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# taz.de -- Rassismus in Berliner Clubs: Tanzen und reden
> Mit der Veranstaltungsreihe “Emergent Bass“ startet der Club Mensch Meier
> am 17. Juli seine Sommersaison. Das Thema: Rassismus und Clubkultur.
Bild: Rassismus soll hier nicht länger unbeleuchtet bleiben: Tanzende in einem…
Berlin taz | Vor ein paar Jahren gab der Detroiter DJ Jeff Mills, der viele
Jahre lang in Berlin gelebt hat, im Magazin “Borshch“ zu Protokoll, dass er
in seiner Zeit hier mehrfach mit dem N-Wort bedacht wurde. Und zwar nicht
etwa nur auf der Straße, sondern in den Clubs, von Leuten aus der
Techno-Szene.
Dabei gehört die Absage an jede Form von Rassismus eigentlich als erstes
Gebot mit in den Katechismus der Berliner Clubkultur.
Oder: Ende letzten Jahres trat ein ehemaliger Mitarbeiter der Wilden Renate
an die Öffentlichkeit und beschwerte sich darüber, dass er von Kollegen und
Kolleginnen immer wieder rassistisch beleidigt worden sei.
Interessanterweise wurde in Berlin kaum über den Fall berichtet, während
Fachmagazine aus dem Ausland lange Recherchen darüber veröffentlichten.
## Wie rassistisch sind die Clubs?
Wie rassistisch also ist die Berliner Clubkultur? Dieser Frage will die
interdisziplinäre Veranstaltungsreihe “Emergent Bass“ nachgehen, die ab dem
17. Juli im Club Mensch Meier gastiert, der damit gleichzeitig seine
Sommersaison starten wird.
Acht Tage und Nächte lang sollen alle nur denkbaren Aspekte rund um das
Thema erörtert und nicht zuletzt auch ertanzt werden. Auf zwei Jahre Dauer
ist “Emergent Bass“ angelegt, als Forschungsprojekt mit Workshops und
Diskussionsrunden und Partyreihe gleichzeitig. “Afrodiasporische Musik,
Rassismus, soziale Gerechtigkeit und was das alles mit der Berliner
Clubkultur zu tun hat, wolle “Emergent Bass“ verhandeln, so Karoline Lucks,
eine der Veranstalterinnen. Forschungen zum Thema aus dem Archiv der
Jugendkulturen sollen miteingebracht werden, diverse Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen, aber auch von Rassismus Betroffene am Diskurs
teilnehmen. “Wir wollen neue Perspektiven und Interpretationen der Berliner
Subkulturgeschichte anbieten“, sagt sie. Queere, migrantisch geprägte und
afrodiasporische Erzählungen sollen sichtbarer werden. Ganz schön
ambitioniert.
Aber auch zwingend notwendig. Die Debatte um die “Weißwaschung“ der
elektronischen Tanzmusik und DJ-Kultur schwelt schließlich schon seit
langem. Aber vor allem in den USA. Jetzt kommt sie dorthin, wo sie
unbedingt auch hingehört: in die Welthauptstadt der Clubkultur.
Auch für Berlin ist die Debatte darüber, dass die afroamerikanischen und
queeren Wurzeln der heutigen Dancemusik zunehmend marginalisiert werden,
interessant. House entstand im Chicago der Achtziger in den Schwulenclubs,
Techno wurde in Detroit erfunden, von ein paar afroamerikanischen
Kraftwerk-Fans, die aber auch auf schwarzen Funk standen.
In der heute kommerziell erfolgreichsten Form von Dancemusik, der
EDM-Szene, wurde scheinbar völlig vergessen, wo sie eigentlich herkommt. Da
können sich die Detroiter Techno-Urgesteine noch so sehr darüber mokieren,
dass eigentlich sie die ganze Sache ins Rollen gebracht haben: auf den
großen Partys in Las Vegas kennt kaum noch einer der Gäste überhaupt deren
Namen.
Und in Berlin sind die Zeiten, in denen Schwarze DJs aus Detroit hier die
großen Stars waren, auch weitgehend vorbei. Junge Raver wissen gar nicht
mehr, dass es vor in Ostdeutschland geborenen Berghain-DJs wie Marcel
Dettman diese afroamerikanischen Szene-Pioniere aus den USA gab.
Bei “Emergent Bass“ werden sie mehr dazu erfahren können. Aber keine Angst:
es werde nicht nur um Theorie gehen, versichert Lucks. Auch sehr viel
passende Musik zum Thema werde es geben, das Erörterte solle auch “sinnlich
erfahrbar“ sein. Denn “am Ende des Tages werden es auch Partys sein, auf
denen die Leute tanzen sollen.“
16 Jul 2021
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Kultur in Berlin
Clubkultur
Braunschweig
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