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# taz.de -- Gesetzliche Rentenversicherung: Die USA als Anregung
> Wissenschaftler warnen vor einem „Finanzschock“ in der
> Rentenversicherung. Ihr Vorschlag: Hohe Renten sollen gedämpft werden.
Bild: Sitzen bei der Rente in einem Boot: Jüngere und Ältere
Berlin taz | Es ist eine beklemmende Zukunftsvision: Im Jahr 2040 befindet
sich mehr als jeder dritte Erwachsene im Rentenalter. Fast die Hälfte aller
Steuermittel im Bundeshaushalt fließen in die Rentenkasse. Der Bedarf der
Rentenkasse würde „den Bundeshaushalt sprengen und wäre auch mit massiven
Steuererhöhungen nicht finanzierbar“, sagte Klaus M. Schmidt, Vorsitzender
des Wissenschaftlichen Beirats bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
(CDU).
Der Beirat prognostiziert „schockartig steigende Finanzierungsprobleme in
der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025“. Laut dem am Montag
[1][präsentierten Gutachten des Gremiums] steigt der „Altersquotient“, also
das Verhältnis des Anteils der über 65-Jährigen zum Anteil der 20- bis
64-Jährigen von heute 35 Prozent auf über 58 Prozent im Jahre 2060. Der
Beirat hat in seinem Papier Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen
Rentenversicherung entwickelt, die sich zum Teil auch an Rentenmodellen
anderer Länder orientieren.
Die Wissenschaftler Schmidt und Axel Börsch-Supan schlagen eine
Reformstrategie vor, die aus zwei Pfeilern besteht. Zum einen könne das
Renteneintrittsalter nicht langfristig von der Entwicklung der
Lebenserwartung abgekoppelt werden.
## Ein Jahr länger arbeiten
„Das geschieht am besten durch eine dynamische Kopplung des Rentenalters an
die Lebenserwartung, sodass das Verhältnis der in Arbeit und in Rente
verbrachten Lebenszeit konstant bleibt“, sagte Börsch-Supan. Danach soll
etwa für eine statistische Steigerung der Lebenserwartung um 12 Monate das
Renteneintrittsalter um 8 Monate nach hinten verschoben werden. Gemäß den
Prognosen würde mit einer solchen Regel das Rentenalter im Jahr 2042 68
Jahre erreichen. Wer früher in Rente ginge, müsste mit hohen Abschlägen
rechnen, bestätigten die Wissenschaftler auf Nachfrage.
Der zweite Pfeiler zur Finanzreform der Rente bestünde laut Gutachten in
veränderten Verfahren zur Rentensteigerung. Danach sollen die Renten nicht
mehr wie bisher vor allem entsprechend der jährlichen Lohnentwicklung
steigen. Stattdessen soll nur noch die Preisentwicklung der Richtwert sein
für die alljährliche Rentensteigerung. „Viele andere Länder, etwa
Österreich oder Frankreich, lassen die Bestandsrenten mit der
Inflationsrate wachsen, die zumeist unter dem Lohnwachstum liegt“, heißt es
in dem Gutachten.
Die Wissenschaftler schlagen dabei vor, die Zugangsrenten wie bisher auch
durch eine „Haltelinie“ von 48 Prozent zu sichern, also durch ein
festgelegtes Verhältnis von Renten- zum Lohnniveau. Das würde die
„politische Akzeptanz“ erhöhen, heißt es in dem Papier. Im weiteren Verla…
würden auch die Neurentner:innen dann nur noch einen Zuwachs in Höhe der
Preissteigerung bekommen. Sehr alte Menschen mit langer Rentenbezugsdauer
wären von dieser gedämpften Rentenentwicklung stärker betroffen als jüngere
Rentner:innen, so das Papier. Sie laufen Gefahr, mit ihrer Rente dann etwa
im Alter von über 80 in die Gruppe der Armutsgefährdeten zu driften, weil
sich dieser Wert der „Armutsgefährdung“ am Lohnniveau orientiert und nicht
an der Preisentwicklung.
## Degressiver Rentenwert
In einem weiteren Kapitel schlagen die Wissenschaftler nach Entgeltpunkten
gestaffelte Rentenleistungen vor. In diesem „degressiven Modell“ würden
etwa die ersten 15 der durch Beiträge erworbenen Entgeltpunkte in der Rente
besser bewertet als der höhere Anteil. „Dies führt zu einer relativen
Aufwertung geringer gegenüber höheren Renten“, heißt es in dem Gutachten.
Die Wissenschaftler verweisen auf die USA, wo im Social Security System für
den niedrigsten Einkommensbereich der prozentual höchste Lohnersatz in der
Alterssicherung gewährt wird. Allerdings muss man mindestens zehn Jahre in
das System eingezahlt haben, [2][um überhaupt eine solche Rente zu
bekommen.]
Im Übrigen bedeutet dieses System nicht unbedingt, dass Niedrigverdienende
im Verhältnis zu ihrem Einkommen auf die Dauer gesehen besonders viel Rente
erhalten. Berechnungen in den USA gehen von einer kürzeren Lebenszeit und
dementsprechend kürzeren Rentenbezugsdauern der Niedrigverdiener aus.
Niedrigverdienende leben auch in Deutschland in der Regel kürzer und
beziehen daher gar nicht so lange Altersruhegeld. Andere Länder mit einer
bei steigendem Einkommen sinkenden Lohnersatzrate seien Japan, Südkorea und
Norwegen, so das Papier.
## Kritik an Heils Rentenkommission
Börsch-Supan war auch Mitglied der Rentenkommission bei
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gewesen, die vor einem Jahr einen
[3][Bericht über einen künftigen „Verlässlichen Generationenvertrag“]
vorgelegt hatte. In dem Bericht wurden lediglich „Korridore“ für das
künftige Rentenniveau und die Beitragssätze vorgeschlagen.
Börsch-Supan hatte sich damals mit einem Sondervotum dagegen gewehrt und
erklärt, „unangenehme Quantifizierungen“ dürfe man nicht aufschieben. Der
demografische Wandel sei „gut vorhersehbar“.
7 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichun…
[2] /C:/Users/BARBAR~1/AppData/Local/Temp/Projektbericht_2010-06.pdf
[3] https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Kommission-Verlaes…
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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