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# taz.de -- Krawalle nach Dynamo-Spiel: Unermüdlicher Einsatz
> In Dresden haben rechte Hooligans Presse und Polizei angegriffen. Die
> Eskalation zeigt, warum solche Ereignisse dokumentiert werden müssen.
Bild: Mindestens 500 gewaltbereite Dynamo-Fans sollen laut Polizei unterwegs ge…
Schon wieder werden Journalist:innen angegriffen. Schon wieder wird
einer dabei schwer verletzt. Und schon wieder ist es eine Mischung aus
Hooligans, „Querdenker“-Szene und Rechtsextremen, aus denen heraus diese
Angriffe passieren.
Der Fußballverein Dynamo Dresden spielte am Sonntag um seinen Aufstieg in
die zweite Liga. Zwischen 3.000 und 5.000 Fans waren in der Stadt
unterwegs, unzählige ohne Maske und Mindestabstand. Mindestens 500 von
ihnen, so sagt es die Polizei, seien gewaltbereit gewesen. Siebzehn
Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs, Körperverletzung,
Sachbeschädigung und des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, dreißig
Festnahmen, elf verletzte Polizeibeamte und mindestens zwei schwere
Angriffe auf die Presse zählt die Polizei im Anschluss.
Videos vom Sonntag zeigen eine unübersichtliche, aggressive Situation.
Vermummte Hooligans rennen durch einen Park, Böller explodieren, es fliegen
Flaschen, Steine und Pyrotechnik auf Polizei und Presse.
Journalist:innen berichten von zahlreichen Angriffen und Bedrohungen
sowie antisemitischen Beschimpfungen als „Judenpresse“.
Zwei 17-jährige Nachwuchsjournalisten dokumentierten diese Übergriffe. Die
beiden betreiben das Twitter-Profil vue.critique mit dem Ziel, politische
Veranstaltungen aus dem Raum Dresden zu dokumentieren. Einer von ihnen
berichtet der taz, die Stimmung sei „sehr aggressiv“ gewesen,
Journalist:innen „bepöbelt und geschubst“ worden.
## Bewusstlos geprügelt
Kurz nach einer Eskalation greifen Hooligans die beiden gezielt an und
prügeln den Fotografen zu Boden. Er kriecht weg, setzt sich an ein Auto,
nach fünf Minuten kommen Ersthelfer, messen den Puls, halten ihn durch
Fragen und Schütteln bei Bewusstsein. Immer wieder wird er bewusstlos, erst
nach einer knappen halben Stunde kommen Sanitäter:innen und bringen
ihn in ein nahegelegenes Krankenhaus. Am Ende stellen Ärzt:innen ein
Schädel-Hirn-Trauma sowie Prellungen im Bauchbereich fest.
Zuvor wollten die beiden hinter einer Polizeiabsperrung Schutz suchen. Das
Problem: Beide sind noch Schüler und keine hauptberuflichen Journalisten,
können sich deshalb auch nicht als solche ausweisen.
Einer von ihnen zeigt einen Presseausweis der Jugendpresse, eines Verbands
für junge Medienschaffende, doch der reicht den Beamt:innen nicht aus.
Die Polizei spricht anschließend in einer Pressemitteilung davon, dass sie
„möglicherweise“ Journalisten gewesen seien. Der Deutsche Journalisten
Verband (DJV) will den Fall prüfen.
## Gefährliche Berichterstattung
Nun könnte man argumentieren, die beiden seien zu jung, um von solchen
Ausschreitungen zu berichten. Sie seien ja nicht einmal „richtige“
Journalisten, sondern noch Schüler. Oder man könnte sagen: „Wenn es so
gefährlich ist, warum sind Journalist:innen da überhaupt mittendrin?“
Doch alle drei Argumente zielen am eigentlich Erschütternden vorbei: Dass
ein 17-Jähriger am helllichten Tag mitten in Dresden so schlimm verprügelt
wird, dass er mit schweren Verletzungen im Krankenhaus landet.
