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# taz.de -- Liberale Jüdische Gemeinde in Hannover: Allein gelassen
> Hannovers Liberale Jüdische Gemeinde wird bedroht. Doch das vom Land
> bereits 2019 versprochene Geld für bessere Sicherheitsmaßnahmen kommt
> nicht.
Bild: Die Polizei ist mit einem Streifenwagen vor Ort: Liberale Jüdische Gemei…
Hannover taz | „Ich werde eure Gemeinde anzünden.“ Mit diesen Worten drohte
ein bisher unbekannter Anrufer jüngst der Liberalen Jüdischen Gemeinde in
Hannover. Eine von vielen Anfeindungen, der sich Jüdinnen* und Juden in
Niedersachsen ausgesetzt sehen. 189 antisemitische Straftaten gab es 2020
im gesamten Bundesland. Deren konsequente Verfolgung wird seit Monaten von
der Landesregierung [1][öffentlich betont.]
Den Kampf gegen Antisemitismus haben Rot und Schwarz zur Chefsache erklärt.
Die nach dem antisemitischen Anschlag 2019 in Halle versprochene
Finanzierung besserer Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für jüdische
Einrichtungen lässt jedoch weiterhin auf sich warten.
„Es ist ein Fiasko“, sagt Rebecca Seidler, Antisemitismus-Beauftragte des
Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen und
Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover. Mehr als eine
Million Euro hatte sie für die sechs Einrichtungen, die zu ihrem
Landesverband gehören, beantragt.
Bisher muss sich die Gemeinde mit einem internen Sicherheitsteam und einer
privaten Sicherheitsfirma schützen. Viel Geld fehle deswegen an anderer
Stelle für kulturelles und religiöses Leben, sagt Seidler. Konkret müssen
Rabbiner*innen, Kantor*innen und Sozialarbeiter*innen bezahlt
werden. Das sei eine finanzielle Herausforderung.
Nach dem Anschlag in Halle sah man 2019 auch in Niedersachsen
Handlungsbedarf. Bauliche und technische Sicherheitsmaßnahmen seien
notwendig, sagt Seidler.
In Hannover sollte Michael F., damals Spezialist für Einbruchschutz der
Polizei, ein Sicherheitsgutachten für die Liberale jüdische Gemeinde
Hannover erstellen. F. sei zunächst der Meinung gewesen, Schutzmaßnahmen
müsse die Gemeinde – und nicht der Staat – tragen. Wie ein Baumarktleiter
solle Seidler selbst für die Sicherheit sorgen, habe er ihr geraten.
Seit Sommer 2020 spricht F. öffentlich bei „Querdenken“-Protesten und
phantasiert mittlerweile vom bewaffneten Umsturz. „Das hat mich fassungslos
gemacht, dass der Hintergrund, der Person, die mit dieser Aufgabe betraut
wurde, scheinbar nicht überprüft wurde“, sagt Seidler. Sie verstehe nicht,
warum nicht von Anfang an Spezialist*innen des Landeskriminalamtes zu
den jüdischen Gemeinden geschickt wurden.
Gegen den Kriminalhauptkommissar läuft mittlerweile ein
Disziplinarverfahren und er ist vom Dienst freigestellt. An den Beratungen
zum allgemeinen Sicherheitskonzept von jüdischen Einrichtungen soll er
hingegen nicht beteiligt gewesen sein, heißt es von der Polizei Hannover.
Seit Jahren kommt es von Seiten der extremen Rechten zu Anfeindungen,
Attacken und Anschlägen auf Jüdinnen* und Juden sowie auf ihre
Einrichtungen. Auch bei „Querdenken“-Demonstrationen in ganz Niedersachsen
gab es geschichtsrevisionistische, holocaustrelativierende und
antisemitische Vorfälle. Die Strafverfolgung ebendieser läuft jedoch oft
schleppend.
Mit harten Strafen droht Innenminister Boris Pistorius (SPD) denjenigen,
die israelische Fahnen verbrennen oder im Angesicht der erneut
aufflammenden Kampfhandlungen im Nahostkonflikt Synagogen angreifen. In der
vergangenen Woche war es zu zahlreichen Attacken im gesamten Bundesgebiet
auf Jüdinnen* und Juden gekommen.
## Zaghafte Polizei
Auch in Hannover [2][verbrannten Demonstrant*innen am 12. Mai
ausgedruckte Israelfahnen] und riefen beim Umzug durch die Innenstadt auf
Arabisch „Oh Juden, die Armee Mohammeds kommt wieder!“ Die Polizei
reagierte vor Ort entgegen Pistorius’ Darstellung zaghaft.
Eine Anfrage der taz ließ das Niedersächsische Kultusministerium bis
Redaktionsschluss unbeantwortet, bestätigte am Telefon aber die eigene
Zuständigkeit. Die genauen Gründe warum sich die Auszahlung der Gelder
verzögere müssten Sachbearbeiter*innen beantworten, heißt es.
Die Gemeinden in Niedersachsen warten weiterhin auf die zugesicherten
Finanzmittel. „Es macht mich sprachlos und lässt mich mit Wut zurück, dass
wir immer wieder in der Position sind, dass wir anfragen und dranbleiben
müssen“, sagt Seidler. Sie bekomme wenig Signale, dass die
Finanzierungsfrage der Sicherheitsmaßnahmen vorwärts gehe.
18 May 2021
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-Antisemitismus/!5760805
[2] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5766377
## AUTOREN
David Speier
Michael Trammer
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Jüdische Gemeinde
Hannover
Antisemitismus
Niedersachsen
"Querdenken"-Bewegung
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