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# taz.de -- Hochschulreform in China gestoppt: Unpolitische Uniproteste
> An mindestens zehn Hochschulen in Ostchina haben Studierende gegen die
> Autoritäten aufbegehrt. Ihre Aktionen waren erfolgreich.
Bild: Keine Demo, sondern Abiturienten nach dem Eingangstest („Gaokao“) an …
Peking taz | Mit Knüppeln wollen sich die Polizisten durch die Menge den
Weg ins Auditorium prügeln, doch die Studierenden halten mit Parolen und
ihrer Körpern dagegen. Es sind seltene Einblicke, die Dutzende Zeugen
letzte Woche in Chinas sozialen Medien als Kurzvideos hochluden: Denn
Demonstrationen sind in der Volksrepublik selten.
Doch nicht nur an der Pädagogischen Universität Nanjing lehnten sich junge
Chinesen gegen die Staatsgewalt auf, sondern an mindestens zehn weiteren
Hochschulen in den ostchinesischen Provinzen Jiangsu und Zhejiang. Wie hart
es dabei zuging, zeigt eine Meldung der Polizei: Demnach hätten Studierende
in der Stadt Danyang ihren Rektor 30 Stunden lang „illegal festgehalten“.
Auslöser war eine geplante Bildungsreform der Zentralregierung: Die
betroffenen Hochschulen sollten mit berufsbildenden Schulen fusionieren.
Gesamtgesellschaftlich würde das sicher Sinn ergeben, schließlich werden
derzeit an Chinas Universitäten laut Experten zu viele nichtakademische
Berufe ausgebildet, während es einen Mangel an klassischen
Ausbildungsberufen gibt. Doch für die betroffenen Hochschulen wäre die
Reform eine hierarchische Herabstufung.
Die protestierenden Studierenden treibt die Angst um, dass mit der Reform
ihr Abschluss auf dem Arbeitsmarkt weniger wert ist. Sie fürchten um ihre
Privilegien, für die sie beim Gaokao, dem Universitätseingangstest,
jahrelang gearbeitet und später auch gezahlt haben.
## Geht es um Alltagsprobleme, ist die KP toleranter
Denn die Hochschulen, an denen protestiert wurde, richten sich vor allem an
diejenigen Schulabgänger, deren Gaokao-Punkte nicht für eine renommierte
Universität gereicht haben. Für viel höhere Studiengebühren als an den
staatlichen Unis können sie auch an den sogenannten unabhängigen
Hochschulen einen regulären Bachelor-Abschluss erwerben.
Es mag verwundern, dass Chinas Staatsgewalt überhaupt Proteste an den Unis
duldet. Schließlich gilt die Studentenbewegung vom Tiananmen-Platz, die vor
32 Jahren blutig niedergeschlagen wurde, als kollektiver Albtraum.
Spätestens unter Xi Jinping – Chinas autoritärstem Führer seit Mao Tse-tung
– gehen die Autoritäten gegen sämtliche Bereiche der Zivilgesellschaft vor.
Proteste werden nicht geduldet – es sei denn, sie sind im Interesse des
Regimes. Beim Protest gegen westliche Modemarken wegen deren
Xinjiang-Baumwollboykotts war dies etwa zuletzt der Fall.
Doch abseits des streng Politischen duldet die KP Ausnahmen: Geht es um
Alltagsprobleme der Menschen, die nicht die Legitimität des Systems oder
nationale Kerninteressen tangieren, gibt es etwas Freiraum.
Bei Zwangsräumungen durch Immobilienprojekte ist dies manchmal der Fall
oder auch bei Bildungsanliegen, die in China hohen Stellenwert genießen.
Besonders für nicht privilegierte Familien wird Universitätsbildung als
einzige Möglichkeit des sozialen Aufstiegs wahrgenommen.
## Parteiblatt spricht von Fusions-Fiasko
Selbst die ultranationalistische Global Times, die oft über die Parteilinie
hinausschießt, berichtet geradezu verständnisvoll über die Anliegen der
Studierenden und spricht von einem „Fusions-Fiasko“. Das vielleicht
erstaunlichste an den Studentenprotesten ist: Auch wenn die Polizei laut
eigenen Angaben wieder „Ordnung auf dem Campus“ hergestellt hat, war der
Protest erfolgreich.
Die Zentralregierung hat die Bildungsreform in mehreren Landesteilen
vorerst gestoppt – offenbar wegen des öffentlichen Drucks. Doch zeigte sich
auch: Wird in China demonstriert, geht es keineswegs um idealistische Ziele
wie Menschenrechte, sondern stets um Angst vor dem Verlust von Privilegien.
16 Jun 2021
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Xi Jinping
Bildung
Studentenproteste
KP China
Studiengebühren
Arbeitsbedingungen
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