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# taz.de -- Segnungsverbot für homosexuelle Paare: Homoliebe zählt im Vatikan…
> Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in der katholischen Kirche nicht
> gesegnet werden. Viele Betroffene wenden sich deshalb nun von der Kirche
> ab.
Bild: Es wird Zeit für Veränderung, finden viele KatholikInnen: Regenbogenfla…
Berlin taz | Ihre Liebe ist weniger wert als andere. So fühlt es sich
zumindest für Guido Heppelmann und Thomas Wunsch an. 2005 lernen sich die
beiden bei einem Blind Date kennen. 13 Jahre später, im Jahr 2018, wollen
sie heiraten. Die Suche nach einem Priester beginnt. Er sollte dem Paar
schenken, was schon so viele Menschen in ihrem Leben bekommen haben: einen
Segen für ihre Beziehung. Doch in den Augen der katholischen Kirche führen
Guido Heppelmann und Thomas Wunsch keine normale Beziehung.
Und so war auch die Suche nach einem Priester für eine Segnung nicht
normal. Sie können zwar als schwules Paar händchenhaltend in verschiedene
Kirchen in Arnsberg gehen, ohne dass jemand etwas Abfälliges sagt oder böse
guckt. Und ja, den Segen hätten sie auch bekommen – aber nur im Geheimen.
Kein Glockengeläut, keine Ankündigungen in der Messe und keine Gäste außer
den Trauzeugen. Das waren die Bedingungen, die der Pfarrer in ihrer
Heimatgemeinde gestellt hatte.
„Das kam für uns überhaupt nicht in Frage. Wir wollten vor einer Gemeinde
Zeugnis über unsere Liebe ablegen, so wie es viele tun“, sagt Heppelmann.
Die Suche ging weiter, aber im Nachbarort bekamen sie die gleiche Absage.
„Als wäre das untereinander abgesprochen“, vermutet Heppelmann. Auch drei
Jahre später werden seine Gesichtszüge immer noch hart, wenn er davon
erzählt.
Das Paar suchte eine andere Lösung. Am 22. September 2018 ging ihr Traum
dann doch in Erfüllung. Am Morgen haben sie eine private Andacht abgehalten
– in einer katholischen Kirche ohne Geistlichen. „Mein Vater hat unsere
Ringe und alle, die sie tragen, gesegnet. Das ist ein kleiner Umweg. Wir
wollten ihn nicht in eine moralische Zwickmühle bringen und ihn bitten, uns
direkt zu segnen. Aber er ist über 90 Jahre alt und schon immer in der
Kirche aktiv. Wenn er uns nicht seinen Segen geben kann, wer dann?“, sagt
Wunsch und muss dabei lachen.
## Die Hürden werden größer statt kleiner
Nach der Andacht heiraten sie standesamtlich und bekommen dann ihre
gewünschte Segnungsfeier in einer evangelischen Gemeinde von einem
befreundeten Pfarrer. „Es war einfach ein perfekter Tag“, sagt Heppelmann
und legt dabei seine Hand auf den Arm seines Mannes. Beide lächeln.
Ihr Beispiel zeigt: Schon immer gibt es große Hürden für
gleichgeschlechtliche Paare in der katholischen Kirche. Ende März werden
sie noch größer. Die Glaubenskongregation des Vatikans sagt in einem
sogenannten Responsum in aller Deutlichkeit: Nein,
[1][gleichgeschlechtliche Paare dürften nicht gesegnet werden.] Die Segnung
eines Paares käme dem Sakrament der Ehe nahe und das dürfe keiner Beziehung
gespendet werden, die nicht „auf den Plan des Schöpfers hingeordnet ist“,
also Kinder hervorbringt.
Nach Ansicht des Bonner Theologieprofessors Karl-Heinz Menke ist dieses
Nein vom Vatikan nur logisch: „Wo immer die Kirche öffentlich handelt, muss
dieses Handeln ihrem Selbstverständnis entsprechen. Die Kirche darf und
kann auch im Einzelfall nicht das Gegenteil von dem tun, was sie dogmatisch
und kirchenrechtlich für verbindlich erklärt hat.“ Er hat in einem
Gutachten für das Bistum Limburg schon im Januar festgehalten: „Die Kirche
ist kein Service-Unternehmen, das sich nach irgendwelchen Bedürfnissen
ausrichtet.“
Mit dieser Meinung steht er in der wissenschaftlichen Welt ziemlich alleine
da. Über 200 Theologieprofessor:innen ziehen aus der katholischen
Dogmatik andere Schlüsse und [2][kritisieren in einem Statement die
Glaubenskongregation für ihre Entscheidung]. Aber die steht dennoch.
## „Jetzt reicht es mir“
„Diese Entscheidung hat mich zutiefst enttäuscht“, sagt Heppelmann. Er
zieht Konsequenzen und trat in der vergangenen Woche aus der Kirche aus.
„Ich habe gedacht: Jetzt reicht es mir. In der Begründung vom Vatikan steht
inhaltlich, man dürfe nicht die Sünde segnen. Wenn ich die Sünde bin, dann
bin ich halt weg. Seid froh.“
Sein Mann ist schon in den 90er Jahren ausgetreten. „Ich glaube, in der
Kirche läuft etwas schief. Ich wollte das System nicht mit Steuergeldern
unterstützen und habe es lieber eigenständig gespendet“, erklärt Wunsch.
