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# taz.de -- Straßenumbenennung in Ohlsdorf: Woermann soll weichen
> In Hamburg-Ohlsdorf könnten erstmals zwei nach einem
> Kolonialismus-Profiteur benannte Straßen neue Namen bekommen.
Bild: Bis heute der Firmensitz von C. Woermann: Afrikahaus in der Großen Reich…
Hamburg taz | Woermannsweg und Woermannsstieg in Ohlsdorf: Zum ersten Mal
gelangt ein Antrag zur Umbenennung von kolonial belasteten Straßen in
Hamburg zur Prüfung ins Staatsarchiv. Zwar wurden Straßen, deren
Namensgeber mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen, bereits
umbenannt, bei Straßennamen aus der deutschen Kolonialgeschichte blieb ein
früherer, erster Versuch erfolglos: 2010 wurde in Wandsbek eine Umbenennung
zwar in der Bezirksversammlung entschieden, jedoch wehrte sich eine
Bürgerinitiative dagegen und das Verfahren scheiterte.
Den neuen Anlauf initiierten zehn Vereine und Institutionen aus der Black
Community, darunter der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial, die Initiative
Schwarze Menschen in Deutschland und die Initiative „Quo vadis?“. Die Linke
machte sich das Thema zu eigen: Mitte April stellte Rachid Messaoudi im
Regionalausschuss des Bezirks Nord einen Antrag zur Umbenennung beider
Straßen.
Namensgeber ist Adolph Woermann, 1847–1911, Kaufmann, Reeder und
Kolonialist. Er nahm mit dem Familienbetrieb erheblich an der deutschen
Kolonialexpansion teil. So besaß etwa die „Woermann-Linie“– eine Handels-
und Passagierflotte – bis 1919 das Transportmonopol in die deutschen
Kolonien Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, Deutsch-Ostafrika, heute
Tansania, Burundi und Ruanda sowie Kamerun und Togo.
Zu Woermanns Einfluss trug auch bei, dass er zeitweise im Reichstag saß;
auch in der Hamburger Handelskammer hatte sein Wort Gewicht. Woermann ist
laut Hamburg Postkolonial „der Inbegriff eines rücksichtslosen
Kolonialkaufmanns“ und ließ die Menschen in den Kolonien zu ausbeuterischen
Bedingungen für sich arbeiten. Als sich 1904 in Südwestafrika Menschen
gegen das brutale Kolonialregime erhoben, profitierte Woermann erheblich:
Die Reederei transportierte sämtliche deutschen Truppen, die zur
Niederschlagung in die Kolonie entsandt wurden. Der bis 1907 dauernde
Herero-Nama-Krieg wird heute als Völkermord angesehen.
## Die Senatskommission entscheidet
Die mögliche Umbenennung der beiden Straßen ist für Messaoudi ein
„wichtiger, symbolkräftiger Anfang“. Besonders Nachkommen der Herero und
Nama kämpfen um eine Dekolonisierung des öffentlichen Raums: Sie seien im
Alltag mit der Ehrung von Völkermördern konfrontiert, sagt Messaoudi.
Deshalb sei es wichtig, dass alle Betroffenen in den Prozess eingebunden
seien und ein Mitsprachrecht bei den neuen Namen bekämen.
Der Regionalausschuss im Bezirk Nord beschloss im April einstimmig die
Umbenennung; Anfang Mai folgte der Hauptausschuss dieser Empfehlung. Wie es
weiter geht, entscheidet der Senat: In seinem Auftrag wird das Staatsarchiv
ein Gutachten erstellen. Sie endgültige Entscheidung trifft dann eine
Senatskommission. Ein komplexer und langwieriger Prozess, wie Enno
Isermann, Sprecher der Kulturbehörde sagt. Jede Straßenumbenennung ist eine
Einzelentscheidung und muss entsprechend begutachtet werden.
In Ohlsdorf sind befragte Anwohner*innen kaum informiert über die
Diskussion um den problematischen Namensgeber – und nicht sonderlich daran
interessiert: Sie äußern Sorgen um Kosten und Zeitaufwand, die eine
Umbenennung mit sich bringen werde. Als „unsinnig“ bezeichnet eine
Anwohnerin, die nicht namentlich genannt werden möchte, die Angelegenheit:
„Ich weiß zwar, wer Woermann ist, aber es ist wurstegal. Es gibt
wichtigere Dinge.“
Auch im Hauptausschuss stellten sich einige quer: Die Bezirks-CDU ist
„grundsätzlich“ gegen neue Straßennamen; einen konkreten Grund nennt die
Abgeordnete Martina Lütjens der taz nicht. Man warte die Ergebnisse des
Gutachtens ab.
3 Jun 2019
## AUTOREN
Julika Kott
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
Straßenumbenennung
Hamburg
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama
Kolonialismus
Straßenumbenennung
Deutscher Kolonialismus
Deutscher Kolonialismus
Kolonialverbrechen
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