| # taz.de -- Todesfall Amad Ahmad in der JVA Kleve: Die Polizei löscht Daten | |
| > Amad Ahmad saß unrechtmäßig in Haft und starb in Folge eines Brandes in | |
| > seiner Zelle. Weil Daten verschwanden, ist Aufklärung unmöglich. | |
| Bild: In dieser Zelle war der junge Syrer Amad A. unrechtmäßig eingesperrt | |
| Die Polizei in Nordrhein-Westfalen muss ein unglaubliches Versagen | |
| einräumen. Es geht um den Fall des monatelang illegal eingesperrten und | |
| [1][2018 in seiner Gefängniszelle verbrannten Amad Ahmad in Kleve]. | |
| Angeblich „versehentlich“ sind in den Fahndungssystemen der Polizei die | |
| Originaldaten, mit denen die Gründe für die unrechtmäßige Haft des Kurden | |
| rekonstruiert werden konnten, gelöscht worden – entgegen der ausdrücklichen | |
| Weisung des vom Christdemokraten Herbert Reul geführten | |
| NRW-Innenministeriums. | |
| Das hatte bereits am 3. Dezember 2018 angeordnet, „sicherzustellen, dass es | |
| nicht zu Löschungen kommt“. Denn in Düsseldorf will ein Parlamentarischer | |
| Untersuchungsausschuss des Landtags aufklären, warum Amad Ahmad starb. „Ein | |
| Skandal“ sei das Verschwinden der Polizei-Datensätze, sagt der grüne | |
| Abgeordnete Stefan Engstfeld. Und nur ein Teil einer ganzen „Kette von | |
| Ungereimtheiten und Ermittlungspannen“. „Das Vertrauen in die Polizei“ | |
| werde erneut erschüttert, warnt auch SPD-Landtagsfraktionsvize Sven Wolf. | |
| Klar ist bisher nur: Amad Ahmad wurde am 6. Juli 2018 verhaftet, weil er an | |
| einem Baggersee in Geldern vier Frauen mit „sexuellen Andeutungen“ genervt | |
| haben soll. Nachdem eine von ihnen ihren Vater, einen Polizisten, anrief, | |
| wartete er auf einer Parkbank auf die Streifenwagen. Vorgeworfen wurde ihm | |
| „Beleidigung auf sexueller Grundlage“. | |
| Für eine mehrmonatige Haft reicht das keinesfalls aus. Trotzdem saß der | |
| damals 26-Jährige bis zum 17. September 2018 in der Justizvollzugsanstalt | |
| Kleve. Dann brannte seine Zelle. Amad Ahmad wurde schwerst verletzt, | |
| [2][starb am 29. September an „Multiorganversagen nach | |
| Verbrennungskrankheit“.] | |
| ## Eine bloße Verwechslung? | |
| Unglaublich bleibt die Begründung der Haft: Der als „hellhäutig“ | |
| beschriebene Amad Ahmad soll mit einem „schwarzhäutigen“ Amedy G. aus dem | |
| afrikanischen Mali verwechselt worden sein, der per Haftbefehl gesucht | |
| wurde. Möglich gemacht haben soll das eine „Personenzusammenführung“, mit | |
| der Informationen aus der NRW-Datenbank ViVA und dem Bundes-Polizeiregister | |
| Inpol vermischt wurden. Vorliegende Fotos der beiden Männer [3][will | |
| niemand kontrolliert haben.] | |
| Die von den Anwälten der Familie Amad Ahmads beauftragte Datenanalystin | |
| Annette Brückner will außerdem Lücken im ViVA-Veränderungsprotokoll | |
| festgestellt haben. Im Raum steht damit der Vorwurf, Polizist*innen | |
| könnten die Datenbank manipuliert haben, um den vor dem syrischen | |
| Assad-Regime nach Deutschland Geflohenen weiter in Haft zu halten. | |
| Die ermittelnde Oberstaatsanwältin Sandra Posegga räumte vor dem | |
| Untersuchungsausschuss ein, dass dies bisher nur vom Landeskriminalamt, der | |
| Landeszentrale polizeiliche Dienste und einem Software-Hersteller | |
| untersucht wurde. Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung wurden im Februar | |
| 2021 dennoch [4][auch gegen den letzten verdächtigen Polizisten | |
| eingestellt]. Die Anwälte haben deshalb noch einmal Strafanzeige wegen | |
| Datenveränderung und Strafvereitelung im Amt gestellt. | |
| Im Untersuchungsausschuss wollen die Regierungsfraktionen aus CDU und FDP | |
| trotzdem erst jetzt einen unabhängigen Gutachter hinzuziehen. Dabei dürfte | |
| dessen Arbeit, etwa durch Simulationen, schwierig bis unmöglich sein: „Was | |
| soll das jetzt noch bringen? Die Original-Datensätze sind nicht mehr | |
| vorhanden“, bilanzierte der grüne Abgeordnete Engstfeld gegenüber der taz | |
| bitter: „Auf einer verschwundenen Tatwaffe kann man auch keine | |
| Fingerabdrücke mehr finden“. | |
| 13 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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