Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Den Schlick liebende Wühler
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (121): Die unappetitlich
> wirkenden Peniswürmer sind keine Lieblinge der Forschung.
Bild: Sieht aus wie frisch gezüchtet: der Priapulus caudatus
Es gibt menschliche Penisse, die wie Würmer aussehen, und es gibt einen
Wurm, der wie ein Penis aussieht. Er hat auch in etwa dieselbe Größe
(zwischen einem und 39 Zentimetern), ist genauso blind und heißt auch so:
Peniswurm. Der große Natursystemiker Carl von Linné nannte ihn „Priapus
humanus“ (menschlicher Penis), die Biologen sprechen vom „Peniswurm“. Er
lebt im und auf dem Meeresboden und hat einen manchmal fast glatten Kopf,
der ein Drittel seines Körpers einnimmt. Hinter dem Kopf befinden sich bei
einigen Arten kragenähnliche Falten wie bei unbeschnittenen Penissen. Der
übrige Körper ist von Grübchen und Warzen sowie von chitinhaltigen Dornen
besetzt.
Letztere dienen laut Wikipedia „wahrscheinlich“ als „Sinnesrezeptoren“ …
zur „Fortbewegung“. An anderer Stelle heißt es jedoch: „Peniswürmer bew…
sich mit Hilfe ihres rüsseligen Introverts (Kopfes) vorwärts.“ Wie das um
Gottes Willen? Hierbei kommt ein „Penetrationsanker“ zur Wirkung: Dieser
entsteht als Verdickung durch „Entspannung der Ringmuskulatur“ am
Hinterende. „Die restliche Ringmuskulatur kontrahiert hingegen und
verringert damit den Körperquerschnitt.
Da die Flüssigkeit im Hohlraum zwischen Körperwand und Darm (der die
Leibeshöhle als gerades Rohr durchzieht) praktisch immer dasselbe Volumen
einnimmt, stülpen sich bei entspannter Längsmuskulatur Kopf und Schlund
nach vorne aus. Dadurch, dass nun durch eine vom Hinterende ausgehende
wellenförmige Kontraktion der Ringmuskulatur immer mehr Flüssigkeit aus dem
Rumpf in den Kopf gelangt, dehnt sich dieser erheblich und verankert nun
seinerseits den Körper an der Vorderseite. Durch Kontraktion der
Längsmuskulatur und der Kopf-Retraktormuskeln wird der Rest des Körpers
nach vorne nachgezogen.“
Auf diese Weise kommen die Peniswürmer also voran, wenn auch nur mühsam –
aber „vorwärts immer, rückwärts nimmer“, wie Erich Honecker zu sagen
pflegte. Das „Lexikon der Biologie“ formuliert es kürzer: „Unter ständi…
Vor- und Einstülpen der Proboscis (des Rüssels) und Nachziehen des Rumpfes
wühlen sie sich durch den Schlick.“
Da ihre Dornen am Körper oft Haken haben, vermuten die Biologiestudenten,
die zumeist für solche [1][Wikipedia-Einträge] verpflichtet werden (als
Hausarbeit), dass sie auch zum „Beutefang“ benutzt werden.
## Weiche Körper
Als Beute gelten kleine „wirbellose Tiere mit weichem Körper“, aber auch
andere Peniswürmer, die sie mit den dornigen Haken am Kopf packen und dann
„als Ganzes durch permanentes Ein- und Ausstülpen des Mundkegels immer
weiter in den Schlund schieben, wo sie durch feine Zähnchen klein
gehäckselt werden. Beim Ausstülpen des Mundkegels gelangen die Zähnchen
nach außen und helfen so mit, die Beute zu ergreifen.“ Die Peniswürmer
lauern im Boden eingegraben auf ihre Beutetiere.
Das „Lexikon der Biologie“ erwähnt ferner, dass die größeren Arten „1�…
traubig verzweigte Schwanzanhänge“ um den „endständigen After“ haben, d…
Funktion jedoch unbekannt ist, eventuell sind es „Atmungsorgane“.
Peniswürmer sind getrenntgeschlechtlich, obwohl sich Männchen und Weibchen
meist nicht unterscheiden lassen. Seine Besamung ihrer „kleinen Eier mit
hohem Dottergehalt“ findet im freien Wasser statt. Auch die sich daraus
entwickelnden Larven sind natürlich wurmförmig, ihr Kopf ist bereits
„dornenbewehrt“. Vor der letzten Umwandlung zum erwachsenen Tier müssen sie
sich mehrmals häuten. Diese Entwicklung kann bis zu zwei Jahre dauern.
„Weitere Details der Entwicklung sind nicht bekannt.“
Die vielen Vermutungen und noch unbekannten Details deuten darauf hin, dass
die Peniswürmer nicht unbedingt zu den Lieblingstieren der Meeresforscher
zählen. Dabei gehörten sie vor circa 500 Millionen Jahren (im
Mittel-Kambrium) „vermutlich zu den dominierenden Wirbellosen der
Meeresböden“. Seit 2004 sind aus Hunan in Südchina Embryofossilien aus
dieser Zeit bekannt. Einige Forscher haben 2015 „fossile Zähne der Tiere
untersucht und festgestellt: Die Gruppe ist vielfältiger als bislang
bekannt“, [2][schreibt der Spiegel], der sich schon immer für alles
interessierte, was irgendwie mit Penis zu tun hat.
