# taz.de -- Treffen von Biden und Putin in Genf: Bestenfalls etwas Deeskalation | |
> Gipfel in Genf: US-Präsident Biden trifft an diesem Mittwoch mit Putin | |
> zusammen. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist schwer belastet. | |
Bild: Bisher einzige persönliche Begegnung: Joe Biden und Wladimir Putin bei i… | |
BERLIN taz | „Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern entwickeln | |
sich gut.“ So bilanzierte Russlands Präsident Wladimir Putin sein erstes – | |
und bislang einziges – Treffen mit Joe Biden im März 2011 in Moskau. Der | |
heutige US-Präsident, damals Vize von Barack Obama, erinnerte sich weniger | |
freundlich an die Begegnung. „Ich schaue in Ihre Augen und denke, Sie haben | |
keine Seele“, habe er damals zu Putin gesagt. Dieser habe „zurückgeschaut, | |
gelächelt und erklärt: Wir verstehen einander.“ | |
Inzwischen [1][hat Biden in einem Interview der Bezeichnung Putins als | |
„Killer“] ausdrücklich zugestimmt. Wenn sich die Präsidenten nun am | |
Mittwoch in Genf treffen, wird die Atmosphäre mit Sicherheit keine | |
herzliche sein. Doch selbst wenn die persönliche Chemie zwischen Biden und | |
Putin stimmen würde: Angesichts der fast ausschließlich harten | |
Konfliktthemen, die auf der Gipfelagenda stehen, ist kaum mit konkreten | |
positiven Ergebnissen zu rechnen. | |
Die heftigsten Kontroversen sind beim Thema Ukraine zu erwarten. | |
Möglicherweise werden sie sogar noch verschärft durch die Erklärungen, die | |
der US-Präsident und die RegierungschefInnen der übrigen Natostaaten beim | |
[2][Gipfel der Militärallianz am Montag] in Brüssel abgegeben haben. | |
Auch die Haltung beider Seiten zur Lage in Belarus und der Streit um die | |
Nord-Stream-2-Pipeline dürfte für ein sehr schwieriges Gespräch sorgen. Auf | |
die von Biden bereits angekündigte Kritik an „Menschenrechtsverletzungen | |
der Moskauer Regierung“ gegenüber Oppositionellen im Inland wie im Exil | |
will Putin mit kritischen Fragen zum „Schutz der Rechte der Opposition in | |
den USA“ reagieren. Dies teilte sein Außenminister Sergej Lawrow mit, der | |
Putin nach Genf begleiten soll. | |
## Der Aufwand für das Treffen lohnt sich | |
Vorwürfe Bidens wegen russischer Cyberattacken, Desinformationskampagnen | |
oder Wahleinmischung in den USA und anderen westlichen Staaten dürfte Putin | |
wie bislang als „unbelegt“ und „falsch“ zurückweisen. | |
Unter diesen Voraussetzungen ist von dem Gipfel im besten Fall eine leichte | |
Deeskalation der derzeit feindlichen Beziehungen zwischen Moskau und | |
Washington zu erwarten, vielleicht auch die Ankündigung von | |
Nachfolgeverhandlungen für den im Februar ausgelaufenen „Start“-Vertrag zur | |
Begrenzung strategischer Atomwaffen. | |
Doch selbst das würde den großen Aufwand schon lohnen und könnte zumindest | |
mittelfristig zu einer Verbesserung der Beziehungen führen – so wie einst | |
in den Jahren nach dem Gipfeltreffen im November 1985 von Ronald Reagan und | |
Michail Gorbatschow, ebenfalls in Genf. | |
Kurz nach dem Gipfel kehrte die Sowjetunion in die Verhandlungen über ein | |
Verbot und die Verschrottung von Mittelstreckenraketen zurück, die sie nach | |
dem Beginn der Stationierung neuer US-Raketen in Westeuropa 1983 verlassen | |
hatte. 1987 unterzeichneten die beiden Präsidenten dann das Abkommen zum | |
vollständigen Verbot landgestützter atomwaffenfähiger Mittelstreckenraketen | |
(INF). | |
## „Der gute Geist von Genf“ | |
Seitdem wird „der gute Geist von Genf“ beschworen und gilt der Gipfel von | |
1985 als der Anfang vom Ende des Kalten Krieges. Für die erneute Auswahl | |
Genfs als Gipfelort sprachen aber vor allem politische und reiselogistische | |
Gründe. Moskau hatte zunächst ein „russlandfreundliches Natoland“ | |
vorgeschlagen. Laut russischen DiplomatInnen standen – in dieser | |
