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# taz.de -- Streit um Minister Jens Spahn: 26 Fakten zum Maskenstreit
> Wollte der Gesundheitsminister tatsächlich minderwertige Masken an
> Obdachlose und behinderte Menschen verteilen, wie die SPD behauptet?
Bild: Masken-Krise: Spahn bei einer Pressekonferenz im Mai in Berlin
Um welche Art von Masken geht es?
Um die Art, die zu Beginn der Pandemie Mangelware war, sich inzwischen aber
durchgesetzt hat: partikelfiltrierende Halbmasken. Sie sind meist weiß,
bedecken Nase, Mund und Kinn und bestehen aus filterndem Material.
Aha, FFP2-Masken?
Nein. Der Name hat sich zwar im Sprachgebrauch für alle Masken dieser Art
durchgesetzt. Genau genommen bezeichnet er allerdings nur Masken, die den
EU-Normen entsprechen, also nach einem DIN-Verfahren getestet wurden und
mindestens 94 Prozent der Aerosole in der Umgebungsluft aufhalten können.
Sie erhalten dann den Aufdruck „CE“ und „FFP2“.
Ist diese DIN-Prüfung streng?
Ja, [1][die Vorgaben umfassen 10 Kapitel auf 37 Seiten]. Der Test ist
relativ aufwendig.
Das ist in einer Pandemie aber unpraktisch, oder?
Ja. Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 gab es auf dem Weltmarkt zu
wenig Masken, in Deutschland wurden kaum welche hergestellt. Die EU-Staaten
mussten schnell große Mengen besorgen und haben vor allem in China viele
Bestellungen aufgegeben. Das Problem: Viele davon waren noch nicht nach der
DIN-Norm getestet und damit nicht für den europäischen Markt zugelassen.
Sie waren höchstens nach chinesischer Norm geprüft und hatten in dem Fall
das Kennzeichen „KN95“.
Kann man da nicht ein Auge zudrücken?
Kann man. Die EU-Kommission [2][hat den Mitgliedstaaten im März 2020
erlaubt], vorübergehend auch Masken zuzulassen, die nicht DIN-geprüft sind
– sofern die Sicherheit anderweitig garantiert wird.
Wie denn?
Für Masken, die Unternehmen in Deutschland auf den Markt bringen wollten,
haben die Bundesländer zusammen ein Schnellverfahren entwickelt. Es basiert
auf der DIN-Prüfung, ist aber deutlich abgespeckt. Die Vorgaben dafür,
[3][die im Internet öffentlich abrufbar sind], umfassen nur acht Seiten.
Die Tester müssen unter anderem an der Maske schnüffeln, sie ein paar Mal
auf- und abziehen und im Labor die Durchlässigkeit mit Kochsalzlösung
prüfen. Masken, die den Test bestanden haben, tragen den Titel „CPA-Maske“.
Und das gilt immer noch?
Nein, seit Oktober 2020 ist für den Markt [4][wieder das umfangreiche
DIN-Verfahren vorgeschrieben]. Ab da waren nach Ansicht der Behörden
genügend Masken verfügbar, auch aus deutscher Produktion.
Und was hat denn nun Jens Spahn gemacht?
Auch [5][das Gesundheitsministerium hat ab März 2020 mit Hilfe von
Unternehmen Masken aus dem Ausland beschafft] – für staatliche Zwecke,
nicht für den freien Verkauf. Auch diese Masken waren selten DIN-geprüft
und mussten nachgetestet werden. Dafür entwickelte das Ministerium wiederum
ein eigenes Verfahren, das „CPI-Verfahren“. Es ist noch stärker abgespeckt
als das CPA-Verfahren.
Wie sieht es genau aus?
Gute Frage. Die genauen Vorgaben rückt das Gesundheitsministerium auch auf
Anfrage nicht raus. Als das Thema Ende letzter Woche hochkochte, hat das
Ministerium nur [6][in einem „Faktenblatt“] ein paar Angaben dazu gemacht.
Warum steht „Faktenblatt“ in Anführungszeichen?
Weil unklar ist, was darin wirklich Fakt ist. [7][Einigen Angaben haben
andere Stellen widersprochen.]
Was weiß man denn sicher?
Im CPA-Verfahren müssen die Masken zu Beginn des Tests für 24 Stunden bei
70 Grad gelagert werden. Im CPI-Verfahren fehlt dieser Schritt.
Ist dieser Schritt wichtig?
Spahns Leute sagen: Nein. Im Papier des Gesundheitsministeriums steht:
Relevant ist das nur für den Einsatz in „einzelnen Bereichen des
Arbeitsschutzes“. Im Pandemiealltag gebe es solche Temperaturen aber nicht.
Und was sagen andere?
Das SPD-geführte Sozialministerium sagt, Zweck der Erhitzung sei es, die
Masken vorzualtern. Dadurch solle getestet werden, ob sie auch noch
ausreichend filtern, nachdem sie längere Zeit unter schlechten Bedingungen
transportiert oder gelagert wurden. Außerdem gibt das Ministerium an, dass
unter anderem Expert*innen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
(DGUV) den Schritt für „zwingend erforderlich“ erachten würden. Auf
taz-Anfrage bestätigt die DGUV das nicht. Weil die genauen Prüfregeln nicht
öffentlich vorliegen, könne man sie überhaupt nicht abschließend bewerten.
Generell gelte aber: Je mehr Schritte fehlen, desto weniger Garantie gibt
es für die Sicherheit.
Gibt es noch mehr Unterschiede zwischen den beiden Prüfverfahren?
