| # taz.de -- CDU-Politiker über katholische Kirche: „Der Klerus vertreibt Gl�… | |
| > Will die katholische Kirche sich retten, muss sie sich ändern, glaubt der | |
| > Bremer Carl Kau. Er hat die Umfrage „Katholischer Klartext“ gestartet. | |
| Bild: Eine Engelsfigur über einem Beichtstuhl hält eine Tafel mit dem Buß-Ps… | |
| taz: Herr Kau, die katholische Kirche steht nicht erst seit gestern in der | |
| Kritik. Wann haben Sie beschlossen, etwas zu unternehmen? | |
| Carl Kau: Es gibt mehrere Gründe für Frustration. Der Klerus, der zurzeit | |
| das Sagen hat, ist in vielen Dingen so wirklichkeitsfern, dass er die | |
| Gläubigen regelrecht vertreibt. Vor einiger Zeit gab es beispielsweise in | |
| Bremen in St. Johann eine Befragung unter Katholiken, die sämtliche Themen, | |
| die uns momentan beschäftigen, einfach ausgeklammert hat. Dort wird dann | |
| nach Gottesdienstzeiten und ähnlich Banalem gefragt. Aber das, was viele | |
| bewegt und aufregt, kam gar nicht zur Sprache. Aber all dem ging voraus, | |
| dass ich selbst an Feiertagen meine Kinder nicht mehr dazu bringe, mit uns | |
| in die Kirche zu gehen. | |
| Warum nicht? | |
| Weil sie die Kirche ablehnen. Ihnen kommt die Kirche rückwärtsgewandt vor. | |
| Es ist also nicht nur Desinteresse, sondern Ablehnung? | |
| Nach all den Dingen, die in den letzten Jahren passiert sind, ja. | |
| Sie sprechen von [1][den Missbrauchsfällen]? | |
| Ja, das spielt auch eine Rolle. Junge Eltern wollen ihre Kinder nicht in | |
| die Kirche geben, weil sie Angst um sie haben. Und natürlich schreckt die | |
| jungen Leute auch ab, wenn Homosexuelle als Sünder bezeichnet werden und | |
| dergleichen. Heute ist man toleranter und bereit, mehr Diversität zu | |
| akzeptieren, die die Kirche nach wie vor verurteilt. | |
| Und was kann Ihre Umfrage unter dem Namen [2][„Katholischer Klartext“] da | |
| tun? | |
| Das Ziel ist, der schweigenden Mehrheit der Katholiken eine Stimme zu | |
| verschaffen. Wir wollen Meinungen und ein Stimmungsbild insbesondere zu den | |
| kritischen Punkten erfragen und so erfahren, wie die Mehrheit darüber | |
| denkt. Es gibt sonst keine Befragungen in der katholischen Kirche. Wir | |
| möchten, dass die Mitmachenden sich frei und – wenn sie möchten – auch | |
| anonym äußern können. | |
| Was passiert mit den Ergebnissen? | |
| Die Ergebnisse werden wir zur Herbstkonferenz der Deutschen Bischöfe in | |
| Fulda überreichen. Das ist Ende September. Parallel wollen wir sie auch dem | |
| Vatikan zukommen lassen, denn viele Entscheidungen werden nicht in | |
| Deutschland gefällt, sondern in Rom. | |
| Derzeit kann jede*r auf der Website abstimmen – egal ob diese Person | |
| selbst Katholik*in ist oder nicht. Ist das nicht hinderlich? | |
| Nein, das ist sogar so gewollt. Man kann zu verschiedenen Themen – egal ob | |
| es zum Fußball, zur Politik oder zu anderen Dingen ist, eine Meinung haben. | |
| Und Institutionen und Vereine, die so in der Öffentlichkeit stehen, müssen | |
| sich gefallen lassen, dass Menschen sich zu ihnen eine Meinung bilden und | |
| sie auch äußern. Hinzu kommt, dass die katholische Kirche Ärgernisse | |
| produziert hat, die Menschen im ganzen Land beschäftigen. Der Missbrauch | |
| beispielsweise ist so ein Thema, das nicht vor religiösen Grenzen Halt | |
| macht. Das gleiche gilt für die Frage, ob Homosexualität als Sünde | |
| bezeichnet oder die Segnung homosexueller Paare verboten wird. Deshalb muss | |
| es erlaubt sein, dass auch Nichtmitglieder mit abstimmen. | |
| Aber die katholische Kirche ist doch kein Verein. | |
| Die Kirche ist hauptsächlich eine Glaubensgemeinschaft. Aber sie ist auch | |
| eine hierarchische Organisation, die Oberhäupter ernennt und mit dem Geld | |
| ihrer Mitglieder arbeitet. Und damit muss sie sich am Ende eben auch | |
| modernen Fragen stellen. | |
| Braucht es für den Glauben denn überhaupt noch die Institution Kirche? | |
| Das ist eine berechtigte Frage. Ich denke, der weltweiten Kommunikation | |
| wegen und auch für die Frage, wofür wir stehen und was wir glauben, braucht | |
| es eine Organisationsform. Aber die muss frei sein von Diskriminierung und | |
