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# taz.de -- „Querdenker“ bei der Polizei: Schutzmann träumt vom Umsturz
> Gegen Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch wird disziplinarisch
> ermittelt. Er spekuliert auf das Ende der alten Ordnung.
Bild: Festgenommen: Michael Fritsch während einer Querdenker-Demo im April
Hannover taz | Mit einer blau-verspiegelten Fliegerbrille im Gesicht wendet
sich „Michael Fritsch Offiziell“ am Sonntagnachmittag an seine 12.000
Telegram-Follower*innen. Der 57-Jährige gibt in einem Video eine kurze
Lageeinschätzung der „Querdenken“-Proteste am Pfingstwochenende in Berlin,
wo die Polizei Hunderte Demonstranten wegen Verstößen gegen die
Hygieneregeln festgenommen hatte. „Das ist keine Polizei mehr für die
Menschen, sondern gegen die Menschen“, sagt Fritsch.
Sein Unmut über seine bald vielleicht ehemaligen Kolleg*innen könnte auch
an den jüngsten juristischen Konsequenzen für seinen „Widerstand“ gegen d…
Coronapolitik der Bundesregierung liegen.
Am Donnerstag, 20. Mai, reichte die Polizeidirektion Hannover
Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht gegen Michael Fritsch ein. Der
freigestellte Kriminalhauptkommissar soll nach Auftritten bei
Querdenken-Demonstrationen den Beamtenstatus verlieren. Das
Vertrauensverhältnis sei aus Sicht der Polizei unwiederbringlich zerstört,
sagte eine Sprecherin dem NDR.
Seit neun Monaten wird gegen Fritsch ermittelt. Mindestens zwei Razzien gab
es in seinem Haus in Alfeld südlich von Hannover. Er selbst wurde mehrfach
bei Querdenken-Protesten in Gewahrsam genommen.
## Putsch fantasiert
Dass Fritschs Fantasien in Richtung Putsch gehen, zeigt eine
Sprachnachricht, die er am 22. April an die öffentliche Telegram-Gruppe
„Soldaten & Reservisten“ schickte. Dort sagte er, es müsse eine
Vernetzungsstrategie her. „Damit wir als Instanz, die hier waffenführend
ist, einen möglichst friedlichen Verlauf für den Umbruch herbeiführen
können.“
Mit Singen, Reden und Klatschen komme man nicht weiter. Der Zeitpunkt müsse
abgepasst werden, damit es sich nicht um eine Revolution „aus Teilen der
Armee“ handle, die blutig niedergeschlagen werde.
Alarmierend ist neben dem Inhalt der Nachricht der Kreis, den Fritsch
adressiert. Seit mehr als einem Monat sammeln sich bei Soldaten &
Reservisten Hunderte, die angeben, aktiv im Dienst der Bundeswehr zu stehen
oder eine militärische Laufbahn hinter sich zu haben. Initiiert hatte die
Gruppe laut eigenen Angaben Fritsch und der Verein „[1][Polizisten für
Aufklärung]“.
Fritsch hat, wie er selbst sagt, die Aufgabe des Schatzmeisters und die
Mitgliederverwaltung übernommen. Erklärtes Ziel des Querdenker-Vereins ist
es, Polizisten, Soldaten und vergleichbare andere Beschäftigte aufzuklären.
## Chat über Lieblingswaffen
Am Anfang tauschten sich die Mitglieder der Gruppe über Dienstgrade,
Auslandseinsätze und Lieblingswaffen aus. Eine „Dragunov“, ein
Scharfschützengewehr habe er, schreibt einer, „und auch Mosin Sniper 91/30
is geil!“ Schießen könne gemeinsam trainiert werden. In den Kanälen
kursieren Karten mit Anweisungen und taktische Kommandos für Großproteste.
„Pfingsten in Berlin“ wollte die Gruppe sich zwischen Demonstrant*innen
und die Polizei stellen. Geklappt hat der Offline-Auftritt nicht.
