| # taz.de -- Abrechnungsbetrug von Testzentren: Lücken ausgenutzt | |
| > Corona-Testzentren sollen kostenfreie Bürgertests falsch abgerechnet | |
| > haben. Doch für Kontrollen fühlt sich niemand richtig verantwortlich. | |
| Bild: 18 Euro bekommen die Zentren pro Test: Mit Negativergebnis haben Bürger:… | |
| Berlin taz | Corona-Testzentren sprießen gerade in allen Städten wie Pilze | |
| aus dem Boden. Die kostenlosen Testmöglichkeiten bieten den Bürger:innen | |
| nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch neue Freiheiten. Mit einem | |
| negativen Testergebnis ist schließlich wieder ein Besuch im Stadion möglich | |
| oder im Biergarten. Mindestens 15.000 Testzentren gibt es mittlerweile in | |
| ganz Deutschland, das gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte | |
| April bekannt, mittlerweile sind es noch mehr. | |
| Die Voraussetzungen, ein Testzentrum zu eröffnen, sind nicht besonders | |
| hoch. Im Internet finden sich leicht Webseiten, die dabei Unterstützung | |
| anbieten. Die Räumlichkeiten sollen im besten Fall einen Ein- und Ausgang | |
| haben und gut belüftet werden können. Nicht-medizinisches Personal kann | |
| schnell geschult werden, um die Abstriche in Rachen und Nase durchzuführen. | |
| Die Zulassung erfolgt über das jeweilige Gesundheitsamt. | |
| Nun legt [1][eine Recherche der Süddeutschen Zeitung, dem WDR und dem NDR] | |
| nahe, dass manche Testzentren im großen Stil abzocken. Es scheint ein | |
| lukratives Geschäft zu sein. Pro Bürgertest können die Testzentren bis zu | |
| 18 Euro für die Testung und das Material abrechnen. Und sie haben offenbar | |
| leichtes Spiel. Dem Bericht zufolge müssen Betreiber:innen von | |
| Testzentren nicht einmal nachweisen, dass Tests gekauft und durchgeführt | |
| wurden. Es reiche, die Anzahl der Getesteten an die Kassenärztlichen | |
| Vereinigungen zu melden. Diese bekommen das Geld dann aus Steuermitteln | |
| erstattet. | |
| In mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen zählten die Journalist:innen | |
| des Recherchenetzwerks tageweise, wie viele Besucher:innen im | |
| Testzentrum auftauchten und glichen diese Zahlen mit den tatsächlich | |
| gemeldeten Zahlen ab. Das Ergebnis: In Gievenbeck wurden zum Beispiel in | |
| einem von der Medi Can GmbH betriebenen Testzentrum an einem Tag während | |
| der gesamten Öffnungszeit über hundert Menschen gezählt – tatsächlich | |
| gemeldet wurden dem NRW-Gesundheitsministerium für diesen Tag aber 422 | |
| getestete Menschen. | |
| ## Firma ist jetzt gesperrt | |
| Bei dem Betreiber Medi Can scheint das System zu haben. In einem | |
| Testzentrum in Köln zählte das Recherche-Netzwerk an einem Tag 80 Personen, | |
| gemeldet wurden aber 977. Der Inhaber erklärte laut Bericht, dass „die | |
| Testungen in einigen Städten mit mehreren Standorten auch zusammengefasst | |
| übermittelt werden“. Dies erfolge „in Absprache mit den Behörden“. Die | |
| Städte dementierten das allerdings. In Münster darf die Firma nun nicht | |
| mehr weiter testen. | |
| Dass offenbar so leicht gepfuscht werden kann, liegt wohl an der | |
| [2][Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums] und dem | |
| beabsichtigten Datenschutz. In der Testverordnung heißt es: „Die zu | |
| übermittelnden Angaben dürfen keinen Bezug zu der getesteten Person | |
| aufweisen.“ Das heißt, dass die Namen und Daten der getesteten Personen | |
| nicht an die Kassenärztliche Vereinigung übermittelt werden dürfen. | |
| Dafür, dass derzeit in großem Stil getestet und abgerechnet wird, scheint | |
| das Geschäft eine große Blackbox zu sein. Die wenigsten Bundesländer können | |
| überhaupt sagen, wie viele Tests tatsächlich durchgeführt werden. Zudem | |
