# taz.de -- 40 Jahre Grüne im Abgeordnetenhaus: Das Parlament war Spielbein | |
> Schön war’s 1981, als die Grünen ins Berliner Landesparlament einzogen. | |
> Heute möchte man manchmal fragen: Waren und sind die noch in derselben | |
> Partei? | |
Bild: Berlins Grüne Spitzenkandidatin heute: Bettina Jarasch | |
Feiern in Zeiten des Wahlkampfs haben immer etwas Selbstbeweihräucherndes. | |
Erst recht, wenn es um die Grünen geht. Die Wahl in Sachsen-Anhalt hat den | |
grünen Höhenflug gestoppt, und im Spiegel schreibt Kolumnistin Bettina | |
Gaus, das sei es dann wohl gewesen mit der Kanzlerinnenschaft von Annalena | |
Baerbock. | |
Aber man muss sich ja nicht selbst beweihräuchern, wenn man, wie die | |
Berliner Grünen, an die Zeit vor 40 Jahren zurückdenkt. Am 11. Juni 1981 | |
zogen neun Abgeordnete der Alternativen Liste (AL) ins Westberliner | |
Abgeordnetenhaus ein. Spielbein war das Parlament damals für die Neulinge, | |
das Standbein war fest verankert in der alternativen Szene – und auf den | |
Kreuzberger und Schöneberger Straßen, auf denen damals Geschichte | |
geschrieben wurde. | |
Es war ehrlich, dass Fraktionschefin Antje Kapek 40 Jahre später auch an | |
die Beinahe-Spaltung der Fraktion vor zehn Jahren erinnerte. Auf den | |
Höhenflug in den Umfragen und die vorzeitige Inthronisierung von Renate | |
Künast als Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin folgte | |
damals die mehr als unsanfte Landung. Klaus Wowereit hatte noch mal | |
aufgedreht und zeigte dann den Grünen die kalte Schulter, indem er mit der | |
CDU koalierte. Nicht nur wegen der A100, sondern auch wegen der Stabilität. | |
Da war es wieder, das Bild von den Grünen als unsicheren Kantonisten. | |
Und heute? Präsentiert Kapek mit Bettina Jarasch jene Grüne als | |
Heilsbringerin, die damals (mit Daniel Wesener) das Kunststück | |
fertiggebracht hatte, die tief zerstrittene Partei wieder zu einen. Soll | |
wohl heißen: Die Zeiten des Streits sind vorbei, wir gehen geschlossen in | |
den Wahlkampf. | |
Das glaube freilich, wer will. Bei der Aufstellung der grünen | |
Kandidatenliste hat der Parteitag einer möglichen Reala als | |
Regierungschefin mal eben eine Parlamentsfraktion ans Bein gebunden, die | |
mehrheitlich aus dem linken Lager stammt. Und das soll dann wohl heißen: | |
Pass bloß auf, dass du nicht zu viel Beinfreiheit verlangst, liebe Bettina, | |
denn sonst könntest du am Ende ausrutschen. | |
Auf der anderen Seite kommt das Misstrauen gegenüber dem pragmatischen | |
Flügel auch nicht von ungefähr. In Steglitz-Zehlendorf gab es bis vor einem | |
Jahr noch keine Milieuschutzgebiete. Brauchte halt die schwarz-grüne | |
Zählgemeinschaft im bürgerlichen Südwesten auch nicht für ihre Wählerinnen | |
und Wähler. | |
Konfliktpotenzial steckt in den Grünen noch immer – vielleicht sogar noch | |
mehr als in der SPD mit ihrer rechten Kandidatin und ihrem linken | |
Landesverband. Es verschafft sich nur nicht Luft, solange die Umfragewerte | |
stimmen. Beginnt mit Sachsen-Anhalt und Annalena Baerbock nun der grüne | |
Sinkflug, kann sich das schnell ändern. | |
Schön war’s trotzdem, damals 1981. Und auch immer etwas unkonventionell. | |
Einer der damaligen Novizen, Micha Wendt, hat als Baustadtrat einer | |
Neuköllner Besetzergruppe 1989 einen Tipp gegeben, wo es noch was zu holen | |
gibt. Heute verstecken sich Stadträte der Grünen wie in Pankow so sehr | |
hinter Paragrafen und ihrer Verwaltung, dass man fast schon fragen möchte: | |
Waren und sind die in derselben Partei? | |
12 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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