# taz.de -- Verschiebung des Transsexuellengesetzes: Die Politik dreht sich im … | |
> Das Transsexuellengesetz macht die Eintragung zur trans Person zum | |
> bürokratischen Hürdenlauf. Warum das jüngst ausgebliebene Update ein | |
> Desaster ist. | |
Bild: So geht Fortschritt: Piktogramme an einer Toilette für alle Geschlechter… | |
Der Triebtäter geht wieder um. Kein echter Triebtäter, eine rhetorische | |
Figur: vom gewitzten Mann, der sich amtlich zur trans Frau erklären lässt, | |
um in Frauenräume einzudringen. Ich hatte mich [1][neulich hier lustig | |
gemacht] über diese doch sehr deutsche Vorstellung vom bürokratisch | |
korrekten Tunichtgut. Das möchte ich nun zurücknehmen. Nicht, weil das | |
Argument logischer geworden wäre. Ich nehme zurück, dass ich es lustig | |
finde. | |
Die Idee vom [2][bäuer*innenschlauen Triebtäter] ist mir erneut | |
begegnet. Es geht schon wieder ums Transsexuellengesetz, ein Gesetz von | |
1981, das das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren komplett ausgehöhlt | |
hat. Ein neues Gesetz muss dringend her, weniger 1980s-Style, mehr | |
2020s-Style, das regelt, wie Menschen ihren Geschlechtseintrag möglichst | |
unbürokratisch ändern können. | |
So weit sind sich alle demokratischen Fraktionen im Bundestag einig – im | |
Weg stehen sie sich dagegen bei der Frage, was „möglichst unbürokratisch“ | |
heißt. An der scheiterte schon ein Entwurf der Regierungsfraktionen Union | |
und SPD und vergangene Woche dann auch einer von FDP und Grünen. Heißt: Vor | |
der Wahl wird das nix mehr. | |
## Wer verfügt über mein Geschlecht? | |
Es hakt hauptsächlich bei der Begutachtung. Politiktheoretisch würde die | |
entsprechende Frage lauten: „Wer verfügt über mein Geschlecht, das ja Teil | |
meiner Person ist?“ In der Realpolitik lautet sie: [3][„Wie schwer sollten | |
wir es den Leuten trotz allem machen?“] Warum? Wegen dem gewitzten | |
Triebtäter – er ist tatsächlich eins der entscheidenden Argumente. Vom | |
„Triebtäter, der die Regelung ausnutzt, um sich Zugang zur | |
Frauen-Umkleidekabine zu verschaffen“, spricht etwa ein CDU-Politiker | |
gegenüber dem Spiegel. Das Magazin zitiert zudem aus internen Mails der | |
Linken, die ähnlich argumentieren. | |
Die Idee vom Triebtäter, den allzu liberale Personenstandgesetze dazu | |
befähigen, Frauenschutzräume zu perforieren, ist ein ideologisches | |
Scharnier zwischen Gruppen, die sonst nichts miteinander zu tun haben: | |
Konservativen, die einfach ungern Gesetze lockern; Rechten, die explizit | |
transphob sind; Teilen der Frauenbewegung, die vielleicht implizit | |
transphob sind, vielleicht aber wirklich berechtigte Sorgen haben, denen | |
bloß auf diese Weise nicht begegnet werden kann. | |
## Weniger Hürden | |
Es ließen sich, ohne trans Menschen zu gängeln, bürokratische Barrieren | |
einbauen, die verhindern, dass irgendwelche Typen nach der | |
Junggesellenparty das Standesamt mit Jux-Personenstandsanträgen trollen. | |
Zumutbare Fristen zum Beispiel. Dennoch darf der mögliche Missbrauch von | |
Rechten durch Dritte nie zulasten derer gehen, denen diese Rechte zustehen. | |
Vor allem aber gehört der Diskursknoten „Triebtäter“ zerschlagen. | |
Solange in den Köpfen die Gleichung gilt: „mehr Transrechte = weniger cis | |
Frauenrechte“, bewegt sich nichts. Sondern wir bleiben hängen auf | |
Gender-Gesetzen aus einer Zeit, in der Gottlieb Wendehals mit „Polonäse | |
Blankenese“ in den Charts war. | |
28 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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