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# taz.de -- Zukunft von Franziska Giffey: Aber für Berlin reicht's. Oder?
> Wegen ihrer Plagiatsaffäre tritt Franziska Giffey als Ministerin zurück.
> Spitzenkandidatin für die Wahl in der Hauptstadt will sie bleiben. Geht
> das? Ein Pro und Contra.
Bild: Will ins Rote Rathaus: Spitzenkandidatin Franziska Giffey beim Wahlkampfa…
## Ja,
Doktortitel entscheiden mit über berufliche Karrieren, der Entzug erst
recht. Die Unionspolitiker:innen Karl Theodor zu Guttenberg und
Annette Schavan sind prominente (Fall-)Beispiele. Ist Franziska Giffey
politisch noch tragbar? Ja! Giffeys [1][Verzicht auf das Amt der
Familienministerin] ist folgerichtig, der Verzicht auf die
Spitzenkandidatur als Berliner Bürgermeisterin wäre überzogen. Die
Wähler:innen und keine Uni sollten im September über die Karriere der
#Gutelaunepolitikerin entscheiden.
Denn Plagiat ist nicht gleich Plagiat. Guttenberg hatte praktisch seine
ganze Arbeit raubkopiert und zu Beginn der Affäre noch behauptet, die
Plagiatsvorwürfe seien abstrus. Auch bei Schavan fiel das Urteil der
Prüfungskommission eindeutig aus, sie habe „systematisch und vorsätzlich
über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgegeben“.
Für eine Wissenschaftsministerin fatal.
Der Fall Giffey ist komplexer. Die FU befand nach monatelanger Prüfung,
dass die Arbeit zwar Mängel aufweise, diese aber nicht den Entzug des
Titels rechtfertigten. Sie erteilte Giffey im Oktober 2019 eine Rüge, ein
Sanktionsinstrument, das so nicht vorgesehen ist. Weshalb der Fall erneut
aufgerollt wurde. Und voraussichtlich mit dem Entzug des Titels endet, auf
den Giffey schon verzichtet hatte. Ein taktisches Manöver, aber zumindest
kann niemand ihr vorwerfen, sie habe versucht, die Vorwürfe unter den Tisch
zu kehren. Ihr Rücktritt als Ministerin zeigt: Sie hat einen Fehler gemacht
und für diesen bezahlt sie.
Damit beweist sie mehr Rückgrat als mancher Verkehrspolitiker, der das
Parlament belügt, der Schadenersatzforderungen von einer halben Milliarde
Euro verantwortet. Und der dennoch einfach weitermacht.
Politiker:innen misst man am besten an ihrer Politik. Als
SPD-Spitzenkandidatin steht Franziska Giffey für eine
Law-and-Order-Politik, sie ist gegen höhere Hartz-IV-Sätze und einen
Mietendeckel. Genug Gründe, um der SPD und ihrer Spitzenfrau das Vertrauen
zu entziehen. Giffeys wissenschaftliche Verfehlungen sind dabei nicht der
entscheidende.
Anna Lehmann
## Nein,
Franziska Giffey hat bei ihrer Doktorarbeit kein dreistes Plagiat
abgeliefert wie Guttenberg. Aber ihr Text verletzt den wissenschaftlichen
Kanon. Und Giffey hat getan, was PolitikerInnen in Krisen immer tun: Sie
hat das Problem kleingeredet, taktiert – und dann scheinbar großherzig auf
den Doktortitel verzichtet, wohl wissend, dass dies PR in eigener Sache
war. Ihr Rücktritt als Ministerin soll nun konsequent wirken. Dabei sind
die Kosten für sie gleich null. Giffeys Chance, nach der Wahl
SPD-Ministerin zu bleiben, ist ja übersichtlich.
In ihrer Rücktrittserklärung behauptet Giffey steif und fest, ihre
Doktorarbeit „nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben“ zu haben und
bekundet, die anstehende Aberkennung ihres Titels „zu akzeptieren“. Wie
generös. Keine Demut, keine Entschuldigung bei ihrer Partei, noch nicht mal
etwas unverbindliche Zerknirschung. Wer so redet, glaubt, im Recht zu sein.
Bei der Doktorarbeit zu [2][schummeln], erscheint als lässliche Sünde, wie
falsch parken. Kann doch jeder mal passieren.
Ausgerüstet mit diesem granitharten Unschuldsbewusstsein, will Giffey bald
Berlin regieren. Die SPD hat eine Spitzenkandidatin, die nicht nur gegen
den Mietendeckel und für eine Pro-Auto-Politik ist, sondern der auch der
Doktortitel aberkannt wurde. Damit definiere Giffey, so die Berliner SPD,
„höchste Ansprüche an politische Integrität“. Ist das noch verzweifelt?
Schon bemitleidenswert? Oder nur dreist?
Giffey ist eine sympathische, vitale Politikerin. Aber wenn sie mit dieser
Tour durchkommt, ist das ein fatales Zeichen. Wer oben ist, bleibt oben.
Egal, wie die Regeln lauten. Es stimmt: Politiker haben schon Schlimmeres
angerichtet als eine regelwidrige Dissertation. CSU-Mann Scheuer hat in
Sachen Maut nicht die Wahrheit gesagt. Aber wenn wir Scheuer zum Maßstab
für politische Moral machen, sind wir sowieso auf dem Weg in die Hölle.
Jetzt also Berlin. Für die Ministerin reicht es nicht – aber für die
Regierende Bürgermeisterin? Man kann nur hoffen, dass die BerlinerInnen
verstehen, wie unverfroren dieses Manöver ist.
Stefan Reinecke
19 May 2021
## LINKS
[1] /Familienministerin-bittet-um-Entlassung/!5773557
[2] /Doktorarbeit-von-Familienministerin-Giffey/!5716126
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Anna Lehmann
## TAGS
Franziska Giffey
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Franziska Giffey
Familienministerium
Plagiat
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