## Otto-Profil
Zu dem Wurm fiel dem Hamburger Samstagsmagazin aber nicht viel ein –
eigentlich nur dies: „Plamen Andreev von der University of Birmingham und
Kollegen untersuchten die weniger als einen Millimeter großen fossilen
Zähne verschiedener Peniswürmer unter dem Mikroskop. Die Analyse zeigte,
dass die am weitesten verbreitete Art, Ottoia prolifica, eigentlich zwei
Arten umfasst. Weil der Unterschied zwischen den beiden Spezies so subtil
ist, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass noch viele weitere
Peniswurmfossilien in Museen überall auf der Welt bislang der falschen Art
zugeordnet wurden.“ Ach du Scheiße!
Auch news.de war von dem „[3][Tiefsee-Penis]“ irgendwie fasziniert, hat
aber in seiner vierzeiligen „Nachricht“ darüber gleich mehrere
Falschmeldungen untergebracht: Forscher „entdeckten ihn“ 2017 vor der Küste
Australiens. Das kann nicht sein, da Linné den Wurm bereits im 18.
Jahrhundert kannte, wenn er ihn auch nicht „Tiefsee-Penis“ nannte.
So nannten ihn auch die mutmaßlich verschämten australischen Forscher
nicht, denn sie gaben ihm den Namen „Erdnusswurm“. Doch „die Twitter-User
waren sich einig: An eine Erdnuss erinnerte diese Kreatur definitiv nicht“,
heißt es auf news.de. Das spricht dafür, dass es gar keine „Forscher“,
sondern eher kurzsichtige australische Strandspaziergänger waren, die ihren
Fund blitzschnell getwittert hatten. Weiter heißt es in der Meldung über
den Wurm, dass er ihnen „durch seine eigenwillige Form sofort ins Auge
fiel“.
Diesem schlicht gebauten Peniswurm einen starken Eigenwillen beim
Sichgestalten zu attestieren, ist zwar äußerst wurmfreundlich, aber völlig
verfehlt. Das könnte man höchstens bei der Penisgestaltung des ehemaligen
Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann sagen, über die 2002 auf der
Wahrheit-Seite der taz lang und breit berichtet wurde, was den angeblichen
„Penisverlängerer“ so sehr wurmte, dass es zu einem „Penis-Prozess“ ka…
der jedoch 2003 „nicht verlängert“, das heißt, eingestellt wurde.
## Kieferbewehrt
Während die kambrischen Peniswürmer auf „normalem Meeresboden“ siedelten,
sind die modernen Formen laut einigen chinesischen Forschern eher auf
Extremhabitate beschränkt. Erst mit dem Auftreten kieferbewehrter
Vielborster aus den Reihen der Ringelwürmer verloren die Peniswürmer an
ökologischer Bedeutung und verschwanden bis zum Silur (in der Zeit zwischen
443,4 Millionen Jahren und 419,2 Millionen Jahren) weitgehend aus der
fossilen Überlieferung, weswegen die Peniswürmer auch schon als „basic
failure“, also als (evolutionärer) Fehlschlag gesehen wurden.
Es gibt nicht wenige Feministinnen, die das auch von den Penismenschen
behaupten, mindestens als Arbeitshypothese. Wie erwähnt scheinen die
lebenden Peniswürmer die Biologen nicht sonderlich zu interessieren, wohl
aber die koreanischen Feinschmecker, und als Fossilien sind sie
mittlerweile sogar „paläontologische Modellorganismen“.
17 May 2021
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Geschw%C3%A4nzter_Priapswurm
[2] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/neue-peniswurm-art-entdeckt-a-103…
[3] https://www.news.de/panorama/855668578/erdnusswurm-entdeckt-penis-wurm-gibt…
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Die Wahrheit
Tiere
Penis
GNS
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Das Geheimnis in den Füßen
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (124): Die Haftfähigkeit
von Geckos fasziniert Bioniker, die sie nutzbar machen wollen.
Die Wahrheit: Nesttäuscher mit geheimer Identität
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (123): Der Kuckuck hat
nicht wenig mit dem Geheimagenten James Bond zu tun.
Die Wahrheit: Den Blick zu Boden ins Verderben
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (122): Rotmilane geraten
immer häufiger in die Flügel von Windrotoren.
Die Wahrheit: Schnell wie der heiße Wind
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (120): Soeben sind die
Mauersegler aus dem Süden zurückgekehrt, wie immer zum 1. Mai.
Die Wahrheit: In der Papageien-Szene umstritten
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (119): Der Spix-Ara, eine
seltene und teure Papageienart, ist zum Spekulationsobjekt mutiert.
Die Wahrheit: Gesellige Sozialisten unter Wasser
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (118): Korallen galten
lange als Verkörperung der Ideale der Französischen Revolution.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.