# taz.de -- EU-Gelder für Türkei und Westbalkan: Milliarden für die EU-Kandi… | |
> Mit dem Finanzpaket will Brüssel die Türkei und den Westbalkan an sich | |
> heranführen. Im Gegenzug sollen diese vermehrt Flüchtlinge fernhalten. | |
Bild: Syrische Kinder im Flüchtlingslager Athme nahe der türkischen Grenze im… | |
Brüssel taz | Die Türkei kann auch künftig mit Finanzspritzen aus Brüssel | |
rechnen. Sie sollen das Land an die EU heranführen und die türkische Hilfe | |
bei der Abschottung Europas vor Flüchtlingen finanzieren. Dies geht aus dem | |
Entwurf für die so genannte Heranführungshilfe hervor, auf den sich die | |
EU-Staaten mit dem Europaparlament am Mittwochabend geeinigt haben. | |
Bis Ende 2027 stehen demnach rund 14,2 Milliarden Euro für die Vorbereitung | |
auf den EU-Beitritt zur Verfügung. Neben der Türkei sollen auch die | |
Balkanstaaten Albanien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Kosovo sowie | |
Bosnien-Herzegowina von den Hilfen profitieren. Sie genießen eine | |
offizielle Beitrittsperspektive. Die EU-Kommission sprach von einem | |
positiven Signal, EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi von „einer | |
soliden Investition auch in die Zukunft der EU“. | |
Allerdings wirft die Einigung, die noch in Rechtsform gegossen und dann vom | |
EU-Ministerrat und vom Parlament gebilligt werden muss, zahlreiche Fragen | |
auf. So hatte sich das Europaparlament zuletzt mehrfach äußerst kritisch | |
zur Türkei und ihrer Beitrittsperspektive geäußert. Im Gasstreit mit | |
Griechenland und Zypern wäre es im vergangenen Jahr fast zu einem | |
Militärkonflikt gekommen. | |
Die größte Fraktion EVP, der auch CDU/CSU angehören, hatte sich deshalb für | |
ein Ende der Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen. De facto | |
liegen die Verhandlungen schon seit Jahren auf Eis. Dennoch stimmten alle | |
großen Parlamentsfraktionen nun dem Finanzpaket zu – und damit auch einer | |
Fortsetzung der Beitrittsgespräche. | |
## Gelder an Reformanstrengung gebunden | |
Dahinter steht die Hoffnung, dass die Auszahlung stärker als bisher an | |
EU-Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gebunden wird. Der | |
Ministerrat und die EU-Kommission betonten, dass die Gelder auf Grundlage | |
der realen Reformanstrengungen zugewiesen werden sollen – bloße | |
Ankündigungen sollen dann nicht mehr ausreichen. | |
Damit könnte [1][die Türkei stärker als bisher] motiviert werden, sich um | |
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu bemühen, heißt es in Brüssel. | |
Zuletzt hatte Ankara im März jedoch [2][die sogenannte Istanbul-Konvention | |
gekündigt, die die Rechte der Frauen absichern soll]. Bei einem Besuch von | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im April in Ankara kam es | |
deshalb sogar zu einem Eklat. Angedrohte Sanktionen wurden zunächst nicht | |
umgesetzt, stattdessen gab es grünes Licht für die Vorbereitungen zur | |
Ausweitung der Zollunion zwischen EU und Türkei, Prüfung visafreier Reisen | |
türkischer Bürger in die EU und einer Neuauflage des | |
EU-Türkei-Flüchtlingspaktes. | |
Unklar ist auch, wie viel Geld aus dem EU-Topf für Flüchtlinge | |
beziehungsweise für deren Abwehr vorgesehen ist. Die EU-Kommission wollte | |
sich darauf auf Nachfrage nicht äußern. Die Details müssten noch | |
ausgearbeitet werden, hieß es in Brüssel. Mit dem endgültigen Beschluss | |
werde erst im Herbst gerechnet. | |
In den letzten Jahren hatte die EU die Türkei mit vielen Milliarden Euro | |
dabei unterstützt, syrische Flüchtlingen im Land zu halten – und sie so an | |
der Weiterreise nach Europa zu hindern. Auch den Westbalkan will die EU auf | |
den „Schutz“ vor unerwünschten Flüchtenden einschwören. Vor allem Kosovo | |
und Bosnien-Herzegowina sollen mehr tun. | |
## Mehr Klima- und Umweltschutz | |
Die Einigung enthält jedoch auch weniger fragwürdige Aspekte. Man wolle die | |
Kandidatenländer auch auf mehr Klima- und Umweltschutz verpflichten, heißt | |
es im Europaparlament. „Wir wollen die demokratische, normative und | |
sozioökonomische Transformation der Beitrittsländer fördern“, sagte | |
Parlamentsberichterstatter Tonino Picula. | |
Der deutsche CDU-Politiker David McAllister sprach von „exzellenten | |
Nachrichten“. Der EU-Erweiterung komme strategische Bedeutung zu, die | |
EU-Hilfen müssten auch der Überwindung der Coronapandemie und ihrer Folgen | |
dienen. Andernfalls, so die Sorge, könnten sich noch mehr Menschen als | |
bisher auf den Weg nach Europa machen. | |
3 Jun 2021 | |
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[1] /EU-Spitzen-in-der-Tuerkei/!5759051 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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