# taz.de -- Todesfall in der JVA Kleve: Neuerliches Versagen | |
> War das Löschen wichtiger Polizeidaten im Todesfall Amad Ahmad | |
> unvermeidbar? Der NRW-Innenminister hatte das behauptet – und rudert nun | |
> zurück. | |
Bild: Verbrannte 2018 in einer Gefängniszelle in der JVA Kleve: Amad Ahmad | |
BOCHUM taz | Im Fall des über Monate unrechtmäßig inhaftierten und danach | |
[1][in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve verbrannten Amad | |
Ahmad] muss Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) weiteres | |
Versagen seiner Polizist:innen einräumen: Die Löschung der über den | |
Kurden in der Bundes-Polizeidatenbank INPOL gespeicherten Informationen | |
hätte auf legalem Weg verhindert werden können – und nicht, wie von Reul im | |
Mai im Landtag behauptet, nur durch eine nachträgliche und damit illegale | |
Manipulation des Sterbedatums des vor dem syrischen Assad-Regime | |
Geflohenen. | |
Das geht aus einem Brief des Landesinnenministers an den Vorsitzenden des | |
Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hervor, der der taz vorliegt. Es | |
sei dem Bundeskriminalamt (BKA) „möglich gewesen, die Eintragungen des | |
Löschdatums händisch zu ändern und die Daten von der automatischen Löschung | |
auszunehmen, ohne das Sterbedatum zu verändern“, räumt Reul darin ein. | |
Das Verschwinden der Polizei-Datensätze hatte [2][im Mai für Aufregung | |
gesorgt]: Schließlich war Amad Ahmad nur in Haft gekommen, weil | |
Informationen, die in der Landes-Polizeidatenbank ViVa über den | |
hellhäutigen Kurden gesammelt worden waren, unzulässig und nicht | |
nachvollziehbar mit Erkenntnissen vermischt wurden, die in der | |
Bundesdatenbank INPOL über einen als „schwarzhäutig“ beschrieben Mann aus | |
dem afrikanischen Mali gespeichert waren. Vorliegende Fotos will bei der | |
Polizei niemand verglichen haben. | |
Trotzdem tauchte ein Schreiben des Landeskriminalamts (LKA) an die | |
ermittelnde Staatsanwaltschaft Kleve auf, in dem es zunächst hieß, | |
zusätzlich zu den verschwundenen Inpol-Datensätzen seien auch „Daten (…) … | |
Landesbestand ViVa gelöscht“. Eine Aufklärung des Falls durch den | |
Landtags-Untersuchungsausschuss wäre damit kaum noch möglich gewesen. Reul, | |
der jede Datenlöschung untersagt hatte, [3][korrigierte im Landtag aber | |
schnell]: die ViVa-Daten seien gar nicht verschwunden, sondern nur nicht | |
auf den ersten Blick sichtbar gewesen. | |
## Originalinformationen sind verloren | |
Die Originalinformationen der Bundesdatenbank INPOL aber sind verloren. | |
Denn beim LKA hielt es niemand für nötig, beim BKA auf Reuls | |
Löschmoratorium hinzuweisen: „Das BKA hätte einer entsprechenden Bitte des | |
LKA zum damaligen Zeitpunkt auch entsprochen“, erklärt der Innenminister in | |
seinem Brief an den Untersuchungsausschuss. „Zwingende Vorschriften, die | |
einer Verlängerung der Löschfrist entgegenstehen“, habe es nicht gegeben. | |
„Das ist die nächste Panne in einem Fall voller Merkwürdigkeiten“, | |
kritisiert Stefan Engstfeld, Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss. | |
„In Reuls Verantwortungsbereich wird offensichtlich wahnsinnig schlecht | |
gearbeitet“. Der Minister habe „Öffentlichkeit und Parlament falsch | |
informiert“. | |
Kritik kommt auch von der SPD: „Reul hat immer wieder lückenlose Aufklärung | |
versprochen“, sagt Fraktionsvize Sven Wolf. Dass die Beamt:innen von LKA | |
und BKA „nicht einmal miteinander gesprochen“ hätten, sei „erschütternd… | |
Der Untersuchungsausschuss hat deshalb einen externen Gutachter | |
eingeschaltet. Thorsten Holz, Inhaber des Lehrstuhls für Systemsicherheit | |
an der Ruhr-Uni Bochum, soll überprüfen, „ob es zu nachträglichen | |
Manipulationen an dem relevanten Datenbestand gekommen ist“, fordern selbst | |
Abgeordnete der Regierungsfraktionen CDU und FDP. | |
Und Reul selbst muss sich am morgigen Dienstagsabend den Fragen des | |
Untersuchungsausschusses stellen. | |
23 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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