Ja. Im CPA-Verfahren gibt es wie in der DIN-Prüfung eine
Gebrauchssimulation. Mithilfe einer Maschine werden die Masken 20 Minuten
lang mit feuchtwarmer Luft beatmet. So soll geprüft werden, ob sie nach
kurzer Nutzung noch dicht genug sind.
Und das fehlt im CPI-Verfahren?
Ja. Im „Faktenblatt“ schreibt das Ministerium nur, dass die durch diesen
Schritt „gestellte Anforderung“ anderweitig berücksichtigt werde – durch
eine „Prüfung der Hydrophobie“.
Hä?
Berechtigte Frage. Wir haben das Ministerium gefragt, wie dieser
Prüfschritt aussieht. Leider antwortet es nicht.
Wo sind diese CPI-Masken jetzt?
[8][Laut Gesundheitsministerium gingen 230 Millionen] an die Bundesländer.
150 Millionen wurden als Reserve eingelagert. Zudem – das steht [9][in der
Antwort auf eine Grünen-Anfrage] aus dem Mai – habe man CPI-Masken an
Dienststellen der Bundesregierung, Kassenärztliche Vereinigungen,
Pflegeheime, Asylunterkünfte sowie Einrichtungen für Wohnungslose und
Behinderte geschickt. Ob sie dort für das Personal oder für Klient*innen
gedacht waren, beantwortet das Ministerium auf Anfrage nicht.
Wie viele CPI-Masken gingen an diese Einrichtungen?
Das haben wir das Ministerium ebenfalls gefragt – auch vergeblich.
Und wann wurden sie verteilt?
Zunächst ab März 2020, also zu einem Zeitpunkt, als es wirklich nicht
genügend Masken gab, die umfangreich getestet waren. Das Ministerium hat
CPI-Masken nach eigenen Angaben aber auch noch im Herbst 2020 und sogar
Anfang 2021 verteilt. Bis Ende Januar gingen laut der Antwort auf die
Grünen-Anfrage Lieferungen unter anderem an das Personal von
Pflegeeinrichtungen. Auf dem Markt gab es zu diesem Zeitpunkt schon
genügend umfangreich geprüfte Masken.
Sind die CPI-Masken nun wirklich schlechter als CPA- oder gar FFP2-Masken?
Oder sind sie nur schlechter getestet?
Es gibt Indizien dafür, dass zumindest ein Teil von ihnen schlecht ist.
[10][Die Zeit hat in der vergangenen Woche] Masken, die das Ministerium an
Pflegeheime geschickt hatte, in einem Labor selbst prüfen lassen. Das
Ergebnis: „Die Masken waren so schlecht, dass die Technikerin die üblichen
Tests schon nach wenigen Minuten abbrechen konnte.“ Bei der Prüfung mit
Kochsalzlösung ließen die Masken demnach 44 Prozent der Partikel durch –
statt der bei FFP2-Masken verlangten maximal 6 Prozent.
Im Winter hat es dann so richtig zwischen Gesundheits- und
Arbeitsministerium gekracht – korrekt?
Ja, das [11][hat der Spiegel berichtet] und damit die aktuelle Diskussion
angestoßen. Beide Seiten bestätigen den Vorgang. Erneut sollten Masken an
Einrichtungen der Obdachlosen- und Behindertenhilfe gehen, diesmal offenbar
explizit für deren Klient*innen. Das Gesundheitsministerium hat dafür die
CPI-Masken vorgeschlagen. Das Sozialministerium verlangte, sie erst
ordentlich nachzuprüfen. Weil das zu lange gedauert hätte, lieferte der
Bund am Ende einfach FFP2-Masken. Davon gab es mittlerweile ja genug.
Die CPI-Masken wurden stattdessen eingelagert?
Ja, in die nationale Reserve für die nächste Pandemie oder einen anderen
Anlass.
Mit Zustimmung der SPD?
Ja. [12][Allerdings sagt die:] Bevor sie dort wieder rauskommen, müssen sie
gründlich nachgeprüft werden. Wahrscheinlich läuft vorher aber die
Mindesthaltbarkeit ab und sie werden weggeschmissen.
Was fordert die SPD jetzt?
Relativ unverblümt: den Rausschmiss von Gesundheitsminister Spahn.
Was entgegnet die CDU?
[13][Dass die Masken gut waren], Spahn nichts falsch gemacht hat und die
SPD eine unfaire Wahlkampfkampagne fahre.
Und wer hat recht?
Das können Sie am besten selbst beurteilen. Die Fakten haben Sie jetzt
parat.
10 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.gehring-group.com/sites/default/files/pdf/din_en149_norm-de-ww.…
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32020H0403
[3] https://www.zls-muenchen.de/Corona/Atemschutzmasken/200602_Pruefgrundsatz%2…
[4] https://www.zls-muenchen.de/Corona/index.htm
[5] /Buerokratie-in-Deutschland/!5773281
[6] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faktenblatt-schutzm…
[7] /Vorwuerfe-gegen-Gesundheitsministerium/!5773041
[8] https://youtu.be/inXyKdiR-FA?t=1462
[9] http://www.klein-schmeink.de/data/user/PDF-Dokumente/Kleine_Anfragen/2021/A…
[10] https://www.zeit.de/2021/23/corona-masken-bmg-jens-spahn-schutzmasken-pfle…
[11] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-so-will-jens-spahn-unbra…
[12] https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7526318#url=bWVkaWF0aGVrb3Zlcmx…
[13] https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7526328#url=bWVkaWF0aGVrb3Zlcmx…
## AUTOREN
Tobias Schulze
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