Trotzdem sind beide in der Kirche aktiv. Wunsch bringt sich beispielsweise
in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche ein. „Ich bin
Katholik, gläubig und möchte die Werte vertreten. Aber in der Kirche muss
noch vieles passieren.“
Sie müssen Umwege und Verrenkungen in Kauf nehmen, um ihren Glauben zu
leben. So ähnlich geht es vielen gleichgeschlechtlichen Paaren in
Deutschland. Sie fühlen sich nicht wertgeschätzt in der katholischen
Kirche.
Dabei scheinen die Diskussionen hier in Deutschland eigentlich zu ihren
Gunsten zu verlaufen. Bischof Helmut Dieser vom Bistum Aachen leitet das
Forum über Sexualität des „Synodalen Wegs“. Das ist ein Zusammenschluss v…
geistlichen und weltlichen Vertreter:innen, die im Moment neue Konzepte für
eine Reform der katholischen Kirche erarbeiten.
## Wo Woelki steht, ist klar
Gerade in diesem Prozess sei das Nein vom Vatikan nicht angebracht, so
Bischof Dieser: „Die Stellungnahme hat für Irritation und Verärgerung
gesorgt“, sagte er kurz danach. Er hoffe auf eine Weiterentwicklung der
kirchlichen Lehre, damit Segensfeiern für homosexuelle Paare künftig nicht
mehr in einer Grauzone stattfinden. Mehr als 2.600 Seelsorger:innen aus
Deutschland unterstützen ihn und sammelten Unterschriften gegen das Nein,
die sie an Dieser übergeben haben.
Die meisten seiner Amtskollegen sind auch auf seiner Seite. Aber eben nicht
alle. Generalvikar Alfons Hardt vom Erzbistum Paderborn, zu dem auch die
Gemeinde von Thomas Wunsch und Guido Heppelmann gehört, sagt: „Die
Diskussion und das Ringen, gemeinsam und miteinander Wege zu finden, gehen
weiter. Wir müssen weiter sprechen und bei komplexen Zusammenhängen weiter
differenzieren.“
[3][Rainer Maria Woelki, Kardinal im Erzbistum Köln,] verteidigt die
Entscheidung aus Rom ganz offensiv: „Ich sehe in diesem Responsum eine
Stärkung des katholischen Ehe- und Familienverständnisses.“ Ob es
Konsequenzen für Priester gibt, die trotzdem gleichgeschlechtliche Paare
segnen, beantwortet der für die Abteilung Seelsorge im Erzbistum zuständige
Pfarrer Mike Kolbe: „Es geht nicht um Sanktionen. Im Mittelpunkt stehen
individuelle Gespräche im Nachgang der angesprochenen Handlung eines
Priesters.“
Es gab auch vor dem Responsum schon diese „angesprochenen Handlungen eines
Priesters“. Vorher haben Priester zwar auch schon gegen den Willen aus Rom
gehandelt, aber in Zukunft missachten sie eine ganz klare Anweisung. Doch
einige üben den pastoralen Ungehorsam. Kurz nach der Entscheidung aus Rom
melden sich viele Priester in ganz Deutschland zu Wort, die öffentlich
klarstellen, dass sie gleichgeschlechtliche Paare segnen würden. In vielen
Gemeinden haben Seelsorger Regenbogenflaggen gehisst und damit ihre
Solidarität mit der LGBTQI+-Community ausgedrückt.
## Die erste Regenbogenflagge wird abgerissen
So wie Christoph Simonsen in Mönchengladbach. Die Flagge hängt in neun
Meter Höhe direkt vor dem Kirchturm. „Ich mache das aus einem ehrlichen
Herzen heraus, weil ich voll und ganz dahinterstehe und nicht verstehen
kann, wie Menschen ausgeschlossen werden können. Aus meiner Sicht gibt es
da keine Argumente für.“ Früher habe er häufig solche Paare gesegnet, in
den vergangenen Jahren sei das aber stark zurückgegangen: „Die Menschen
fühlen sich von der Kirche im Stich gelassen.“
Simonsen erntet für seine Einstellung auch Kritik. Die ersten beiden
Regenbogenfahnen wurden von Fremden abgerissen und weggeworfen. „Die Kritik
kommt aber nur von einem kleinen Teil der Katholiken, die sich für
traditionsbewusst halten.“
Mit einigen Kolleg:innen aus ganz Deutschland organisiert er einen
Aktionstag am 10. Mai, an dem bundesweit Segnungsfeiern abgehalten werden.
Gleichgeschlechtliche Paare sollen so ermutigt werden, sich an die
katholische Kirche zu wenden. Denn das passiert bisher nicht so oft. Die
meisten Priester, die sich öffentlichkeitswirksam gemeldet haben, haben
selbst noch nie eine solche Feier abgehalten, weil sich noch niemand bei
ihnen gemeldet hat. Und auch Simonsen hat für den Tag noch keine festen
Anmeldungen.
Guido Heppelmann und Thomas Wunsch sind sich noch unsicher, ob sie an
diesem Aktionstag gesegnet werden wollen. „Ich denke noch einmal drüber
nach, wenn die Kirche als Ganzes hinter meiner Beziehung steht. Denn im
Moment können Autos und Häuser mit Rückendeckung aus Rom gesegnet werden,
aber meine Liebe zu meinem Mann nicht. Das muss sich erst ändern“, sagt
Heppelmann.
27 Apr 2021
## LINKS
[1] /Vatikan-lehnt-Segnung-Homosexueller-ab/!5754741
[2] /Segnung-von-homosexuellen-Paaren/!5759976
[3] /Gutachten-zu-Missbrauchsfaellen-in-Koeln/!5755032
## AUTOREN
Cedrik Pelka
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