| # taz.de -- Kinotipp der Woche: Ohne moderne Maschinen | |
| > Viele Beiträge des diesjährigen Greek Film Festival Berlin schließen das | |
| > moderne Griechenland mit seiner Vergangenheit kurz. | |
| Bild: Eine Zeitreise aus den Augen zweier Generationen: „Yiorgos of Kedros“ | |
| Wilde Natur, umwerfende Sonnenuntergänge, Blicke raus auf das offene Meer, | |
| es ist alles dabei in der Dokumentation “Yiorgos of Kedros“, um die nach | |
| der zähen Corona-Zeit angestaute Reiselust zu wecken. Wer sich den Film von | |
| Yiorgos und Yiannis Kolozis ansieht, möchte ganz sicher sofort nirgendwo | |
| anders hin als auf die kleine griechische Kykladen-Insel Donousa und zu | |
| ihren grundsoliden, dauergechillten Bewohnern, die hier portraitiert | |
| werden. | |
| Das Erstaunliche an diesem Film über eine Insel ist, dass er weit mehr ist | |
| als eine Land-und-Leute-Dokumentation, wie sie sich auch das griechische | |
| Tourismusministerium hätte ausdenken können. Es ist eher eine Reflektion | |
| über Vergänglichkeit und Wandel, über das Älter-Werden und sogar den Tod. | |
| Vorgenommen freilich an einem Ort von bestechender Schönheit. Seit den | |
| Siebzigern gesammeltes Filmmaterial aus zwei Generationen wird hier | |
| gezeigt, von Yiorgos Kolozis und seinem Sohn Yiannis, der nach dem Tod | |
| seines Vaters das Doku-Projekt zu Ende gebracht hat. | |
| Man sieht die einst so abgeschiedene felsige Insel, die vor fast 50 Jahren | |
| noch nicht einmal über eine Bootsanlegestelle verfügte, und deren Wandlung | |
| in eine weitgehend vom Tourismus lebende Destination, die dennoch ihren | |
| schroffen Charakter behalten hat und heute eher ein Fall für Backpacker | |
| denn für den Massentourismus ist. | |
| Die Bewohner scheinen die Veränderungen zu nehmen, wie sie kommen. Heute | |
| sei das Leben doch um einiges angenehmer als früher, sagen sie, es gebe nun | |
| Strom und sogar ein Telefonnetz, was nicht zu verachten sei. Doch noch | |
| immer leben sie in arg bescheidenen Verhältnissen, allein klagen möchte | |
| darüber niemand. | |
| “Yiorgos of Kedros“ ist nur einer der vielen Filme des sechsten “[1][Greek | |
| Film Festival in Berlin]“, das in Spiel- und Kurzfilmen, sowie in | |
| Dokumentationen ein Griechenland samt Klischees zeigt, diese aber | |
| gleichzeitig dekonstruiert. Klar, wer denkt nicht bei Griechenland gleich | |
| an dessen Inseln? So gezeigt wie hier bekommt man eine von diesen aber eher | |
| selten. | |
| Und natürlich fällt einem zum Land der Hellenen auch sofort der Rembetiko | |
| ein, diese typisch griechische Musik, bei der zur Gitarre oder zur Bouzouki | |
| der Alltag der kleinen Leute besungen wird. Doch in dem Film “Markos“ über | |
| den Rembetiko-Pionier Markos Vamvarkaris wird sich diesem auch auf ganz | |
| eigene Weise genährt. | |
| Eine Gruppe von Musikern reist zum Geburtsort des Meisters auf der Insel | |
| Syros und spielt dort Stücke in dessen Gedenken. Gleichzeitig reflektieren | |
| Musiker aus aller Welt über Vamvarkaris und den Rembetiko. So entsteht eine | |
| von sehr viel Musik getragene Hommage an diese Volksmusik, die gerne auch | |
| der Blues der Griechen genannt wird. Wobei an einer Stelle der | |
| Dokumentation gesagt wird, dass es eigentlich umgekehrt sein und man | |
| vielmehr den Blues den Rembetiko der Schwarzen in Amerika nennen müsste. | |
| Wegen der Pandemie kann das sechste “Greek Film Festival in Berlin“ nur als | |
| Streaming-Veranstaltung statt finden. Doch man macht das Beste aus der | |
| Situation. Man kann die Filme nun nicht nur den Berlinern und Berlinerinnen | |
| zeigen, sondern sie deutschlandweit anbieten. | |
| So auch die melancholische Komödie “Defunct“ von Zacharias Mavroeidis, die | |
| wie so viele Filme bei diesem Festival das moderne Griechenland mit seiner | |
| Vergangenheit kurzschließt. Man verfolgt hier die Rückkehr des | |
| Thirtysomethings Aris an seinen Heimatort Papagou, einem traurigen Kaff | |
| innerhalb des Speckgürtels von Athen. | |
| Aris hatte den großen Erfolg als Geschäftsmann in der großen weiten Welt | |
| gesucht, als Handelsvertreter von Kaffeemaschinen. Nach einer finanziellen | |
| Pleite versucht er sich neu aufzustellen in dem Ort, der nach General | |
| Alexandros Papagos benannt wurde, der erst im Zweiten Weltkrieg gegen die | |
| Nazis kämpfte und dann im Griechischen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten. | |
| Und in dem man nicht viel mehr machen kann, als sich die zig | |
| Kriegsdenkmäler anzuschauen, mit dem Auto drei Mal um die Roundabouts zu | |
| fahren und ein wenig Basketball auf schlecht gepflegten Courts zu spielen. | |
| Aris will eigentlich sofort wieder weg hier. Doch seine geschäftlichen | |
| Aktivitäten laufen weiterhin schlecht und dann kommt er auch noch einem | |
| Geheimnis auf die Spur, das seinen Großvater umgibt, nach dem er benannt | |
| wurde. Die Geschichte Griechenlands, dieses Ortes und seines Großvaters | |
| holt ihn ein und hält ihn fest. Und er muss zudem fest stellen, dass die | |
| Menschen hier auch ganz gut Kaffee ohne seine modernen Maschinen kochen | |
| können. | |
| 30 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://thegreekfilmfestivalinberlin.com/de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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