| scheint sich niemand verantwortlich zu fühlen, die Angaben der Testzentren | |
| auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. | |
| ## Kontrollen nachträglich möglich | |
| Das Bundesgesundheitsministerium verwies am Freitag auf die Möglichkeit | |
| nachträglicher Kontrollen. „Sowohl die Anbieter von Testleistungen als auch | |
| die Kassenärztlichen Vereinigungen haben alle Daten, die für die Kontrolle | |
| der korrekten Leistungserbringung und Abrechnung erforderlich sind, bis zum | |
| 31. Dezember 2024 aufzubewahren“ teilte Sebastian Gülde aus dem | |
| Bundesgesundheitsministerium der taz mit. | |
| Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) führten die Abrechnung nach der | |
| Testverordnung durch und prüften dabei die Vollständigkeit der | |
| erforderlichen Abrechnungsangaben und die Einhaltung der Formvorgaben. | |
| Diese könnten die Rechnungen also auf Plausibilität prüfen, sagte der | |
| Ministeriumssprecher. „Stimmt die Anzahl der abgerechneten Testungen | |
| beispielsweise nicht mit der Anzahl der beschafften Schnelltests überein, | |
| ist die Abrechnung nicht plausibel und kann zurückgewiesen werden“ erklärte | |
| Gülde. | |
| Wenn sich Anhaltspunkte für Abrechnungsbetrug ergeben, könnten die | |
| Fehlverhaltensstellen der KVen den Sachverhalt auf mögliche rechts- bzw. | |
| zweckwidrige Finanzmittelverwendungen prüfen. Sollte sich dann der Verdacht | |
| einer strafbaren Handlung erhärten, sei die KV verpflichtet, unverzüglich | |
| die Staatsanwaltschaft zu unterrichten, so der Sprecher. | |
| ## Rechnungen weitergeleitet | |
| „Wir spielen hier nur eine Nebenrolle, denn wir haben keine | |
| Kontrollfunktion“, sagte Roland Stahl, der Pressesprecher der | |
| Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hingegen der taz und weist die | |
| Verantwortung von sich. „Nach der Testverordnung des Bundes dürfen wir | |
| keine Personendaten prüfen. Wir gucken nur, ob die Rechnungen formal | |
| richtig sind und leiten das Ganze weiter an das | |
| Bundesgesundheitsministerium.“ Zu prüfen, ob die Testzentren korrekt | |
| arbeiten, sei Aufgabe der Gesundheitsämter. „Ich kann mir aber gut | |
| vorstellen, dass das aufgrund der schieren Masse an Testzentren nur schwer | |
| möglich ist“, sagte Stahl. | |
| Heiko Haffmans vom Pressereferat des Gesundheitsministeriums in | |
| Nordrhein-Westfalen sieht ganz klar den Bund in der Verantwortung: „Das | |
| Verfahren der Bürgertestungen und insbesondere auch die Finanzierung ist | |
| nicht durch Landesrecht, sondern durch Bundesrecht geregelt. Das bedeutet: | |
| Die Kassenärztlichen Vereinigungen rechnen die Tests mit dem Bund ab“, | |
| sagte er der taz. | |
| Unabhängig davon habe das Land NRW aber in seiner Teststrukturverordnung | |
| Kontrollmöglichkeiten geschaffen, erklärte Haffmanns. Darin heißt es etwa: | |
| „Um die im Rechtsverkehr von Personen verwendeten Testzeugnisse im | |
| Bedarfsfall überprüfen zu können, stellen die Testzentren und Teststellen | |
| sicher, dass die von ihnen gemeldeten und abgerechneten Testungen | |
| einschließlich Befund und, soweit möglich, auch die Testpersonen anhand von | |
| Listen oder sonstigen Unterlagen im Überprüfungsfall nachgewiesen werden | |
| können. Hierzu sind mindestens der Name, die Anschrift und das Geburtsdatum | |
| der getesteten Personen zu erheben und für mindestens ein Jahr | |
| aufzubewahren.“ Ob diese Kontrollmöglichkeiten nun genutzt werden, liege | |
| aber „in der Hand der Abrechnungsstellen.“ | |
| 28 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-testzentrum-medican-abrechnung-n… | |
| [2] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C… | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
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