| # taz.de -- Straßenumbenennung in Bremen: Eine Nazi-Würdigung weniger | |
| > Der Nazi Hinrich Wriede wird in Bremen nicht mehr mit einer Straße | |
| > geehrt. Die Umbenennungen von kolonialistischen Orten klappen weniger | |
| > gut. | |
| Bild: Wriedes Welt: Ein Bremer Klassenfoto aus den Jahren 1936/37 mit Hitler-Fo… | |
| Bremen taz | „Achterhook“ kommt aus dem niederdeutschen und bedeutet so | |
| viel wie „hintere Ecke“. Ein kurzer Name für eine kurze Straße: Nach einer | |
| Beiratsinitiative und einem Beschluss des Bremer Senats Anfang Mai heißt | |
| die bisherige Hinrich-Wriede-Straße jetzt so. Denn Wriede war Anfang des | |
| 20. Jahrhunderts nicht nur Schulleiter und plattdeutscher Dichter, sondern | |
| auch ein „sehr betonter und primitiver Nationalsozialist“. | |
| So steht es in einem Schreiben des Ortsamts Horn-Lehe aus dem April 2019. | |
| „Die nach intensiven Recherchen öffentlich bekannten Verbindungen von | |
| Hinrich-Wriede zur Nazi-Diktatur legen es nahe, die Ehrung dieser Person | |
| durch eine Straßenbenennung nicht länger aufrechtzuerhalten“. Der Anstoß | |
| für die Umbenennung kam sowohl von Anwohner:innen, als auch von der grünen | |
| Beiratsfraktion, erzählt Ortsamtsleiterin Inga Köstner. | |
| Nach einigen Verzögerungen ging es jetzt auf einmal fix: Ohne | |
| Anwohner:innen oder Senat zu informieren, hatte das Amt für Straßen und | |
| Verkehr (ASV) am 11. Mai das neue Straßenschild aufgestellt. Am Dienstag | |
| nun wurde das alte Schild übergangsweise wieder dazugestellt. Um die | |
| „Postproblematik“ zu vermeiden, aber auch für Rettungsdienst- und | |
| Feuerwehreinsätze, heißt es aus dem Ortsamt. | |
| Wie lange diese Übergangszeit dauern wird und wann die Bremer Achterhook | |
| auch auf Google Maps zu finden ist, weiß man dort noch nicht. Trotz der | |
| Verzögerungen nennt Köstner den Prozess „exemplarisch“: „Viele | |
| Anwohner:innen standen der Umbenennung sehr positiv und aufgeschlossen | |
| gegenüber“. Sie hofft, dass eine offizielle Einweihung noch in diesem Monat | |
| möglich ist. Anfallende Kosten für die Änderung von Adressen auf Dokumenten | |
| wie Personalausweis oder Grundbucheintrag übernimmt das Amt. | |
| Dass Straßen nicht nach Nationalsozialist:innen benannt werden | |
| sollen, trifft auf Konsens. Anders ist es beim Thema Kolonialismus. Obwohl | |
| eine Umbenennung bereits 2017 im Beirat Schwachhausen diskutiert wurde und | |
| verschiedene Gruppen sich immer wieder dafür aussprachen, gibt es in Bremen | |
| nach wie vor eine Lüderitzstraße. „Eine Straßenumbenennung wird von einigen | |
| vor dem Hintergrund der hohen Kosten und des enormen Aufwands sowie gegen | |
| die Position der Anwohner/innen als zu weitreichend angesehen“, heißt es | |
| dazu im Beiratsprotokoll von 2017. Aktuell sei es in der Debatte „sehr | |
| ruhig“, teilt der Beirat mit; ebenso die Diskussion um andere Straßennamen | |
| wie Vogelsang. | |
| Ralph Saxe, beirätepolitischer Sprecher der Grünen, habe eine Zeit lang in | |
| der Vogelsangstraße gewohnt und sich für den Namen geschämt. „Der Aufwand | |
| einer Umbenennung lohnt sich auch deshalb, weil man hinterher in einer | |
| Straße wohnen kann, auf deren Namen man vielleicht sogar stolz ist.“ | |
| Beim Thema Kolonialismus sei man noch nicht auf der gleichen Ebene des | |
| historischen Bewusstseins wie beim Thema Nationalsozialismus, sagt Saxe. | |
| „Unrecht kann man nicht vergleichen, aber Bremen war nun mal eine Stadt, | |
| die sich aktiv am Kolonialismus beteiligt hat.“ Wenn man eine antikoloniale | |
| Stadt sein wolle, könne man Namen wie Lüderitz oder Vogelsang nicht | |
| unkommentiert stehen lassen. Die beiden Bremer Kaufmänner waren durch ihre | |
| Aktivitäten im heutigen Namibia maßgeblich an der gewalttätigen | |
| Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika beteiligt. | |
| Diese Informationen lassen sich für interessierte Spaziergänger:innen | |
| mittlerweile in den Legenden unter den Straßenschildern finden. Aber reicht | |
| das? „Die Benennung einer Straße nach einzelnen Personen ist immer eine | |
| Ehrung“, sagt Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD. Die | |
| Straßenschilder lediglich mit Legenden zu versehen, sei deshalb nicht | |
| ausreichend. Der Beirat solle aber auch nicht über die Köpfe der | |
| Anwohner:innen hinweg entscheiden. | |
| ## Unwillige Anwohner:innen | |
| Das größte Hindernis in Sachen Umbenennung liegt laut Miriam Strunge, | |
| kulturpolitische Sprecherin der Linken, im Unwillen der Anwohner:innen, | |
| sich um die Formalia zu kümmern. „Aber es kann doch nicht sein, dass wir | |
| deshalb akzeptieren, dass es in Bremen eine Lüderitzstraße gibt.“ Das | |
| Wichtigste bleibe deshalb die aktive Diskussion. „Es muss für alle klar | |
| sein, dass die Anwohner:innen keine Kosten tragen“, sagt Strunge. Den | |
| Beiräten müsse zudem deutlich gemacht werden, dass der Senat die | |
| Umbenennung von Straßen politisch unterstützt. „Ich kann mir nicht | |
| vorstellen, dass man weiterhin gegen eine Umbenennung ist, wenn man sich | |
| ernsthaft mit der Geschichte beschäftigt hat.“ | |
| Ursprünglich sollte die Achterhook in Horn-Lehe Magdalene-Thimme-Straße | |
| heißen. Wegen der Länge entschieden sich die Anwohner:innen allerdings | |
| dagegen. Der Beirat möchte Thimme trotzdem mit einem Straßenschild ehren | |
| und benennt nun einen bisher namenlosen Fahrradverbindungsweg nach der | |
| Bremer Pädagogin. Sie war eine bekennende Gegnerin und öffentliche | |
| Kritikerin des Nationalsozialismus, wurde deshalb aus dem Schuldienst | |
| entlassen und war als Vorsitzende des Bruderrats die erste Frau in | |
| leitender Position der Bremer Kirchengeschichte. | |
| 20 May 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Teresa Wolny | |
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