| # taz.de -- Kritik am Festival „Dear White People“: Verhärtete Kommunikati… | |
| > Beim Antirassismusfestival „Dear White People“ in Freiburg kam es zum | |
| > Eklat um die Teilnahme des Vereins „Palästina spricht“. | |
| Bild: Hunderte demonstrierten im Mai in Berlin in Solidarität mit der palästi… | |
| „Wir sind wütend, dass (…) keine jüdische Stimme mehr auf unserem Festival | |
| sprechen wird.“ Das ist das Fazit der Veranstalter*innen des | |
| antirassistischen Festivals „Dear White People“, das in der vergangenen | |
| Woche in Freiburg stattfand. Die Abwesenheit jüdischer Stimmen ist | |
| tatsächlich ein Armutszeugnis für ein Festival, das sich als intersektional | |
| präsentiert. Gegen wen richtet sich die Wut? Das verraten die | |
| Veranstalter*innen nicht. | |
| Geplant war ursprünglich, dass ich an einem der Panels teilnehme – jedoch | |
| entschieden sich die Organisator*innen, die Veranstaltung abzusagen. Wie es | |
| dazu kam, ist exemplarisch dafür, wie schwer es ist, auch in linken Kreisen | |
| einen Dialog herzustellen. | |
| Schon im Vorfeld entbrannte eine Debatte über die Teilnahme des Vereins | |
| „Palästina spricht“: ein Verein, der in Freiburg eine Anti-Israel-Demo auf | |
| dem Platz der Alten Synagoge angemeldet hatte. Als jüdische Organisationen | |
| diese Demo kritisierten, reagierte das Festival zunächst mit der Ausladung | |
| von „Palästina spricht“. Die Begründung: „Wir wollen weder Betroffenen … | |
| Antisemitismus noch Betroffenen von anti-palästinensischem Rassismus ihre | |
| Erfahrungen und Einschätzungen absprechen.“ Zwei Wochen später wurde diese | |
| Entscheidung revidiert: Das Festival sollte wie geplant stattfinden und der | |
| Verein teilnehmen. Die Kritik an „Palästina spricht“ galt plötzlich nur | |
| noch als Ausdruck weißer Vorherrschaft. Konkret verkündeten die | |
| Organisator*innen, sie würden sich „(…) nicht von weißen deutschen | |
| hegemonialen Bestrebungen, Schuld zu tilgen, in einseitige und dominante | |
| Diskurse drängen“ lassen. | |
| ## Nicht der Debatte verweigern | |
| Die Klage über eine [1][vermeintliche deutsche Schuld], die getilgt werden | |
| muss, kennen wir eigentlich aus einer anderen politischen Ecke. | |
| Erwartungsgemäß sagten nun neben vielen anderen auch die eingeladenen | |
| Jüdinnen und Juden ab – alle außer mir. In dreißig Jahren politischer | |
| Arbeit habe ich mich noch nie einer Debatte entzogen oder ein Gespräch | |
| verweigert. Es mag naiv klingen, aber [2][ich glaube an den Dialog] – | |
| gerade mit Menschen, die anders denken als ich. Mir war klar, dass meine | |
| Teilnahme in der eigenen Community sowie in proisraelischen Kreisen zu | |
| Kritik führen würde. Tatsächlich ließ sie nicht lange auf sich warten, | |
| steigerte sich bis hin zu persönlichen Beleidigungen. | |
| Worum ging es genau? Teilnehmen sollte ich an dem Panel „Wie kann in | |
| Deutschland ein [3][Sprechen zur Situation in Israel und Palästina] | |
| stattfinden und ein Raum für Dialog ermöglicht werden?“, um mit der Autorin | |
| Alexandra Senfft und Anna Younes von „Palästina spricht“ zu diskutieren. Am | |
| Vorabend zog „Palästina spricht“ seine Teilnahme zurück. Zur Begründung | |
| erklärte der Verein, dass die „Zusammensetzung des Panels zum Großteil aus | |
| Holocaust- und Antisemitismusforscher*innen“ bestand. | |
| Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht stimmt (weder ich noch Senfft | |
| sind [4][Holocaust- oder Antisemitismusforschende]), ist das ein | |
| Strohmann-Argument. Warum soll die Bezeichnung Holocaustforscher*in | |
| eine Person disqualifizieren, den deutschen Diskurs über den Nahostkonflikt | |
| zu kommentieren? Anscheinend reichte für „Palästina spricht“ der bloße | |
| Verdacht, der Antisemitismus von propalästinensischen Demos könnte | |
| angesprochen werden, um sich dem Gespräch zu entziehen. Stattdessen | |
| schlugen sie – anstelle einer palästinensischen Stimme – eine weitere | |
| jüdische Teilnehmerin vor. | |
| Eine Absurdität stellt auch die Reaktion des Festivals auf die Absage dar. | |
| Statt das moderierte Gespräch mit den restlichen Teilnehmenden zu führen, | |
| wurde die gesamte Veranstaltung abgesagt, mit der Begründung, nun gäbe es | |
| ein „Ungleichgewicht auf dem Podium“. Den Anspruch auf „Gleichgewicht“ | |
| hatte das Festival jedoch nicht, als „Palästina spricht“ ein eigener Slot | |
| im Programm eingeräumt wurde, ohne Möglichkeit zu kritischen Nachfragen. | |
| Die Veranstalter*innen sind nun „wütend“, dass mit der Absage des | |
| Panels keine jüdische Stimme sprach, wollen aber keine Verantwortung dafür | |
| übernehmen. Das Versprechen „Wir lassen uns weder spalten noch hören wir | |
| auf, im Dialog zu bleiben!“ scheint eine leere Hülse zu sein. | |
| Mein persönliches Fazit ist ernüchternd: Es ist traurig, dass wir innerhalb | |
| linker Räume – als linke Palästinenser*innen, linke Jüdinnen und Juden und | |
| anderen – nicht einmal in der Lage sind, miteinander zu sprechen. Bevor wir | |
| den beteiligten Konfliktparteien in Nahost Dialog und Versöhnung predigen, | |
| sollten wir uns künftig erst einmal an die eigene Nase fassen. | |
| 14 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Meron Mendel | |
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