| kann – zum Beispiel – nicht auf Dauer Frauen ausschließen, Homosexuelle | |
| verurteilen, finanzielle Geheimniskrämerei betreiben und reformunfähig | |
| bleiben. | |
| Aber Sie kritisieren die Kirche ja selbst stark. Warum ist diese | |
| Institution für Gläubige wichtig? | |
| Das christliche Gebot geht über den bloßen Glauben hinaus. Es wird tätige | |
| Nächstenliebe erwartet. Das heißt: sich um andere kümmern, um die | |
| Schwachen, Kranken und Armen. Und das braucht Gemeinschaft. Danach sehnen | |
| sich die Menschen auch. Wenn man das in einer vernünftigen und zeitgemäßen | |
| Form betreibt, glaube ich schon, dass Kirche Zukunft haben kann. | |
| Glauben Sie, dass Katholischer Klartext von der Kirche wahrgenommen werden | |
| wird? | |
| Ich denke ja. Ich habe das Ziel, mit der Umfrage eine Million Menschen zu | |
| erreichen. Das wären ungefähr fünf Prozent der katholischen | |
| Kirchenmitglieder. Mit den Ergebnissen könnte man insbesondere die | |
| reformwilligen Mitglieder des Klerus unterstützen. Hinzu kommt, dass es | |
| derzeit massive Austrittswellen gibt; in Köln sind alle Termine bis Juni | |
| ausgebucht. Langfristig wird die Kirche umdenken müssen – auch weil ihr | |
| sehr viel Geld verloren geht. Und gerade beim Thema Frauen hat sich in der | |
| Vergangenheit doch immer wieder gezeigt: Am Ende wird es darauf | |
| hinauslaufen, dass Frauen ihre Plätze in allen Bereichen einnehmen. Auch | |
| die katholische Kirche wird das auf Dauer nicht verweigern können. | |
| Sie sprechen Probleme an – wie beispielsweise das Zölibat oder dass Frauen | |
| nicht auf die Kanzel dürfen –, die es in der evangelischen Kirche nicht | |
| gibt. Dennoch gibt es auch dort massiv Mitgliederschwund. Warum glauben | |
| Sie, sind Reformen die Lösung? | |
| Ja, es gibt eine abnehmende Glaubensbindung. Es lässt sich nicht leugnen, | |
| dass viele Menschen zu den Glaubensinhalten keinen Zugang mehr haben. Aber | |
| in der katholischen Kirche wird all das noch dadurch verschlimmert, dass | |
| die Boten des Glaubens ein so schlechtes Image haben, dass ihnen die | |
| Menschen auch in Glaubensfragen nicht mehr zuhören. | |
| In einigen Kritikpunkten überschneidet sich Katholischer Klartext mit der | |
| [3][Initiative Maria 2.0, die 2019 von katholischen Frauen gegründet | |
| wurde]. Böte sich nicht eine gemeinsame Sache an? | |
| Absolut, wir sind bereits miteinander vernetzt. Der Themenkomplex, der sich | |
| auf unserer Website mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandersetzt, | |
| wurde von Maria-2.0-Mitgliedern verfasst. Maria 2.0 bezeichnet sich selbst | |
| aber als Graswurzelbewegung, wir wiederum wollen mit den Zahlen aus unserer | |
| Umfrage argumentieren. | |
| Sie fordern, aus der Kirche zeitweise auszutreten, um den Protest zu | |
| unterstreichen. Sind sie denn selbst noch Mitglied? | |
| Ich rufe nicht dazu auf. Wir fragen, ob die Leute im Zweifel dazu bereit | |
| wären, wenn sich nichts ändern sollte. Ich selbst bin nach wie vor | |
| Kirchenmitglied, auch aus Protest. Weil ich sage: Ich will mich vom Klerus | |
| nicht aus meiner religiösen Heimat vertreiben lassen. | |
| Die Welt ändert sich in einem rasanten Tempo. Kann die katholische Kirche | |
| als riesengroße, alte Institution da wirklich mithalten? | |
| Ja. Allein mit dem Element der Vergebung, dem Versprechen auf ein Leben | |
| nach dem Tod und dem Prinzip der Nächstenliebe, hätte die Kirche doch schon | |
| mal ein zeitloses Pfund, mit dem sie wuchern könnte. Sie muss aber von dem | |
| zwischenzeitlich ausgetrampelten Irrweg abkehren und sich in manchen Dingen | |
| moderner geben. Es geht nicht darum, immer jede gesellschaftliche | |
| Entwicklung sofort aufzugreifen, aber insgesamt einen Weg einzuschlagen, | |
| der zeitgemäß ist. | |
| 9 Apr 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Sexualisierte-Gewalt-in-Koelner-Dioezese/!5761453 | |
| [2] https://katholischer-klartext.de/#/ | |
| [3] /Maria-20-zu-Kirche-und-Machtstrukturen/!5760267 | |
| ## AUTOREN | |
| Kim Torster | |
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