Der Angriff zeigt erneut, wie gefährlich es für Journalist:innen
inzwischen ist, von der Straße zu berichten. Die [1][Gewalt gegen
Medienvertreter:innen hat massiv zugenommen]: 252 Angriffe auf
Journalist:innen zählt die Bundesregierung für das Jahr 2020. Die
Dunkelziffer wird von Expert:innen weit höher geschätzt. Auch in Dresden
waren die beiden nicht die Einzigen, die von dem Mob angegriffen wurden.
## Prekäre Medienlandschaft
Journalismus ist in Deutschland inzwischen zumindest in bestimmten
Bereichen zu einem gefährlichen Beruf geworden. Neben Morddrohungen,
Hassbriefen und Einschüchterungen sind es immer wieder Aufmärsche, die zur
Gefahr werden. Insbesondere im Kontext rechtsextremer Bestrebungen, aber
auch im verschwörungsideologischen und im „Querdenker“-Kontext. Vor allem
in Sachsen kommt es immer wieder zu diesen Angriffen, ob seit 2015 bei
Pegida und seinen unzähligen Ablegern, [2][in Chemnitz 2018], in
[3][Leipzig 2020] oder nun in Dresden 2021.
Was wir über diejenigen wissen, die an solchen Demonstrationen und
Ausschreitungen beteiligt waren, wissen wir von denen, die in der ersten
Reihe stehen und unermüdlich dokumentieren.
Gerade bei solchen Demos und Ausschreitungen sind viele freischaffende
Journalist:innen vor Ort und arbeiten dort oftmals ohne festen Auftrag.
Ein Großteil des Wissens, was die Presse über rechte Netzwerke hat, basiert
auf diesen engagierten Einsätzen. Die prekäre Situation der
Medienlandschaft führt dazu, dass diese Arbeit nicht selten unbezahlt
bleibt.
## Schützenswertes Engagement
Doch auch diejenigen, die vom Schreibtisch aus über die rechte Szene
berichten, greifen auf die Arbeit dieser Personen zurück, die teilweise
noch nicht einmal Geld mit ihrer Arbeit verdienen – so wie die beiden
jungen Journalisten von vue.critique. Die beiden sagen zur taz, ihnen sei
es bei der politischen Gemengelage in Dresden enorm wichtig, sich zu
engagieren. Dass es jedoch so heftig wird, damit hätten sie nicht
gerechnet.
Die Presse gerät unter Druck, mit enormen Auswirkungen auf das
demokratische Mediensystem. Viele Journalist:innen sagen, dass sie aus
manchen Regionen oder zu bestimmten Themen nicht einmal mehr berichten
wollen, aus Angst vor dem, was ihnen drohen könnte. Umso mehr Anerkennung
verdienen jene, die diesen Job weiterhin machen.
Es braucht diese Menschen, die von Ausschreitungen, von Gewalteskalation,
von radikalisierten Protesten und rechten Demonstrationen berichten. Und da
ist es völlig egal, ob diese nun von einem großen Fernsehsender bezahlt
werden oder für ein kleines Twitterprofil arbeiten. Die Dokumentation von
Ausschreitungen wie jenen in Dresden vergangenen Sonntag ist inzwischen
mehr als ein Beruf – es ist ein Engagement, das es zu schützen gilt. Egal
ob mit oder ohne Presseausweis.
17 May 2021
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Gefahr/!5758599
[2] /Eine-ostdeutsche-Grossstadt-in-Aufruhr/!5532080
[3] /Querdenker-Protest-in-Leipzig/!5726829
## AUTOREN
Sarah Ulrich
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Rechtsextremismus
Nazis
Dynamo Dresden
Journalismus
Schwerpunkt Pressefreiheit
Hooligans
Lesestück Recherche und Reportage
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