Reihenfolge – Budapest, Athen, Sofia und Bukarest auf der Moskauer | |
Wunschliste. | |
Doch ein Gipfel mit der antidemokratischen Regierung von Viktor Orbán als | |
Gastgeber kam für Biden nicht infrage und wäre auch in vielen | |
EU-Hauptstädten schlecht angekommen. Die drei Hauptstädte in Südosteuropa | |
wiederum wurden abgelehnt, weil ihre Wahl die Reisezeiten für den | |
US-Präsidenten deutlich verlängert hätte. Biden musste in den sechs Tagen | |
vor seinem Treffen mit Putin bereits nach Cornwall, London und Brüssel | |
reisen, zu den Gipfeln von G-7 und Nato sowie zu bilateralen Gesprächen mit | |
der britischen Regierung und der EU. | |
Reiselogistische Einwände gab es auch gegen Wien, für das der | |
österreichische Kanzler Sebastian Kurz geworben hatte, sowie gegen | |
Helsinki, das die russische Regierung der US-Administration nach der | |
Ablehnung der vier zuerst genannten Orte vorschlug. Gegen die finnische | |
Hauptstadt sprach in Washington zudem die dort – durchaus | |
parteiübergreifend – herrschende Wahrnehmung, Bidens Vorgänger Donald Trump | |
sei beim Helsinki-Gipfel 2017 von Putin „vorgeführt“ worden. | |
15 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bidens-Positionierung-gegenueber-Putin/!5755026 | |
[2] /Nato-Gipfel-in-Bruessel/!5778675 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
## TAGS | |
Joe Biden | |
Wladimir Putin | |
G7-Gipfel | |
Nato | |
Russland | |
USA | |
GNS | |
Homeschooling | |
G7-Gipfel | |
USA | |
Russland | |
Wladimir Putin | |
Nord Stream 2 | |
Joe Biden | |
Joe Biden | |
Wladimir Putin | |
USA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Homeschooling in Russland: Die russische Schulfreiheit | |
Lernen von zu Hause? Oft ein Graus, zeigt sich in der Pandemie. Aber nicht | |
für alle: Ein Besuch bei russischen Homeschooler*innen. | |
Treffen von Putin und Biden: Verkehrte Welt in Genf | |
Biden und Putin sprechen wieder. Das ist gut, doch die getrennten | |
Pressekonferenzen der beiden Mächtigen brachten einige Gewissheiten ins | |
Wanken. | |
Gipfeltreffen Biden und Putin: Erste Annäherungen in Genf | |
Beim ersten Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident | |
Wladimir Putin wurde mehr vereinbart, als zuvor erwartet worden war. | |
Gipfeltreffen von Biden und Putin: Kleine Gesten der Hoffnung | |
Niemand erwartet, dass beim ersten Treffen des neuen US-Präsidenten Joe | |
Biden mit Russlands Wladimir Putin viel herauskommt. Vielleicht trügt das. | |
Treffen von Biden und Putin: Wackelnde Basis, zerstörtes Netz | |
Am Mittwoch will Biden dem Kreml seine Grenzen aufzeigen. Der gibt sich | |
gelassen. Die gegenseitigen Vorwürfe kommen auf beiden Seiten nicht gut an. | |
Umstrittenes Projekt Nord Stream 2: Polen vereint gegen die Pipeline | |
Nord Stream 2 ist eine Bombe, sagt Hanna Gill-Piątek. Die polnische | |
Aktivistin und Parlamentarierin appelliert dazu, sie gemeinsam zu | |
entschärfen. | |
US-Präsident auf Europa-Tour: Feige und zu kurz gedacht | |
US-Präsident Biden will die demokratischen Länder hinter sich scharen, um | |
Peking vereint entgegenzutreten. Berlin sollte die Chance nutzen. | |
Besuch von Joe Biden in Europa: Den Weckruf nicht gehört | |
Europa hat es verpasst, sich von den USA zu emanzipieren. Viele | |
EU-Politiker sind aus der Zeit gefallen und schwärmen für ein Amerika, das | |
es nicht mehr gibt. | |
Opposition in Russland: Hilflose Floskeln | |
Vor den Dumawahlen im September hält Putin neue Maßnahmen gegen die | |
russische Opposition parat. Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, hat Europa | |
nicht. | |
Beziehungen zwischen Russland und USA: Vorsichtiges Abtasten | |
Erstmals treffen sich Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Amtskollege | |
Antony Blinken. Das Bemühen um Annäherung dominiert die Gespräche. |