
seien. Da kommt die Frage auf, wie ehrlich hier vorgegangen wird.“
Steffen Vogel von Germanwatch sieht das ähnlich. „Es bestätigt sich der
Eindruck, dass diese Berichtspflicht Greenwashing nicht vorbeugt, sondern
den Unternehmen eine Plattform geboten wird, ihr Marketing zur Schau zu
stellen.“ Ziel des Projektes sei es daher auch, mit der Landespolitik über
die Berichterstattung in einen Dialog zu treten.
Das gelang am Tag der Präsentation der Projektergebnisse zumindest in
Teilen. Laura Kromminga von der Senatsverwaltung für Wirtschaft sah in dem
Projekt der Studierenden einen Schritt in die richtige Richtung:
„Nachhaltigkeitsberichterstattung hat Potenzial, wenn die Qualität messbar
ist, weil es dann relevant für die Finanzierung und Kreditvergabe wird.“
Langfristig werden die Ergebnisse der Studierenden in eine bereits
bestehende Onlinedatenbank eingepflegt, in der die Berichte verglichen
werden können. Kurzfristig holte sich bereits die IHK Anregungen für ihren
eigenen Bericht, wie deren Nachhaltigkeitsmanagerin Saskia Lössl beteuert.
Auf die Frage, ob die IHK strengere öffentliche Vorgaben für die
Unternehmen befürworte, antwortete sie vorsichtig: „Eine offizielle
Position der IHK dazu gibt es noch nicht. Aber ich persönlich fände es sehr
wichtig, dass das erweitert und konkreter wird.“
IHK-Vertreterin Lössl wies aus der Praxis noch auf einen anderen zentralen
Punkt hin: „Als Unternehmen denke ich vielleicht: Gut, jetzt
veröffentlichen wir mal schnell einen Nachhaltigkeitsbericht. Aber es ist
wichtig, dass man zu diesem Bericht auch einen Prozess beginnt, um sich in
eine bestimmte Richtung zu verbessern.“ Diesen „Change-Management-Prozess“
würden viele Unternehmen unterschätzen.
2 Aug 2021
## AUTOREN
Fabian Grieger
## TAGS
Nachhaltigkeit
Vattenfall
Studierende
Klima
Ökonomie
Lieferketten
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