| # taz.de -- Tattoo- und Kopftuchverbot: Gesetz gegen die Vielfalt | |
| > Ohne Debatte ging das Gesetz zum Erscheinungsbild von Beamt:innen | |
| > durch. Dabei erhöht die Homogenität der Uniformierten die Akzeptanz | |
| > nicht. | |
| Bild: Tätowierungen allenfalls unter der Uniform – das gilt neuerdings für … | |
| Es geht zwar nicht nur um Polizeibeamt:innen, aber in erster Linie. | |
| Deutsche Beamt:innen sollen keine [1][auffälligen Tattoos] tragen und | |
| auch keine [2][muslimischen Kopftücher]. Das haben Bundestag und Bundesrat | |
| nun im Beamtenrecht geregelt. Die Begründung des [3][Gesetzes zum | |
| „Erscheinungsbild“ von Beamt:innen] spricht von einer „parlamentarischen | |
| Leitentscheidung“. Umso peinlicher, dass es im Bundestag keinen einzigen | |
| Redebeitrag zu diesen massiven Grundrechtseingriffen gab. | |
| Die Vielfalt in der Gesellschaft wird reglementiert, aber nicht diskutiert. | |
| Auch die Opposition zeigte sich sprachlos. Dabei wäre es durchaus | |
| aufschlussreich gewesen, Tattoos und Kopftücher zusammen zu debattieren. | |
| Dann wäre nämlich schnell aufgefallen, wie widersprüchlich die | |
| Argumentation der Traditionalist:innen ist. Bei muslimischen | |
| Kopftüchern haben sie Angst um die Neutralität des Staates. Die Bürger:in | |
| könne glauben, der Staat identifiziere sich mit dem Islam. | |
| Ganz anders die Sorgen, wenn es um Tattoos und Piercings geht. Sind diese | |
| zu auffällig, könne der ungewöhnlich gestylte Mensch die Uniform und die | |
| amtliche Funktion (zu sehr) in den Hintergrund treten lassen. Wenn | |
| Letzteres stimmt, dann muss aber auch beim Kopftuch gelten: Die | |
| ungewöhnliche religiöse Kopfbedeckung macht den Menschen in der Uniform | |
| sichtbar, sie betont das Individuelle. Es kann doch wirklich kein | |
| Verbotsgrund sein, dass die Vielfalt bei der Polizei sichtbar wird. | |
| Denn dadurch würde die Akzeptanz der Polizei nicht geschwächt, sondern | |
| sogar erhöht. Für das einheitliche Auftreten gibt es schon die uniforme | |
| Dienstkleidung. Mehr Homogenität ist eher schädlich. Denn die Polizei hat | |
| wirklich ein Image-Problem – zum Beispiel weil immer wieder | |
| rechtsextremistische Chatgruppen bekannt werden. In so einer Lage ist es | |
| geradezu polizeifeindlich und reputationsgefährdend, wenn | |
| Polizist:innen das Kopftuch verboten wird. | |
| Hier wird die Homogenität zur optischen Pflicht erklärt, statt die | |
| Verankerung unserer Polizei in einer vielfältigen Gesellschaft sichtbar zu | |
| machen. | |
| 9 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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