Fritsch hatte zu dieser Aktion und zu mehr aufgerufen:„Wir müssen uns auch
sicher sein, dass wenn quasi die Regierung abgesetzt wird, dass die
militärische Einheit dann vorübergehend die Kontrolle übernimmt und mit der
Polizei hier zusammen für Frieden auf den Straßen sorgt“, sagt Fritsch in
der Telegram-Sprachnachricht von April.
In Bildern gesprochen wolle er das „alte marode und morsche Gebäude
abreißen, auskoffern und dann ein Fundament gießen, damit wir was Neues
aufbauen können“. Mit den Worten „Michael Fritsch, Schutzmann mit Herz und
Hirn“ beendet er seine Sprachnachricht.
Was das Neue sei, werde er „wenn es soweit ist“ bekannt geben, sagt Michael
Fritsch der taz auf Anfrage am Telefon. Zum laufenden Verfahren wolle er
sich nicht äußern. Er habe aus den Medien von der Anklage erfahren. Nach
kaum einer Minute legt er auf. Viele Fragen bleiben offen.
## NS-Vergleich auf Demo gezogen
Als Spezialist für Einbruchschutz der Polizeidirektion Hannover wurde
Michael Fritsch 2019 und Anfang 2020 für [2][Sicherheitsbegehungen in der
Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover eingesetzt]. Nach dem Anschlag in
Halle sollte Fritsch ein Gutachten erstellen. Dem Vorstand habe er damals
beim ersten Termin gesagt, es sei nicht staatliche Aufgabe, für
Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinde zu bezahlen.
Etwa ein halbes Jahr später trat Fritsch zum ersten Mal bei einer
[3][Querdenken]-Demonstration in Dortmund auf und stellte sich auf der
Bühne als Polizeibeamter vor. In seiner Rede verglich er die
Coronapandemie mit der Zeit des Nationalsozialismus. Kolleg*innen
forderte er auf, sich der Bewegung anzuschließen und zu „remonstrieren“,
denn es gebe keine Gewaltenteilung mehr und läge jetzt an allen, ob der
„anstehende Wandel friedlich oder gewaltsam verläuft“.
Später sagte er bei einer Querdenken-Versammlung im November in Hannover,
eigentlich gehe es bei der derzeitigen Entwicklung nicht um das
Coronavirus, sondern um einen „great reset“. Für ihn seien die eingesetzten
Polizeibeamt*innen „gekaufte Söldner“. Für seine Auftritte erhielt
Fritsch immer wieder Applaus und wurde in Querdenken-Telegram-Kanälen
gefeiert.
Neues Ziel des verschwörungsideologischen Multiaktivisten ist der Einzug in
den Bundestag. Einen Parteitag der Querdenker-nahen Partei Die Basis bewarb
Fritsch zuletzt trotz Suspendierung in Polizeiuniform. Als
niedersächsischer Spitzenkandidat könnte Fritsch bald in den Räumen
wandeln, die er „auskoffern, abreißen und neu aufbauen“ will – bezahlt v…
Steuergeldern.
## Grüne begrüßen Klage
Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen
Landtag, begrüßt die kürzlich eingereichte Klage. Es blieben aber noch
viele Fragen offen. Immer wieder gebe es Hinweise, dass
Bundeswehrmitarbeitende, Polizist*innen und
Sicherheitsbehördenmitarbeitende sich vernetzen, um sich auf einen Umsturz
vorzubereiten. Fritsch scheine zu einer zentralen Figur geworden zu sein.
Ob die Umsturzfantasien des Michael Fritsch neben disziplinarrechtlichen
auch strafrechtliche Folgen haben werden, wird sich zeigen. Die Polizei
Hannover wollte sich dazu nicht äußern. Laut taz-Informationen ist eine
mehrköpfige Ermittlungsgruppe mit dem freigestellten Schutzmann auf Abwegen
betraut.
25 May 2021
## LINKS
[1] /Verein-Polizisten-fuer-Aufklaerung/!5765487
[2] /Liberale-Juedische-Gemeinde-in-Hannover/!5767617
[3] https://querdenken-711.de/
## AUTOREN
Michael Trammer
David Speier
## TAGS
Polizei Niedersachsen
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