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# taz.de -- Coronatest-Skandal mit Jens Spahn: Rausreden für Dummies
> Beim Coronatest-System zu betrügen, ist erschreckend einfach – und Spahn
> in der Bredouille. Gut, dass er sich rauszureden weiß – und wir jetzt
> auch.
Bild: Meister der Ausreden: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Blumenstrauß vergessen? Klassenarbeit vermasselt? Vorfahrt genommen? Nicht
immer können wir Fehler vermeiden. Entscheidend, wenn es Ihnen mal wieder
passiert ist: eine Kommunikationsstrategie, die Ihre Verantwortung effektiv
verschleiert. Ein Vorbild können sich Laien bei [1][Gesundheitsminister
Jens Spahn] nehmen, der sich im Laufe der Coronapandemie eine fundierte
Fehlerkompetenz angeeignet hat.
[2][Nachdem ARD-Recherchen] aufgezeigt haben, wie leicht Betrüger*innen
das von ihm verantwortete Coronatest-System ausnutzen können, ging der
CDU-Politiker medial in die Offensive. Bei Anne Will machte er am
Sonntagabend vor, wie auch Sie sich in fünf einfachen Schritten aus selbst
verschuldeten Pannen rausreden können.
1. Think positive
Jemand hält Ihnen Ihre Fehler vor? Halten Sie ihm entgegen, was Sie alles
richtig gemacht haben. „Wir haben jetzt über 15.000 Teststellen in
Deutschland, wo es im Alltag für ganz viele dazugehört, sich regelmäßig
testen zu lassen. Das ist ja erst mal was, was pragmatisch gut erreicht
worden ist“, sagt Spahn bei Anne Will. Hilft auch, wenn Sie mal wieder
Ihren Hochzeitstag vergessen: „Zunächst einmal sollten wir das Erreichte
würdigen: Wer hätte gedacht, dass wir mal zwanzig Jahre lang verheiratet
sein werden?“
2. Fehler wegdefinieren
Noch besser: Immunisieren Sie sich von vornherein gegen Kritik. „Es geht
nicht um Fehler. Ich habe mir eines angewöhnt in dieser Pandemie: Egal, was
ich entscheide oder nicht entscheide: Es wird immer von einigen als Fehler
genommen“, sagt Spahn. Praktisch: Wenn schon der Vorwurf eines Fehlers
belegt, dass es gar keine Fehler gibt, können Sie selbst keine Fehler
gemacht haben. Analog dazu meist hilfreich: „Dir kann ich es eh nie recht
machen.“
3. Kleinmachen
[3][Warum die Testverordnung keine Maßnahmen vorsieht], die Betrug
erschweren? Weil Betrüger*innen immer betrügen. „Wo kriminelle Energie
ist, wo jemand betrügen will, wird jemand betrügen.“ Mit vermeintlicher
Machtlosigkeit können Sie jeden Vorwurf parieren. Was Sie nicht verhindern
können, kann Ihnen niemand vorwerfen. Funktioniert im Zweifel auch bei
Problemen im Straßenverkehr. Warum sind Sie ohne Licht gefahren? „Mal
ehrlich, Frau Wachtmeister: Unfälle passieren. Das wird man nie ganz
verhindern können.“
4. Nicht zu genau nehmen
[4][Die Betrugsanfälligkeit des Testsystems] ist aufgefallen, weil
Journalist*innen recherchiert haben. Sie haben die Kontrollen
durchgeführt, auf die der Staat verzichtet. Als Verantwortlicher sollten
Sie das nicht offen kommunizieren.
Nutzen Sie lieber Satzkonstruktionen, die entscheidende Akteure
unterschlagen. „Das Gute ist ja: Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es ist
aufgefallen, schon nach wenigen Wochen“, sagt Spahn. Können
Schüler*innen auch nach einer Fünf im Diktat probieren: „Das Tolle ist:
Kein Fehler wurde übersehen!“
5. Strohmänner aufbauen
Hilft in jeder Diskussion und eignet sich zur Schuldabwehr: Widerlegen Sie
Argumente, die Ihr Gegenüber gar nicht vorgetragen hat. Widersprechen Sie
einem Generalverdacht, den niemand erhoben hat. „Wir müssen jetzt ein
bisschen aufpassen, dass wir aus den bekanntgewordenen Einzelfällen nicht
alle, die Testangebote machen, über einen Kamm scheren“, sagt Spahn.
Wirkt solidarisch und dadurch sympathisch; könnten Regierungsparteien auch
noch im Wahlkampf gebrauchen: „Wir sollten trotz allem nicht so tun, als ob
das gesamte Kabinett in der Pandemie eine schlechte Figur gemacht hätte.“
31 May 2021
## LINKS
[1] /Rassistisches-Framing-der-Pandemie/!5770016
[2] https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/corona-schnelltest-zentren-101.h…
[3] /Abrechnungsbetrug-von-Testzentren/!5775596
[4] /Corona-Bekaempfung-in-Berlin/!5771545
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Jens Spahn
CDU
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Kolumne Die Nafrichten
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